Es besteht keine Staatskirche

Das ist der Wortlaut des Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung, also einer Vorschrift aus der deutschen Verfassung vom 11. August 1919.

Eine 95 Jahre alte Vorschrift und immer noch gültig, so schreibt Art. 140 unseres Grundgesetzes es fest. Das hat ja durchaus was Gutes.

Vor mehr als vier Jahrzehnten habe ich meine Mitgliedschaft in der Nicht-Staats-Kirche gekündigt. Das war seinerzeit gar nicht so einfach und mit einigen gesellschaftliche Problemen verbunden. Aber in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es auch noch reichlich andere gesellschaftliche Probleme, zum Beispiel das Lieblingsauto der Deutschen, den Golf I, einen knieenden Willy Brandt und eine paar Kinder am Bahnhof Zoo.

Tempi passati? Nein! Die Kirche hat mich selbst nach dieser Zeit immer mal wieder am Wickel. Nicht mehr so direkt, eher über die Bande.

Kirchensteuer

Denn: Der Artikel 137 WRV hat einen Absatz VI:

Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

Und diese Kirchensteuern zieht in dem hier beschriebenen Fall die Postbank ein (bei der ich ebenfalls seit über 4 Jahrzehnte Kunde bin).

Apropos (ambiguitätische) Bande: Mindestens drei gehören per definitionem dazu. In diesem Fall sind die drei komplett: Staat, Kirche, Banken.

Dieser Beitrag wurde unter Politisches, Steuerstrafrecht veröffentlicht.

9 Antworten auf Es besteht keine Staatskirche

  1. 1
    jml says:

    Das ist übrigens nicht bei der Kapitalertragssteuer so. In der Steuerpauschale von 2% des Bruttolohns, die bei Minijobs automatisch vom Arbeitgeber abgeführt werden, ist auch ein Teil Kirchensteuer enthalten, nämlich 5% des Steueranteils. Auch dann, wenn die/der ArbeitnehmerIn nicht in einer Kirche Mitglied ist.

  2. 2
    Heinz says:

    Muss man sich (mit Austrittsurkunde) bei der Bank melden, dass man aus der Kirche ausgetreten ist, oder wissen die das vom Bundeszentralamt für Steuern?

  3. 3
    IANAL says:

    @Heinz: Muss man nur, wenn man der Bank verbietet, das beim Amt zu erfragen. Tut man nichts, dürfen die das dort erfragen.

    Nichts zu tun ist also die bequeme, aber aus Datenschutzsicht problematische Variante.

  4. 4
    Bilbo Beutlin says:

    Die Kirchen sind die größten verbrecherischen Organisationen der Welt. Dagegen sind Mafia und sonstige doch nur kleine Fische, zumal die Kirche viele Jahrhunderte überdauert hat und sich wie ein Parasit in den Staat verbissen hat.

    Sollen doch mal muslimische Organisationen versuchen vom Staat die „Mitgliedsbeiträge“ eintreiben zu lassen. Geht nicht? Oh, das ist aber komisch!

  5. 5
    whocares says:

    Sorry, CRH, das ist ein Sturm im Wasserglas.Deine KapSt bleibt auch weiterhin von der Kirchensteuer verschont; es geht lediglich darum, wie die Banken die Quellensteuer abführen. Entweder die Bank darf sich das Religionsmerkmal von BZSt holen, dann wissen die „ohne Religion“ und die Quellensteuer /KapSt incl.Soli ist weiterhin 26,375% wie vorher auch. Oder man widerspricht – dann führt die Bank ohne Kirchensteuer ab und man zur Abgabe der Anlage KAP verpflichtet (so wie bisher auch,wenn man von der Bank die Kirchensteuer nicht einbehalten lies). Die Kirche bekommt von Dir auch in 2015 nicht mehr Geld als vorher.

    Unverändert ist weiterhin der Kirchensteueranteil in den pauschalierten Abgaben zu den Minijobs, wie jml/#1 schon anmerkte. Das ist aber nicht neu.

  6. 6
    rajede says:

    Wer den Steuereinzug (gegen Entgelt!) übernimmt, wertet deshalb die Konfessionen nicht zu Staatskirchen auf.
    Jeder hat die Möglichkeit, sich von der Steuerlast zu befreien (was sonst ein wenig schwieriger ist und uns Mandate verschafft ;-)

    Die Gesellschaft hat auch ein Eigeninteresse an einem möglichst hohen Steueraufkommen der beiden großen Konfessionen. Beispielhaft will ich nur auf den Eigenanteil der Gemeinden an den Kosten der Kindergärten und die konfessionellen Krankenhäuser verweisen.

    Es ist halt nicht alles schwarz/weiß. Wer den Einzug der Steuern abschaffen will, muß sich auch Gedanken um die dann entstehenden Lücken machen. Und nach meinen Erfahrungen sind staatliche Organisationen weitaus teurer als kirchliche.

  7. 7
    Malte says:

    @rajede: Weißt du auch, warum ein kommunaler Kindergarten teurer ist, als ein evangelischer? Die Kommune zahlt Tarif.
    Dafür stellen viele evangelische oder katholische Einrichtung nur Mitglieder ihrer Konfession ein, bei Austritt darf gekündigt werden (und wird auch). Bei den Katholiken darf man sich zwar scheiden lassen, wer aber ein zweites Mal heiratet, wird ebenfalls gekündigt.
    Keine Organisation tritt die Religionsfreiheit so sehr mit Füßen wie die Kirchen.
    Wer es noch nicht kennt, kann sich mal die Doku „Gott hat hohe Nebenkosten“ angucken.

  8. 8
    whocares says:

    … wobei man zu den kirchlich getragenen Kindergärten auch noch anmerken sollte, das die nicht jedes Kind aufnehmen. Da habe ich zumindest mit diversen katholischen Kindergärten im Ruhrgebiet Erfahrungen gesammelt, die sich weigerten, unser rk getauftes Kind aufzunehmen. Markanterweise waren die Aufnahmegespräche immer an derselben Stelle zuende, nämlich bei meiner wahrheitsgemäßen Antwort auf die Frage, welcher Religion *ich* angehöre – keiner.

  9. 9
    Hans says:

    @whocares: Gott hasst eben die Atheisten und wird sie ausrotten bis ins dritte und vierte Glied. Und welcher Kindergarten will sich schon einen Kriminalfall einhandeln wegen eines plötzlich unter Schwefelgeruch im Erdboden verschwundenen Kindes?

    Mal ganz davon abgesehen, dass Christen sowieso nicht mit Atheisten reden sollen:
    „Wenn jemand zu euch kommt und nicht diese Lehre mitbringt, dann nehmt ihn nicht in euer Haus auf, sondern verweigert ihm den Gruß. Denn wer ihm den Gruß bietet, macht sich mitschuldig an seinen bösen Taten.“ (2. Joh. 1, 10-11)

    Ich würde es aber insgesamt eher positiv sehen. Die Gefahr, dass Ihr Kind einmal ohne Zeugen in die Obhut eines katholischen Priesters gerät, dürfte in anderen Kindergärten geringer sein.