Ein verdammt langer Tag

Chevrolet_Orlando_LTZ_1.8_–_Frontansicht,_16._April_2011,_HildenUnser Mandant brauchte ein größeres Auto und kaufte Ende 2012 bei einem Händler einen Chevrolet Orlando für knapp 20.000 Euro. Nach dem Bestellformular sollte es sich um einen EU-Import mit Tageszulassung und Herstellergarantie handeln. Der Mandant, glücklich über sein fast neues Auto, sah sich erst zu Hause die Papiere etwas genauer an und stellte fest, dass sein Chevrolet schon im Frühjahr 2011 erstmalig zugelassen worden war. Aber es kam noch besser. Anhand der Fahrzeugidentifikationsnummer fand er heraus, dass sein Chevrolet Ende 2010 in Deutschland gebaut und an einen ganz anderen Händler ausgeliefert worden war.

Die angebliche Tageszulassung war also ein zwei Jahre altes Auto, das dann auch noch durch mindestens zwei Paar Händlerhände gegangen ist. Nicht mehr ganz so glücklich mit seinem veralteten „Wanderauto“, ließ der Mandant uns den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und verlangte den Kaufpreis zurück. Der Händler weigerte sich. Das Landgericht Berlin musste bemüht werden. Wo Tageszulassung drauf steht, darf kein zwei Jahre altes Auto drin sein, meinte die Richterin (sinngemäß ;-) ) und verurteilte den Händler, das Auto zurückzunehmen und den Kaufpreis zu erstatten.

Das Fahrzeug weist nicht die vereinbarte Beschaffenheit einer „Tageszulassung“ auf und ist nicht „neuwertig“. Dieses stellt einen erheblichen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB dar.

Gegenstand des Kaufvertrages war die Bestellung für ein EU-Importfahrzeug mit Tageszulassung. Bei einem Fahrzeug mit Tageszulassung ist es üblich, dass das Fahrzeug in seiner Beschaffenheit fabrikneu ist (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., S.145, Rn.640; BGH NJW 2005,1422,1423). Ein unbenutztes Kraftfahrzeug ist regelmäßig noch fabrikneu, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als zwölf Monate liegen (BGH NJW 2004,160). Der dieser Entscheidung des BGH zu Grunde liegende tragende Gedanke der Fabrikneuheit ist auf die Bezeichnung EU-Importfahrzeug mit Tageszulassung übertragbar. Tageszulassungen sind eine besondere Form des Neuwagengeschäfts. Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten und verständigen Autokäufer, der bei dem Begriff „Tageszulassung“ erwartet, auch in diesem Fall ein fabrikneues Fahrzeug zu erwerben (BGH NJW 2005,1422).

Neu war der Chevrolet mit gut zwei Jahren Standzeit wahrlich nicht und auch die Weitergabe von einem Händler zum nächsten, ohne das dem Käufer zu sagen, fand das Gericht nicht gut.

Das Fahrzeug hatte mehr als einen Vorhalter beziehungsweise -besitzer, was einen weiteren Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB darstellt.

Zu der Eignung zur gewöhnlichen Verwendung gehört einem Fahrzeug grundsätzlich auch die Anzahl der Vorbesitzer (Palandt – Weidenkaff, BGB, 71. Auflage, § 434 Rn. 29). Die Angabe über Vorbesitzer ist ein für den Fahrzeugkäufer wesentlicher Umstand, wenn der Verkäufer das Fahrzeug selbst kurz zuvor von einem Zwischenhändler erworben hat.

In einem solchen Fall ist der Verkäufer zur Aufklärung verpflichtet, denn ohne einen entsprechenden Hinweis geht der Käufer davon aus, dass der Vertragspartner das Fahrzeug von demjenigen übernommen hat, der als letzter Halter in dem Kraftfahrzeugbrief eingetragen ist. (BGH v. 16.12.2009 VIII ZR 38/09; OLG Bremen NJW 2003,3713 f.).

Auch wenn unser Mandant sich ein paar 100 Euro für gefahrene Kilometer vom Kaufpreis abziehen lassen musste, das deutlich schlechtere Geschäft hat der Händler gemacht. Für knapp 20.000 Euro bekam er ein inzwischen 4 Jahre altes Auto mit gut 10.000 km mehr auf der Uhr zurück. Mal sehen als was er es dem nächsten Interessenten verkauft. Wenig gefahrener Gebrauchter aus erster Hand?

Das Urteil im Volltext (PDF): LG Berlin, Urteil vom 31.07.2014, 5 O 90/13

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Bild: Wikipedia

Dieser Beitrag wurde unter Zivilrecht veröffentlicht.

10 Antworten auf Ein verdammt langer Tag

  1. 1
    doppelfish says:

    Vielleicht raten Sie dem Mandanten, Ihre Visitenkarte im Handschuhfach zu „vergessen“. Für den nächsten Käufer.

  2. 2
    Der wahre T1000 says:

    GENAU das ist mir auch passiert. Ich kaufte einen „Jahreswagen“, bei dem sich herausstellte, dass dieser zwar nur 14 Monate zugelassen, aber bereits 33 Monate alt war.

    Das ist dem Händler auch um die Ohren geflogen.

    Und weil der Bruder des Verkäufers laut Gericht „erkennbar bemüht war“ dem Verkäufer nützliche Angaben zu machen, gab es noch einen roten Deckel dazu.

    Aber selbst nachdem das Urteil rechtskräftig wurde, hat der Verkäufer versucht den Wagen nicht zurücknehmen zu müssen. Erst als ich mit der Gerichtsvollzieherin im Autohaus stand und die Pfändung (ein Abschleppunternehmer stand bereit) eines im Ausstellungsraum stehenden Audi R8 angedroht wurde, hat er den Wagen zurückgenommen und das Geld herausgegeben…

  3. 3
    max says:

    Warum muss sich Kl. die gesamte Fahrleistung anrechnen lassen? Das Fahrzeug hatte doch schon 104 km auf der Uhr und wurde mit 10.033 km zurückgegeben. Sollten da nicht eher „nur“ 9.929 km angerechnet werden?

  4. 4
    T1001 (next generation!) says:

    @max:
    Das ist doch Pillepalle.
    Viel mehr interessiert mich: Welcher Händler ist so blöd, ein Fahrzeug gegen Anzahlung (auch wenn es 2/3 des Kaufpreises waren) herauszugeben?

  5. 5
    Trabantfahrerin says:

    Wer 15 Jahre auf ein Fahrzeug warten kann, bleibt entspannt und schätzt die Vorzüge der Bahn.

  6. 6
    Der Adminblogger says:

    Ist es eigentlich ausreichend, die Bildquelle mit „Wikipedia“ anzugeben?

    Laut

    http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Chevrolet_Orlando_LTZ_1.8_%E2%80%93_Frontansicht,_16._April_2011,_Hilden.jpg

    ist der Autor ein gewisser „M 93“. Müsste man nicht zumindest dieses Kürzel als Autor angeben?

    Die „Wikipedia“ hat das Foto ja offensichtlich nicht angefertigt…

    Spiegel Online & Co machen es sich oft ebenso leicht, wenn es heißt „Quelle: Internet“ oder „Quelle: Youtube“.

  7. 7
    Max says:

    @Adminblogger (#8):
    Tatsächlich hätte bei der verwendeten CC-Lizenz der Urheber des Lichtbildes genannt werden müssen, bzw. ihm wäre ein „reasonable credit“ einzuräumen. Was hier, da bekannt und ohne Umstände möglich, den Namen des Urhebers (bzw. dessen Pseudonym) einschließt.

  8. 8
    Max says:

    Zu viele Maxens hier – es hätte in meinem letzten (und ersten) Beitrag natürlich Post „#6“ und „appropriate credit“ heißen müssen. Bitte das nachzusehen.

  9. 9
    RA HP says:

    Glück gehabt, das ist ein Fehlurteil. Eine – hier nach st. Rechtspr. des BGH mögliche – Nacherfüllung durch Neulieferung wurde vom Gericht unterschlagen, es wurde nur die (natürlich unmögliche) Nachbesserung geprüft. Dies hätte dem Urteilstatbestand nach den Rückzahlungsanspruch zu Fall gebracht.

  10. 10
    König Kunde says:

    @RA HP
    Wäre aber wahrscheinlich für den Händler kaum billiger (falls nicht sogar noch teurer) geworden.Wegen der Länge des Verfahrens würde der Händler auch unmöglich das bestellte Modelljahr liefern können und falls das Gericht sagt „Kunde muss auch ein neueres Modelljahr nehmen“ (weil nach Idee des Laien ja neueres Modelljahr == besser :( ) muss er das in dieser Ausstattung irgendwoher auftreiben. Das macht Aufwand.

    Dem Kunden kann’s Recht sein, der hat dann sein neues Auto. so wie er es wollte.