Halbzeit

Ich hatte den Mandanten wie vereinbart um die Hereingabe eines Vorschusses auf das Honorar für die Verteidigung in der Hauptverhandlung gebeten. Auf den Cent genau ging die Hälfte der zuvor anstandslos akzeptierten Vergütung ein. Kommentarlos.

Nun überlege ich, welche Hälfte der Verteidigung ich liefere: Gehe ich zu Beginn des Termins ins Gericht und beende meine Tätigkeit etwa nach der Hälfte der Beweisaufnahme. Oder komme ich zwei Stunden später und bleibe bis zum Schluß.

Aber vielleicht überlasse ich dem Mandanten auch die Wahl …

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten veröffentlicht.

19 Antworten auf Halbzeit

  1. 1
    Johannes says:

    Hälfte des vereinbarten Vorschusses, oder Hälfte des gesamten Betrages?

    Weil 50% vom Gesamtbetrag würde ich ja als eher großzügigen Vorschuss bezeichnen

  2. 2
    le D says:

    50% vom Gesamtbetrag ist kein großzügiger Vorschuss, sondern lediglich die Hälfte des Honorars. Nach der Rechtsprechung kann (und aus Anwaltssicht sollte) man das als Vorschuss fordern, was an Gebühren voraussichtlich entstehen wird, wenn das Verfahren zu Ende geführt wird.

    100% sind auch nicht bemerkenswert, sondern üblich.

    Denn Schlussmerksatz: Ist die Not erstmal gelindert, sieht sich der Mandant an Zahlung gehindert…

  3. 3
    Juralaie says:

    Na ja, wenn mich als Juralaie einer meiner Lieferanten/Dienstleister um einen Vorschuss bittet, wäre meine Reaktion sicher ähnlich wie die des Mandanten. Denn ein Vorschuss auf einen Zahlbetrag X ist für den Laien, ohne explizit einen Prozentsatz zu nennen, den man haben will, eben genau das – ein Vorschuss, ein Abschlag, ein Teilbetrag eben, und nicht Vorkasse.
    Vielleicht nächstes mal einfach den Begriff „Vorkasse“ statt „Vorschuss“ verwenden und schauen, was passiert? Oder „einen Vorschuss in Höhe von 100%“.

  4. 4
    tobi says:

    Ich sehe auch keinen Grund, den Vorschuss nicht zu zahlen. Der Rechtsanspruch auf Zahlung besteht ja ohnehin und man wird nie um die Zahlung herumkommen. Also kann man sie auch sofort leisten und dem Anwalt das Risiko nehmen.

    • Das ist richtig. Und: Die Rechnung wird nicht geringer, wenn man sie später ausgleicht. Deswegen bezahlen wir Handwerker- oder Dienstleister-Rechnungen noch an dem selben Tag, an dem sie bei uns eintreffen. Das führt bei Rechnungsaussteller zu zufriedenen Gesichtern und hoch motivierten Geschäftspartnern. Würden wir nicht oder zu spät zahlen, ist die Motivation des Handwerkers oder Dienstleisters – spätestens beim nächsten Problem – vorhersehbar. crh
  5. 5
    RA Bammel says:

    Stimmt. Der Begriff „Vorschuß“ ist für den Laien mißverständlich, da man in der Alltagssprache hiermit nur einen Teilbetrag auf die Gesamtsumme verbindet. Ich verwende den Begriff zwar auch, weil er so im Gesetz steht (§ 9 RVG), aber ich formuliere dann: „Einen Vorschuß in Höhe von ….“, damit der Mandant weiß, was er zahlen soll.

    Wenn dann trotzdem weniger eingeht, werde ich nicht tätig. Als Referendar und junger Anwalt fand ich ein solches „geldgeiles“ Verhalten seltsam und borniert. In praktisch allen Branchen wird erst nach getaner Arbeit bezahlt. Leider zeigt die Berufserfahrung, daß der Gesetzgeber zurecht den Anspruch auf einen Vorschuß normiert hat. Denn nach getaner Arbeit sinkt die Zahlungswilligkeit zu vieler Mandanten gegen den Nullpunkt, vor allem, wenn das Ergebnis nicht den Wünschen entspricht. Aber selbst Mandanten, die das gewünschte Ergebnis erhalten haben, sind nicht immer zahlungswillig. Soll der Anwalt sich doch das Geld von der Gegenseite holen. Wofür zahlen, wenn man doch im Recht war?

    Wie der Arzt wird der Anwalt aber nur für seine Tätigkeit vergütet, für das Bemühen, nicht für ein bestimmtes Ergebnis (was ja nicht ausschließt, daß der Honoraranspruch nicht begründet ist, wenn das Ergebnis offenkundig der schlechten Arbeit des Anwalts geschuldet ist, z.B. weil er Fristen versäumt hat).

  6. 6

    Ich hatte mal einen Mandanten, der zu einer Erstberatung (Sorgerecht, Umgangsrecht, Kindesunterhalt) mit einem Scheck über 3.000 US$ ankam. Ungefragt. Unsicher erkundigte er sich, ob das für den Anfang reiche.

    Es war ein Rechtsanwalt aus den USA.

    Andere Länder, andere Sitten.

    Nach Beendigung des Mandats nach einem halben Jahr musste ich noch einen Teil des Vorschusses zurückzahlen.

  7. 7
    Hei-Wu says:

    Unser Anwalt stellt Rechnungen, ca 3 Monate nach erbrachter Leistung., oft erst auf unsere Nachfrage. Dafür macht er aber seinen Job sonst sehr gut.

  8. 8
    tobi says:

    Ich frage mich manchmal ob Anwälte nicht einfach Skonto anbieten sollten bei Zahlung der ganzen zu erwartenden Summe im Vorraus. Das Bonitätsrisiko ist ja sehr hoch bei Mandanten. Das wird eingepreist. Risiko hat immer einen Marktpreis. Insofern kann ein Skonto für beide Seiten wirtschaftlich sinnvoll sein. Mandant mit Bonität können das Risiko entfernen und der Risikopreis entfällt.

    • Grundsätzlich eine gute Idee; paßt nur da nicht, wo sich die beiden Vertragspartner vorher gegenüber gesessen und einen festen Betrag sowie die Fälligkeit einvernehmlich vereinbart haben. crh
  9. 9
    Fry says:

    Ich arbeite beruflich seit Jahren mit einem externen Anwalt, der immer am Jahresende für seine Leistungen des Gesamtjahres abrechnet. Wir zahlen das regelmäßig ohne eingehende Prüfung.

    • Whow! Sie scheinen aber ein ganz schlimmer Finger zu sein, wenn Sie seit Jahren einen Strafverteidiger brauchen. Oder habe ich da jetzt was falsch verstanden? 8-) crh
  10. 10
    Bilbo Beutlin says:

    Hm, bei Strafverteidigern scheint dei Zahlungsmoral der Mandanten etwas von der normalen Bevölkerung abzuweichen. Woran kann das nur liegen?

    Mein Anwalt stellt mir jedenfalls, leider viel zu häufig, nach getaner Arbeit seine Rechnung. Und wenn die wirklich mal nicht sofort bezahlt wird, dann macht er kein Drama draus und schickt halt eine Mahnung. Klappt seit Jahren völlig problemlos.

  11. 11
    Joerg Hof says:

    @Bilbo Beutlin Die Zahlungsmoral ist in Zivilsachen nicht unbedingt besser, auch dort rächt es sich regelmäßig, wenn man keine ausreichenden Vorschüsse verlangt hat.

    Und sicher macht Ihr Anwalt kein Drama daraus, wenn sie „mal“ nicht gleich zahlen und die Mahnung abwarten, vermutlich will er das Mandantenverhältnis bewahren. Ich bin aber sehr sicher, dass er von der schleppenden Zahlung nicht begeistert ist. Mahnungen machen Arbeit und nerven ungemein, auch wenn man kein „Drama“ daraus macht. Genau aus solchen Gründen ist ein ausreichender Vorschuss sehr beruhigend und nervenschonend.

    Anwälte, die keine Vorschüsse verlangen, von begründeten Ausnahmen abgesehen, kann ich eigentlich nicht verstehen.

  12. 12
    le D says:

    Ich handhabe es – wenn kein Zeithonorar vereinbart wurde, das wöchentlich oder monatlich abgerechnet wird – so: Das zu 99% telefonische Erstgespräch ist bei mir kostenlos. Wenn dann das Mandat angetragen wird, kommt die Stellschraube: Neumandanten werden (wenn das nicht zur Unzeit führt) aufschiebend bedingt angenommen (in schönere und für Laien verständliche Worte verpackt), wobei der Bedingungseintritt die vollständige Zahlung des Vorschusses (im Regelfall mit 100% der voraussichtlichen Vergütung) ist. „Wiederholungsmandanten“ werden mit ihren neuen Sachen angenommen und zeitnahe Rechnungen – teilweise mit Vorschuss – gestellt (je tiefer die Rechnung beim ersten Mandat war, desto zeitnäher und vorschusslastiger ist meine Abrechnung). „Dauermandanten“ bekommen im Regelfall Teil-/Zwischenrechnungen und ich sehe dabei zu, dass die Vergütung im Hinblick auf die auslösenden Normen innerhalb von 2 Wochen abgerechnet ist und mit einer Zahlungsfrist von 4 Wochen beglichen wurde.

    Es gibt eine Ausnahme: ein Mandant (den ich seit über 10 Jahren betreue) wird immer erst nach Abschluss einer Sache (egal, welcher Streitwert [und bei diesem ist er fast immer 5 stellig, manchmal 6 stellig]) abgerechnet – und bislang war es immer so, dass die Rechnung spätestens zwei Werktage später auf meinem Konto war.

  13. 13
    K75 S says:

    Wo das Thema grad offen ist: Für Zivilrechtler, die sich über die mangelnde Zahlungsmoral gewerblicher Mandanten aufregen, möchte ich an dieser Stelle mal den Tipp anbringen, in Vorschussanforderungen sowie in Schlussrechnungen die MwSt. korrekt auszuweisen.

    Ich kann derzeit mehrere (sicherlich nicht bedeutende) Schlussrechnungen nicht freigeben, weil sich daraus rechnerische MwSt-Sätze von 20-46,… % ergeben … und das FA mag solche kreativen Ansätze irgendwie nicht.

  14. 14
    RA Nandenspeck says:

    @K75 S:

    Den Tipp sollten Sie dann vielleicht den betroffenen Kanzleien unmittelbar zur Kenntnis bringen und nicht so tuen, als sei das ein allgemeines Problem.

  15. 15
    K75 S says:

    @ RA Nandenspeck: Ich bitte vielmals um Vergebung, falls Sie sich hier unnötigerweise angesprochen gefühlt haben.

    Die betroffenen Kanzleien wurden bereits mehrfach informiert – und ja, es scheint wohl ein allgemeines Problem zu sein (natürlich immer rein subjektiv betrachtet).

    Ist es denn in irgendeiner Weise schädlich, wenn die hier versammelte Anwaltschaft diese Problematik einfach mal im Hinterkopf hat?

  16. 16
    Gast says:

    @K75S:
    Lassen Sie die Rechnungen einfach ein paar Jahre liegen. dann stimmen die MwSt-Sätze, das Dreamteam Mutti+Schäuble wird es richten ;)

  17. 17
    Heiner says:

    @K75 S:

    Oh, da liegen Sie nicht ganz richtig. Umsatzsteuersätze von 20 bis 46 % mag das Finanzamt ganz besonders und streicht sie daher auch konsequent bis auf den letzten Cent ein (vgl. §14c UStG).

  18. 18
    Engywuck says:

    wenn ich nicht Jurablogs lesen würde wüsste auch ich nicht, dass Juristen unter „Vorschuss“ in Wahrheit „Vorkasse“ also 100% verstehen.

    Natürlich hat man bei Warenverkäufen (in der Regel) noch eine Ware, die bei Nichtbezahlung zumindest zum Restwert wieder eingezogen werden kann, dennoch wären für mich die 100% überraschend und sind meines Wissens im Geschäftsbetrieb nicht allgemein üblich. Auch Ärzte und andere „nichteinziehbares“ Leistende sind mit „auf Rechnung“ nach Beendigung (oder nach Abschnitt) einverstanden.

    Umgekehrt zu „wenn der Prozess erstmal fertig ist sinkt der Zahlungdruck“ fühle ich als Kunde „wenn der Lieferant erstmal mein Geld hat sinkt der Druck, die Leistung (schnell) zu erbringen“. Nicht dass ich sowas den hier versammelten Anwälten unterstellen würde, aber wer schonmal auf Warenlieferung nach Vorkasse gewartet hat…

    Ebenso wie oben angesprochen: was soll man als „Kunde“ eigentlich vorgehen, wenn man 100% Vorschuss geleistet hat, der Anwalt aber beispielsweise Fristen versäumt? Dem nächsten Anwalt 100% Vorschuss zahlen, damit er den ersten Anwalt verklagt? Wer hat soviel Geld „übrig“?

    • Die Lösung dieses Problems steht u.a. im Art. 2 I GG: Wir leben in einem freien Land.

      Der Mandant kann sich den Anwalt frei aussuchen; wenn ihm ein Anwalt und dessen Konditionen nicht gefallen, mag er sich nach einem anderen mit ihm genehmen Bedingungen umschauen. Auf der anderen Seite bedeutet das: Wenn der potentielle Mandant die Konditionen des Verteidigers nicht akzeptieren möchte, hat der Anwalt Zeit für den Besuch eines Biergartens.

      Also: Ein Strafverteidiger ist gut beraten, nur dann für den Mandanten zu arbeiten, wenn er sicher ist, daß er für die Arbeit bezahlt wird. Das führt in den meisten Fällen zur Vorschußzahlung, oder wie Sie es nennen: zur Vorkasse. Wenn der Mandant etwas anderes wünscht, mag er sich für einen anderen Anwalt entscheiden, der insoweit noch Erfahrungen sammelt. crh

  19. 19
    Engywuck says:

    wenn man die hier mitschreibenden Anwaltskollegen so liest scheint es nicht viel Auswahl zu geben, wenn man nicht (nahe) 100% „Vorschuss“ zahlen will. Wenn dies nicht nur an der speziellen Gruppe hier liegt scheint die Auswahl ja nicht groß zu sein, so man dies nicht will.

    Auf der anderen Seite: wie oft zahlen Sie einem Handwerker Vorkasse? Oder einem Arzt? Auch diese Berufsgruppen könnten sich „in den Biergarten setzen“, aber obwohl es bei Handwerkern (zumindest hier in der Gegend) schwierig ist Termine zu bekommen (alle ausgebucht) habe ich noch keinen Handwerker generell auf Vorschuss bestehen sehen, geschweige denn Vorkasse.

    Es ehrt Sie, wenn sie Handwerkerrechnungen noch am Tag des Rechnungseingangs bezahlen – aber warum nicht mal bei Auftragserteilung schon ein paar Hunderter als Vorschuss überweisen? Eventuell auch – so vorhanden – den kompletten Betrag des Kostenvoranschlags?

    Ja, ich mache das auch nicht (sondern zahle lieber zeitnah nach Rechnungseingang, jedenfalls wenn der Handwerker selber pünktlich war), aber wenn man Handwerker so jammern hört über schlechte Zahlungsmoral – da kann es bei Anwälten nicht so viel schlimmer sein (oder?)