Eine Konsequenz deutlicher Hinweise

Nebenklägerinvertreterin - 532554_web_R_B_by_Marion_pixelio.deDer Mandant wurde von einem Amtsgericht in einem nicht ganz südlichen Bundesland verurteilt. Es war zwar „nur“ ein Ehrkränkungsdelikt, aber sowohl Gegenstand als auch die Rechtsfolge hatten es echt in sich. Und den im Raum stehenden Eintrag ins Führungszeugnis konnte der Mandant nun überhaupt nicht gebrauchen. Die Wurst war’s, um die es ging.

Das Amtsgericht hatte es sich einfach gemacht. Die Frage, ob die behauptete Tatsache falsch oder zutreffend war, ist offen geblieben – nach dem Motto: Selbst wenn die Tatsache zutreffend wäre, reichte sie nicht zur Rechtfertigung der Ehrkränkung. Bei der Tatsache handelt es ich um eine angebliche Sexualstraftat zur Lasten eines Kindes, die sich vor ein paar Jahren ereignet haben soll. Oder nicht. Schon das war streitig und seinerzeit auch nicht abschließend aufgeklärt, sondern die Sache ist sanktionslos eingestellt worden.

Sicher nicht einfach mal so nebenher aufzuklären; aber schlicht darüberhinweg zu urteilen, geht ja nun auch nicht.

Dann ging es noch um die Täterschaft, der Mandant bestritt die ihm zur Last gelegte Ehrkränkung; es gab realistische Alternativ-Szenarien, die in der ersten Instanz vom damaligen Verteidiger nicht ins Programm genommen wurden. Er war ja auch eher ein hervorragender Mietrechtler (auf Vermieterseite, wie er betont) …

Die Chancen standen also so schlecht nicht, daß am Ende der Berufungsinstanz etwas herauskommt, was dem Mandanten nicht die Beine unterm Hintern wegzieht.

Ach so, bevor ich’s noch vergesse: Am Katzentisch – genauer: Am Raubkatzentisch – der Staatsanwaltschaft saß die Nebenklage. Mit reichtlich Messer zwischen den Zähnen der Fachanwältin für Familienrecht.

Insgesamt also die helle Freude, eine spannende und anspruchsvolle Aufgabe für einen Strafverteidiger, die ich gern übernomme habe. Trotzdem, das Mandat hatte dann doch kein Happy End. Und das kam so:

Ich habe mit dem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung getroffen. Die enthielt folgenden deutlichen Hinweis:

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Die Situation erlaubte es nicht, zu Beginn der Arbeit sofort einen Vorschuß zu liquidieren. Ich habe einfach mal losgelegt und kam auch gut voran.

Irgendwann stand dann der Termin vor dem Landgericht fest und es ging ans Eingemachte. Ich habe die Vergütung für etwa vier Stunden Vorarbeit abgerechnet und einen Vorschuß auf das Honorar für die Verteidigung vor der Strafkammer auf den Zettel geschrieben.

Bis zum Termin waren es noch locker zwei Wochen, ich habe mich auf eine entspannte Vorbereitung eingestellt. Geplant waren Opening Statement, ein paar Anträge und eine genauere Analyse der Zeugenaussagen, die über 6 Leitakten, 3 Beiakten und einige Beweismittelordner verteilt waren. Alles gut, es fehlte nur der nötige Schmierstoff, und das, obwohl ich dem Mandant noch einmal den deutlichen Hinweis gegeben hatte, daß auch alter Motor Brennmaterial braucht, um arbeiten zu können:

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Das war am Donnerstag, am darauf folgenden Mittwoch sollte der Termin stattfinden. Für mich wurde die Luft enger, ich habe ein wenig geschoben und noch knapp den kompletten Dienstag für dieses Mandat reservieren können, alles also noch im grünen Bereich. Am Montag habe ich den Mandanten per eMail auf unsere Vereinbarungen und auf den fehlenden Zahlungseingang hingewiesen.

Und nun fing das Standard-Programm an, das mein lieber Kollege Dr. Rüdiger Spormann mal mit folgendem Textchen umschrieb:

Reihenfolge

Ich war enttäuscht, viel Arbeit, tolle Ideen und bereits ein paar fruchtbare Worte mit dem Vorsitzenden Richter. Und dann sowas.

„Längst überwiesen“, „ich frage mal nach“, „Zahlendreher“, „Blitzüberweisung“ … fünf, sechs, sieben eMails hin und her. Der halbe Tag, den ich eigentlich für die Arbeit gebraucht hätte, war bereits im Sack. Ich habe dann schonmal zornig durchgeladen:

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Um Viertelvoreins ging dann eine weitere Nachricht ein mit der Aufforderung(!), ich möge mich sofort(!) bei irgendsoeiner Kleinbank in Westdeutschland erkundigen, daß die Zahlung angewiesen sei. So gern, wie ich die Tierchen mag, aber zum Affen lasse ich mich dann ja doch nicht machen:

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Dann habe ich erstmal Mittagspause gemacht: Schweinerücksteak auf Blattspinat mit gerösteten Kartoffelecken. Das beruhigt die Nerven. Müde und satt habe ich aufs Konto geschaut, einen Caffè getrunken und dann nochmal zusätzlich bei dem Bankberater meines geringsten Mißtrauens angerufen – kein Zahlungseingang. Und peng:

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Den Nachmittag habe ich dann für ein paar stupide Verwaltungsarbeiten verwandt, zu denen ich in meinem heiligen Zorn gerade in der richtigen Stimmung war.

Es hätte so schön werden können.

Tags drauf ging der geforderte Rechnungsbetrag ein. Und zwar gleich zweimal. 10 Minuten später hatte ich die verbindliche Bestätigung meiner Bank, daß der von mir abgerechnete und angewiesene Zuvielbetrag wieder zurück zum Absender unterwegs war.

Was mich jetzt noch fuchsig macht: Ich weiß ganz sicher, was herausgekommen wäre, wenn der Mandant rechtzeitig gezahlt hätte. Aber ich kenne das tatsächliche Ergebnis nicht. Wenn ich es nicht mehr aushalte, rufe ich doch nochmal den Richter an.

Update:
Es hat eine Reaktion gegeben.
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Bild: Marion / pixelio.de

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11 Antworten auf Eine Konsequenz deutlicher Hinweise

  1. 1
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Das war garstig und gar nicht fein.
    Hätten Sie Ihr Horoskop gelesen:
    Sternzeichen Schütze.
    Merkur ist rückläufig – Verzögerungen treten ein.
    Aber Geldzahlungen kommen – wenn auch mit Verspätung.

    Jetzt müssen Sie im Revisionsverfahren zeigen, dass Sie doch der ganz liebe Carsten sind, nett Kaffee kochen und in Karlsruhe den Karren aus dem Dreck ziehen.

    Wilhelm hat ja dann auch immer bei Gluffke Geld gepumpt – und umgekehrt.

  2. 2
    ExBankster says:

    Oh je. Frustration auf beiden Seiten.

    Ich kann dazu nur folgendes sagen: Ja, es gibt Geldinstitute, die bei Überweisungen, selbst Blitzüberweisungen, „Schmu“ machen und die damit überfordert sind, dem Kunden eine irgendwie geartete schriftliche Bestätigung auszustellen, dass das Geld angewiesen bzw. „gerade am Eintreffen“ ist. (Der Schmu kann bei der Absender- wie bei der Empfängerbank passieren. Nach Murphy bei beiden.)
    Hat mich vor Jahren mal einen Amerika-Urlaub gekostet, weil Geid bei der einen Bank angelegt war, aber dort kein Girokonto vorhanden war. Die Überweisung auf das Girokonto, von dem aus ich die Reise hätte zahlen können, dauerte deutlich länger als (damals) zulässig. Das Geld wurde dann zwar schlussendlich mit Wertstellung zum richtigen Datum überwiesen, aber „sichtbar“ war es auf dem entsprechenden Konto erst viel zu spät, als dass der Urlaub noch buch- und zahlbar gewesen wäre.

    Ich würde bei derart zeitkritischen Geschichten selbst heutzutage in Zeiten von SEPA und IBAN dem Schrecklichen, wo Buchungen deutlich schneller erledigt werden müss(t)en, lieber das Geld am Automat ziehen und bar vorbeibringen.

    Warum, zeigt der hier geschilderte Fall sehr gut.

  3. 3
    Bankkunde says:

    Das ist die Krux mit den Klein- und Genossenschaftsbanken! Oft deutlich kundennäher (wenigstens vom Wollen her), aber die Datenverarbeitung? GRAUSAM!
    Teilweise nur einen Zahlungslauf pro Tag, den oft noch zu ungünstigen Zeiten (Bsp. 15 Uhr – da wird der Eingang oft beim Empfänger erst am nächsten Tag (aber mit Valuta „Gestern“) angezeigt), Überweisungen dauern statt 2 Stunden (Grossbank A –> Grossbank B) 2 Tage (selbst innerhalb derselben Bank) etc. pp. Und selbstverständlich keine elektronisch *signierten* PDFs als Zahlungsbestätigung (ein Unsigniertes reichte mir auch nicht, die sind zu leicht zu fälschen).

    Da der „verständige“ Bankkunde sowieso mindestens 2 voneinander unabhängige Girokonten (i.e. bei verschiedenen Banken!) unterhält empfielt sich wirklich: Das Gehalts- /Geschäftskonto bei einer Grossbank, das Privatkonto „bei dem Bankberater meines geringsten Mißtrauens“.

  4. 4
    Thorsten says:

    Da bin ich risikofreudiger und lasse es nicht auf den Zahlungseingang ankommen. Wenn der Mandant mir einen Überweisungsbeleg – und sei es auch ein Online-Überweisungsbeleg, den man ja durchaus leicht fälschen kann – mailt, vertraue ich darauf. Bin bisher (noch?) nicht enttäuscht worden.

    Ich meine aber, dass der Mandant Ihnen einen solchen Beleg nicht geschickt hatte.

    Haben Sie hier eventuell nicht das Problem, dass Sie zur Unzeit gekündigt haben?

  5. 5
    Bankkunde says:

    MMn hat Ihr Mandant zunächst geschlampt („Was Du heute kannst besorgen…“, bei OnBa kann ich ja den Ausführungstermin auf 5 Tage vor Ultimo setzen) und ist dann Opfer seiner langsamen Bank geworden.
    Schade, auch um die Arbeit/Energie, die Sie schon hineingesteckt hatten.

  6. 6
    Bankkunde says:

    Hinweis zur Optimierung der Kommunikation:

    „Vielleicht gelingt es Ihnen ja, den fristgerechten Zahlungseingang nachzuweisen;“

    „Man“ weiss zwar, was gemeint ist, aber …

    Das kann der Mandant (bei erfolgter Zahlung) in der Tat, allerdings erst nach ca. einer Woche und vermittels eines Nachforschungsauftrages bei seiner Bank. Es wäre also korrekt, sich nicht dem Zahlungseingang, sondern den Zahlungsausgang nachweisen zu lassen: Per Scan/Photo des abgestempelten Überweisungsträgers oder per *Ausführung*sbestätigung des OnBa-Auftrages.

    • Thx, den Textbaustein habe ich jetzt korrigiert. crh
  7. 7
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Ich hatte – vor Jahren – bei einem Advokaten mit Doktortitel eine Sache, die vielleicht gewagt war, aber, es gab einen Mandantenvertrag. Und ich hatte bezahlt. Die Summe war nicht utopisch hoch. Und beglichen.

    Der Rechtsanwalt war immer der
    „Sehr geehrte Herr Rechtsanwalt Dr. XXXX….“ und es folgte die Honig- ums-Maul-Korrespondez.

    Dann kam nach Monaten zu meiner Überraschung ein böser Brief von der Tippse, also dem Vorzimmerdrachen, Modell „geschminkte Hyäne“.

    Wennn Sie nicht sofort…. Inkassoinstitut…Forderungen.

    Kein Anruf, nichts…
    Kein Brief mit der Floskel …ist es sicher Ihrer Aufmerksamkeit entgangen…..

    Und dann habe ich die Kontoauszüge kopiert und einen geharnischten Brief per Einschreiben zurückgeschickt. In dem Brief war der Doktortitel weggelassen und es stand:
    Michael, bevor Ihr solche Briefe schickt, könnt Ihr ja mal den Schreibtisch aufräumen.

    Es kam keine Antwort mehr.
    Auch Mandanten können ruppig sein.

  8. 8
    GGV(GünniGeschichtenVerfolger) says:

    @Verlobte von Wilhelm Brause:

    Mit „Chaos in seinem Büro“ hatte sich auch Günter Freiherr von Gravenreuth (AKA Dörr) damals entschuldigen versucht, als er widerrechtlich die Internet-Domain der taz pfänden und versteigern lassen wollte … Details finden sich in seinem Wikipedia-Eintrag.

    • Vorsicht vor der Zensur: De mortuis nil nisi bene. Ok? (Das meine ich ernst.) crh
  9. 9
    Leser says:

    @Verlobte von Wilhelm Brause:
    (Es sei denn, Du warst -überzeugt-, dies sei mit Wissen und Wollen des RA geschehen:) Kleinlich und böse. Sozial inkompetent. Sogar kontraproduktiv: Du provozierst, dass der RA sich mit der Dame solidarisiert.

  10. 10
    Leser says:

    @crh
    Absolut!

    • Ok, das reicht. Den Rest habe ich „zensiert“. Basta! crh
  11. 11
    Fry says:

    „Bankberater“ gibt es nicht, wie sogar meine 90jährige Nachbarin weiß. Es gibt in der Bank nur Verkäufer und solche, die gar nicht mit Kunden reden.