Zum Thema, wie eine grenzwertige Strafrechtsnorm in der Praxis anzuwenden ist, hat sich der 3. Senat des Bundesgerichtshofes (BGH) ausgelassen. Wobei vermieden wurde, diesen Extremgummiparagraphen § 89a StGB mal auf einen Tisch im Karlruher Schlossbezirk zu legen, an dem Richter in roten Roben ihren grünen Tee trinken.
Aus der Pressemitteilung Nr. 079/2014 des Bundesgerichtshofs vom 08.05.2014 unter der Überschrift
Verurteilung wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat aufgehoben – BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – 3 StR 243/13
Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, mit dem dieses gegen den Angeklagten u.a. wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren erkannt hat, aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelte der Angeklagte zunehmend Hass- und Rachegefühle gegen die westliche Welt. Er radikalisierte sich und baute nach den Vorgaben einer Anleitung aus dem Internet unter konspirativen Umständen eine Rohrbombe. Er nahm zumindest billigend in Kauf, diese in der Öffentlichkeit zum Einsatz zu bringen, dadurch eine unbestimmte Anzahl von Menschen zu töten und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Kurz vor Fertigstellung der Sprengvorrichtung kam es zu einer Explosion, bei der der Angeklagte sich verletzte und Sachschaden entstand. Im Anschluss daran wurde er festgenommen.
Mit seiner Revision hat der Angeklagte unter Berufung auf einen großen Teil des juristischen Schrifttums gerügt, der im Jahre 2009 in das Strafgesetzbuch eingefügte § 89a StGB – Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat – sei verfassungswidrig. Außerdem hat er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet.
Der 3. Strafsenat – Staatsschutzsenat – des Bundesgerichtshofs hat dahin erkannt, dass § 89 a StGB mit Blick auf den weiten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers trotz der gewichtigen Bedenken gegen die Norm bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz noch vereinbar ist. Ein Anlass, die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, bestand deshalb nicht. Nach der Auffassung des Senats steht die Vorschrift insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang und entspricht den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots. Mit Blick auf die Vorverlagerung der Strafbarkeit und die weite Fassung des objektiven Tatbestands, der auch als solche sozialneutrale Handlungen erfasst, ist es zur Wahrung der Grundsätze des Tatstrafrechts sowie des Schuldprinzips und damit elementarer Verfassungsgrundsätze allerdings erforderlich, die Norm einschränkend auszulegen. Notwendig ist deshalb, dass der Täter bereits fest entschlossen ist, später eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen; es reicht nicht aus, dass er dies lediglich für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.
Das – für den Hausgebrauch übersetzt – bedeutet: Es ist nicht strafbar, sich Gedanken darüber zu machen, irgendwann vielleicht mal eine Straftat zu begehen.
Update/Hinweis:
Maximilian Steinbeis, Autor des Verfassungsblogs und Fan von Wilhelm Busch, nimmt zu dieser Pressemitteilung ebenfalls, allerdings etwas höflicher und wesentlich sachlicher formuliert, Stellung und weist auf weitere Probleme hin, die mit der Schwesternorm des § 89a StGB – der „gruselige“ § 89b StGB – einhergehen.
Das kann man so übersetzen. Könnte man aber noch deutlicher: „Die Vorschrift wollen wir nicht angreifen, sondern weitgehend zahnlos machen.“
Der Nachweis, jemand habe eine Straftat schon fest eingeplant, dürfte in der Praxis nur in seltenen Fällen zu führen sein. Z.B. wenn gut abgehört wurde. Dann allerdings ergibt die Strafrechtsnorm auch Sinn.
Lustig an dieser Sache ist außerdem, dass sich einer der Richter für befangen erklärt hat, da nach Ansicht des Landgerichts eine Strafbarkeit eben dieses Richters ebenfalls im Raume stünde.
Wenn das so weitergeht, ist bald auch Falschparken eine Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Nun warten Sie doch erst mal die Urteilsbegründung des Staatsschutzsenates ab, wie er den Kollegen Prof. Thomas Fischer „aushebelt“, für den den – m.E. zu Recht – dolus eventualis ausreicht.
@Martin Overath (#3): Nachdem Sie ja an anderer Stelle erwähnten, dass Ihnen der Unterschied zwischen Eventualvorsatz und direktem Vorsatz (es sei mal dahingestellt, in welcher seiner Erscheiungsformen Sie den letzteren meinten) seit über 50 Jahren geläufig sei, erlauben Sie mir doch bitte die Nachfragen:
– Gilt entsprechendes auch für die Abgrenzung vom Eventualvorsatz zum gefassten aber vor der Tat wieder aufgegebenen Vorsatz (dolus antecedens)?
– Davon losgelöst: Warum werfen Sie überhaupt die Frage nach dem nötigen Vorsatz (und damit einen Streit um des Kaisers Bart) auf, und nicht die danach, an welchem Zeitpunkt sich das Verhalten des potentiellen Täters so sehr verdichtet, dass von einer Tat überhaupt gesprochen werden kann? Den Tatbegriff können Sie nicht aus dem Vorsatz entwickeln (zumindest nicht – wenn eine Tat sich aus Vorsatz ergibt – ohne die Möglichkeit fahrlässiger Tatbegehung abzuschaffen)!