Im August 2013 entwendete ein 46 Jahre alter Angeklagte aus Kreuztal in einem Lebensmittelmarkt in Siegen eine Flasche Wodka zum Preis von 4,99 Euro. Er ist alkoholkrank, wegen Diebstahls in erheblichem Umfang vorbestraft und hat bereits Hafterfahrung. Die entwendete Ware gelangte an den Lebensmittelmarkt zurück.
1. Durchgang beim Amtsgericht Siegen
Im sich anschließenden Strafverfahren hat der Angeklagte den Diebstahl gestanden.
Zwischenergebnis:
Eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 Euro.
Das reichte dem im gut behüteten Elternhaus aufgewachsenen Staatsanwalt nicht. Er griff das Gericht Urteil mit der Berufung an.
2. Durchgang beim Landgericht Siegen
Das Landgericht hat sich die Sache mal genauer angeschaut: Der (vielfach – auch einschlägig – vorbestrafte) Angeklagte betreibe seit etwa zehn Jahren „missbräuchlichen, teils exzessiven Alkoholkonsum“. Er treffe sich mit Gleichgesinnten in der „Trinkerszene“. Aus seinem Alkoholkonsum resultierten sein berufliches „Aus“ wie auch seine Delinquenz. Am Tattag habe der Angeklagte etwa eine Flasche Wodka zu sich genommen. Ein Arzt habe die Gewahrsamsfähigkeit des Angeklagten festgestellt.
Die Berufungskammer „schenkte“ dem Angeklagten die eingeschränkte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB), d.h. die Kammer hat sich den Sachverständigen gespart, man kennt sich in Siegen nämlich bestens mit Trinkern aus. Und urteilt: Bei BAK-Werten von 3,27 Promille zum Tatzeitpunkt sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat nicht ausschließbar (sic!) erheblich vermindert gewesen sei. Ein Ausschluss der Steuerungsfähigkeit sei aber nicht gegeben gewesen.
Zwischenergebnis:
Freiheitsstrafe von drei Monaten, ohne Strafaussetzung zur Bewährung.
3. Durchgang beim OLG Hamm
Fast alles im grünen Bereich, meinen die revisionsrichtenden Senatsinsassen. Nach deren nüchterner Auffassung können auch zur Ahndung von Bagatellstraftaten, begangen durch schwerst alkoholkranke Täter, kurzzeitige Freiheitsstrafen verhängt werden. Denn:
Im vorliegenden Fall sei eine solche Bestrafung naheliegend angesichts der zahlreichen, überwiegend einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten und angesichts des Umstandes, dass er sich weder durch zuvor verhängte Geldstrafen noch durch Bewährungsstrafen und die Vollstreckung kurzzeitiger Freiheitsstrafen von der Begehung der neuerlichen Tat habe halten lassen.
Was ist das für eine Logik?! Man sperrt den Alki ein paarmal in den Knast und wundert sich, daß das nicht so wirkt, wie sich das ein vertrockneter Staatsanwalt vorstellt. Und was fällt den Oberrichtern dazu ein? Sie stecken ihn nochmal da rein. Vielleicht – so müssen die ernsthaft glauben – verhindert die Freiheitsstrafe es ja diesmal, daß der Mann künftig seinem Suchtdruck nicht bei Kaiser’s nachgibt. Wie besoffen muß man sein, daß sich dadurch auch nur irgendwas ändert?!
Wenn man diesen Kappes zu Ende denkt, führt der Diebstahl einer Flasche Fusel irgendwann mal zu einer Haftstrafe, die sich in Bezug auf die Dauer der eines bekannten bayerischen Millionen-Steuerhinterziehers nähert: Dreieinhalb Jahre JVA Landsberg für eine Flasche Zaranoff.
Die Herren Senatsrichter argumentieren weiter:
Es verstoße auch nicht gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens, wenn im Hinblick auf Vorstrafen bei geringen Schadenssummen vollstreckbare Freiheitsstrafen verhängt würden.
Ja, ne, is klar. Aber, wie Herren mit vorgerückter Altersmilde so sind, reicht erstmal eine kleinere Dosis:
Im vorliegenden Einzelfall sei allerdings die vom Berufungsgericht verhängte dreimonatige Freiheitsstrafe zu reduzieren.
Endergebnis:
Bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung sei eine Freiheitsstrafe von einem Monat und einer Woche „ausreichend“: Wozu ausreichend? Für eine Resozialisierung? Pah!
Drei Monate seien zuviel, weil:
Zu berücksichtigen seien auch gewichtige strafmildernde Umstände. So habe der Angeklagte die Tat gestanden. Der Schaden liege im untersten Bereich der Geringwertigkeit. Die entwendete Sache habe der Geschädigte zurückerlangt. Zudem sei der Angeklagte alkoholkrank und habe die Tat im erheblich alkoholisierten, seine Schuldfähigkeit vermindernden Zustand begangen.
faßt Juris den Mist die Entscheidung des OLG Hamm, 1. Strafsenat, vom 21.10.2014, III-1 RVs 82/14, zusammen, mit dem auf Biegen und Brechen einem kranken Menschen die notwendige Hilfe versagt und er weiter in´s Elend getrieben wird.
Rechtsfehlerfrei? Ja. Vielleicht. Aber bestimmt auch frei von Hirn.
Wenn der im Knast plötzlich auf Null Alk gesetzt wird, ist dann eine angemessene ärztliche Kontrolle überhaupt möglich und gewährleistet?
Sonst kann das mal schnell lebensgefährlich werden.
Die Definition von Wahnsinn lautet, immer wieder das Gleiche zu tun, dabei auf ein anderes Ergebnis zu hoffen.
Aber, hey, in Haft wird dann ein Vollzugsplan aufgestellt, der diesem Regelvollzügler dann Hilfe an die Hand gibt…
„Nur ausnahmsweise kann von einer Vollzugsplanung abgesehen werden, „wenn dies mit Rücksicht auf die Vollzugsdauer nicht geboten erscheint“ (§ 6 Abs.1 Satz 2 StVollzG). Dies kann aber nur gelten, wenn weniger als sechs Monate zu verbüßen sind (Calliess/Müller-Dietz § 6 Rz. 5).“
Okay, blöd gelaufen…
Drei Dinge, die mir durch den Kopf gehen:
1. Fährt der Mann mit einem Monat ohne Bewährung nicht deutlich besser als mit 80 Tagessätzen, die er im Zweifelsfall nicht abstottern kann (weil das ganze Geld für Schnaps draufgeht) und er sie dann absitzen muss?
2. Zur Behandlung einer Krankheit gehört auch Einsicht in die Erkrankung und Wille zur Behandlung auf Seiten des Kranken. Gerade bei Alkoholikern fehlt beides erfahrungsgemäß häufig (bzw. ist nur dann vorhanden, wenn die Erkrankung gerade akut zu einem Freiheitsentzug führt, sei es durch das Strafgericht oder sei es durch das Betreuungsgericht). Was soll die Gesellschaft mit alkoholkranken Menschen machen, die sich nicht therapieren lassen wollen und in der Folge alkoholtypische Straftaten begehen? Diese Straftaten einfach so hinnehmen?
Im Zusammenhang hiermit: 3. Es gibt auch einen anerkannten Strafzweck namens positive Generalprävention, das gern bemühte Vertrauen der rechtstreuen Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts. Dieser Strafzweck macht ab einem bestimmten Maß an Vorstrafen die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen bei gewohnheitsmäßigen Kleinkriminellen schlicht erforderlich, unabhängig davon, ob man durch die Strafe noch eine Änderung des Verhaltens erzielen kann oder nicht.
Welche Maßnahme sehen Sie denn als angemessen an, Herr Hoenig. Und wie soll diese dann verwirklicht werden?
@Ermittlungsrichter
zu 1: Ihrer Logik nach nicht. Denn laut „2.“ fehlt dem Kranken oftmals „die Einsicht in die Erkrankung“. Ist für ihn – und die Gesellschaft – doch viel lustiger, wenn er ganze 80 Tage ausnüchtert als nur 30 Tage. In Zusammenhang mit „3.“ könnte man also die Auffassung vertreten, dass 80 Tage Generalprävention viel toller sind als 30 Tage. Wenn dem Betroffenen 30 Tage Haftstrafe etwas Erkenntnis bringen, dürfte bei 80 Tagen eine ganz gewaltige Erkenntnis herumkommen.
Dies als wahr unterstellt, auch wenn es tatsächlich falsch ist, bringt ihm die Differenz bei lebensnaher Betrachtung nichts. Auch nicht im Rahmen der Vollzugsplanung. Die verwahren ihn einfach und schmeißen ihn nach der kurzen Zeit wieder raus.
Dann wird das nächste Strafverfahren eingeleitet, z.B. weil er während der Haftzeit Arbeitslosengeld II weiter bezogen und seine veränderte Situation den zuständigen Stellen nicht mitgeteilt hat.
Seine Überbrückungsbeihilfe, wenn er sie denn erkämpfen kann, wird ihm in seiner Situation auch nichts helfen. Okay, er kann dafür etwas Alkohol kaufen, durch den er so besoffen wird, dass die Gefahr weiterer Straftaten groß ist.
zu 2: Allein die Erkenntnis könnte im vorliegenden Fall nichts bringen, ohne dass dem Betroffenen Hilfe an die Hand gegeben wird. Sei mal dahingestellt. Bezogen auf den konkreten Fall bringt eine Verurteilung bei einem alkoholkranken Regelvollzügler keinerlei Erkenntnis, wenn nicht äußere Faktoren hinzutreten (soziales Umfeld, whatever). Ich kenne so einige, die sehen den Wechsel zwischen Freiheit und Haft als Normalfall an.
Abschließend zu Ihrem Punkt 2 stellen Sie die Frage, was die Gesellschaft „mit alkoholkranken Menschen machen (soll), die sich nicht therapieren lassen wollen und in der Folge alkoholtypische Straftaten begehen?“
Begehen alkoholkranke Menschen Bagatellstraftaten, wird die Keule des Strafrechts mittels einer Verurteilung zu Tagessätzen oder einer kurzen Haftstrafe zumindest in seiner derzeitigen Ausgestaltung nur in den seltensten Fällen etwas bringen. In den meisten Fällen dürfte es Kontraproduktion sein. Außerhalb einer eigenen Erkenntnis wäre da nicht viel drin – wie schon gesagt.
Eine generalpräventive Wirkung sehe ich da auch nicht. Den nächsten Alkoholiker werden sie damit nicht vom Trinken und der damit möglicherweise damit verbundenen Begehung von Diebstählen abhalten.
Dementsprechend erscheint mir das Verhalten als Beruhigungspille für die Gesellschaft: „so können wir nichts verändern, aber es ist gesetzlich geregelt.“
Alles, was Sie sagen, ist gut nachvollziehbar und die Freiheitsstrafe ist hier keinesfalls zwingend.
Wäre er aber mit den 80 Tagessätzen des AG besser gefahren? Die hätte er doch auch nicht gezahlt, sodass dann irgendwann die 80 Tage als Ersatzfreiheitsstrafe zur Verbüßung angestanden hätten (es sei denn, er hätte noch den „Notausgang“ des Programms „Schwitzen statt sitzen“ gefunden und 400 h Laub auf dem Friedhof gefegt. Eine solche Umwandlung setzt dann aber Eigeninitiative voraus).
Was soll der Staat machen in so traurigen Fällen? Er kann doch schwerlich auf eine Sanktion verzichten. Das würde im übrigen durch die Beschuldigten durchaus als „Persilschein zum Schnapsklauen“ verstanden werden.
Schwierig…
Ich schließe mich der Frage von @Der wahre Jan an, und frage mich, sowie den Autor: Was tun?
Eine Geldstrafe zu verhängen die nicht beigetrieben werden kann ist ersichtlich Unfug – eine Freiheitsstrafe lehnt Herr Hoenig ab und dann bleibt? Einweisung und Zwangstherapie? Das Verfassungsrecht lässt grüßen…
@two cents:
Abgesehen von der zynisch-rabulistischen Replik auf den Ermittlungsrichter – der doch vollkommen Recht hat: wenn man, mit Herrn Hoenig, eine Haftstrafe ablehnt, dann sind 30 Tage besser als 80 Tage – darf ich Ihren Beitrag wie folgt zusammenfassen:
„Die Strafe dient hier der Beruhigung der Gesellschaft, und bringt dem Täter / Kranken nichts“.
Da stellen sich mir nun seinerseits zwei Fragen:
1.) Was wäre Ihrer Meinung nach eine bessere Lösung?
2.) Wenn schon durch staatlichen Zwang keine Besserung bei dem Täter zu erzielen ist, warum halten Sie dann „zumindest Generalprävention“ gegenüber „nichts tun“ für die schlechtere Alternative?
Einen notorischen Gewalttäter (um die Vergleichbarkeit herzustellen: wegen einer therapierbaren psychischen Erkrankung) würden Sie – das unterstelle ich – auch bestrafen wollen, statt ihn unentwegt weitere Straftaten begehen zu lassen. Ist das nicht eine weitere „Beruhigungspille für die Gesellschaft“?
Eine Geldstrafe zu verhängen, die nicht beigetrieben werden kann, ist tatsächlich Unfug. Es passiert täglich.
Davon abgesehen: aus welchem Grund kann sie nicht beigetrieben werden? Weil der Betroffene so fertig ist, dass er sich nicht einmal um Ratenzahlungen kümmern wird? Weil ihn ein möglicherweise ergangener Strafbefehl nicht juckt, da er ihn nicht erhalten hat (liegt im Briefkasten, den öffnet er schon lange nicht mehr). Weil es ihm egal ist, ob er sich in Haft oder in Freiheit befindet? Weil er den letzten Zwanziger auch noch in Alkohol umsetzen wird, womit eine Ratenzahlung scheitert?
Dies vorausgeschickt verstehe ich diese Schlussfolgerung nicht:
„der [Ermittlungsrichter] doch vollkommen Recht hat: wenn man, mit Herrn Hoenig, eine Haftstrafe ablehnt, dann sind 30 Tage besser als 80 Tage“
Besser wofür?
Im schlimmsten Falle juckt der Freiheitsentzug nicht einmal den laufend zwischen Freiheit und Haft wechselnden Regelvollzügler, zumindest nicht wesentlich.
Selbst wenn wir voraussetzen, dass es der Betroffene super findet, nach 30 Tagen wieder trinken zu können als erst nach 80 Tagen, ist daran nichts besser.
Dass ich mich nicht mit dem alleinigen Zweck der Generalprävention (rein optisch sehen 80 Tage abschreckender aus) anfreuden kann, ist der Tatsache geschuldet, dass es an der Spezialprävention fehlt.
Die Akzeptanz einer kurzfristigen Lösung für ein langfristiges Problem führt zum Problem.
Mal eingeworfen, wahrscheinlich Blödsinn: dem Gründer von Microsoft, Bill Gates, wurde einmal die Frage gestellt, aufgrund welcher Umstände die Firma Microsoft zugrunde gehen könnte. Darauf hat Mr. Gates erwidert: Wenn Sie mir sagen, wo ich sterbe, gehe ich nicht dorthin.
Eine bessere Lösung ist so eine Sache. Ich bin leider zu doof dazu, aber es gibt intelligente Menschen, die in dem Thema gefestigt sind. Soweit Sie das Verfassungsrecht in Verbindung mit Einweisung und Zwangstherapie angesprochen haben, könnte hier der Knackpunkt liegen.
Wenn wir aber sehenden Auges eine Lösung akzeptieren, die uns nicht hilft, gehen wir dort hin, wo wir sterben.
Der Vergleich mit dem notorischen Gewalttäter hinkt. In solch einem Falle gibt es aufgrund der wahrscheinlich längeren Haftstrafe ganz andere Möglichkeiten des Behandlungsvollzuges. Konkret ging es mir um einen Fall mit der im Beitrag genannten oder einer vergleichbaren Sachlage.
@cepag: volle Zustimmung.
Für eine Unterbringung nach 64 reichts nicht, als Bewährungsauflage geht eine stationäre Therapie nur mit Einverständnis,ob der Kandidat in früheren Fällen bei Bewährungsstrafen Therapieauflagen hatte und/oder eingehalten hat, weiß man leider nicht. Was also tun mit einem -kranken- Straftäter, wenn das Gesetz, das Richter nun einmal anzuwenden haben, auch Freiheitsstrafe vorsieht?
„Eigentlich müsste ich Sie verurteilen, aber wir machen das heute ganz anders: ich stecke Sie mal kurz für 1 Minute in die Zelle, damit Sie wissen, wo Ihre Reise hingeht“, darf der unbehütete, gute, im Leben stehende, praxisbezogene und menschenfreundliche Richter ja auch nicht machen, da bekommt er vom 2. Strafsenat des BGH eins übergebraten wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung im Amt
Welchen Schaden nähme denn die Gesellschaft, wenn ein Diebstahl einer 4,99 EUR teuren Schnapsflasche, die im Zuge der Entdeckung des Diebstahls wieder zurückgegeben wurde, wegen Geringwertigkeit unbestraft bliebe?
Meines Erachtens keinen.
Schwieriger Fall. Bewährungsstrafe mit Bewährungsauflage Suchttherapie hätte Sinn gemacht. Weiß nun aber nicht, ob es vorher schon einmal solche Auflagen gegeben hatte und diese gescheitert waren.
Wie wäre es mit einem Gefängnis, welches seit Jahren leer steht (es gibt solche in unserem Land mehrfach) und die Hälfte der Zellen bleibt leer.
Dort hinein solche Typen, auch Drogenabhängige.
Die anderen Zellen dürfen sie renovieren, mit weißer Farbe. Vorher Elektrikern, Fliesenlegern und Klempnern helfen, durch putzen, zureichen und Handlangerdienste.
Dann Umzug in den renovierten Gefängnistrakt.
Jeden Tag (ein Jahr lang) autogenes Trainig, Mathe, Physik, Handarbeiten, Deutsch, Musik, Gespräche mit einem Pfarrer und einem Arzt, Tischtennis, Sport, Zigaretten und Liegestütze, Klimmzüge, Obst, Gemüse….
Vielleicht merken diese [(gelöscht) Menschen (!), das sind Menschen. crh] nach einem Jahr ohne Drogen und ohne Schnaps, dass Jazz und Klassik, Literatur, Sport ind Kino auch spannend sein können.
Die Allgemeinheit freut sich.
Anschließend unter Vormundschaft bis zum Lebensende.
Und – eine Provokation:
Sollten solche Personen Nachwuchs in die Welt setzen?
Wenn gar nichts klappt?
Man kann bei einer Flasche Sprit für 4,99, welche zudem an den Laden zurück ging, sicher noch einmal ein Auge zudrücken. Das hätte man gar nicht erst anklagen müssen. Allein die Kosten des Verfahrens sind da schon völlig unverhältnismäßig zum Schaden der Allgemeinheit (ich unterstelle der Täter wird es nicht bezahlen).
Auf der anderen Seite kann man nicht zuschauen, wenn einer immer wieder klaut. Auch wenn juristisch nicht nachgewiesen, dürfte auf jedes mal erwischt werden vermutlich 5x nicht erwischt werden kommen. Jedenfalls haben bisherige erhobene Finger der Justiz „das darfst du aber nicht“ nicht zu einem Umdenken geführt.
Es ist nicht hinnehmbar, wenn Diebstahl faktisch legalisiert wird, weil er nicht bestraft wird. Und wo will man die Grenze ziehen? Bei 5,- Euro, 50,- Euro oder erst 50.000,- Euro? So eine Grenze wäre völlig willkürlich, zumal Tante Emma die 5,- Euro wohl mehr weh tun, als dem Multinationalen Konzern die 50.000,- Euro.
Ohne Strafe geht es (leider) nicht, besonders bei einschlägigen Vorstrafen. Ich plädiere nicht für Gesetze wie in manchen Staaten der USA, wo es bei drei gleichartigen (verurteilten) Straftaten zwingend lebenslang gibt. Die faktisch völlige Freistellung von Strafe kann jedoch auch nicht richtig sein.
M.E hätten die Richter eine Einweisung in eine Suchtklinik verfügen sollen, mit Entlassung erst nach Genesung.
@T1000:
Tolle Frage, wo die Grenze liegen soll.
Wenn ich eine Untreue der ETW-Verwaltung (70 EUR zu meinem Schaden) ‚erleide‘ greift sich jeder an den Kopf, wenn ich zu klagen überlege bzw. Strafanzeige (-antrag?) zu stellen.
Aber der arme Kerl soll wegen 5EUR in den Knast?
Apropos: Rechtssprechung ist weitgehend Glückssache/Willkür (in gewissen Grenzen). Immer. Schon durch die Gestaltungsspielräume der Beteiligten.
P.S. @cjh: „Zaranoff“ ist eine Hausmarke des ALDI, die gibt’s bei Kaisers eher nicht. Ich kann in meinem Suff die Farbe grad nicht erkennen, aber ich meine ich hätte vorhin ein blaues Etikett mit weisser (silberner?) Schrift gesehen.
@Max
Gehen Sie eigentlich auch zum Arzt und sagen: „Das Medikament, das Sie mir verschrieben haben, hilft nicht. Aber verschreiben Sie es mir wieder, jetzt kenne ich wenigstens die Nebenwirkungen“ ?
Freiheitsentziehende Maßnahmen funktionieren ganz offensichtlich nicht. Sie mindern nicht den Suchtdruck. Knast ist wie der Kerl in dem Video, der versucht, ein Autofenster mit dem Kopf zu zerdeppern.
https://www.youtube.com/watch?v=-Bw39SIiHrQ
Wo soll das hinführen? Sicherungsverwahrung? Für 4,99 €?
Solche Fälle gibt es an den Amtsgerichten immer wieder, und es fällt jedenfalls mir schwer, jemanden wegen 4,99 EUR in den Kahn zu schicken, vor allem wenn eine Suchtproblematik vorhanden ist. Der § 47 Abs. 1 StGB macht da durchaus Sinn, wobei mE auch kein Weg an der Erkenntnis vorbei führt, dass es einfach Leute gibt, die immer und immer wieder straffällig werden und offensichtlich nicht zu einer Verhaltensänderung gewillt oder, wohl mindestens genauso häufig, nicht in der Lage sind. Irgendwann kann da auch Alkoholsucht nicht mehr vor Freiheitsstrafe schützen, und das Gesetz schließt Freiheitsstrafe auch bei geringen Schäden nicht aus. Zudem stellt das OLG zurecht darauf ab, dass die Schadenshöhe alleine nicht zwingend ausreicht, um aus einer Tat eine Bagatelltat zu machen.
Das Hauptproblem bei Alkoholikern ist, dass es brauchbare Hilfsmöglichkeiten nicht gibt. Einen langjährigen Säufer muss ich nicht mehr zur Suchtberatung schicken, und meine Erfahrungen mit § 64 StGB sind auch nicht besonders gut, da wird oft abgebrochen oder die Leute werden rückfällig.
Wesentlich besser funktioniert § 35 BtMG, nur hat da der „Nur-Trinker“ nichts davon. Eigentlich müsste man den Leuten raten, auch ein bisschen Koks zu verkaufen (nur halt nicht so viel, dass man bei 2 Jahren + X landet).
Verständnisfrage:
Was unterscheidet einen „Vorbestraften“ von einem „einschlägig Vorbestraften?“
Wenn man für 4,99 EUR 1 Monat in den Knast geht, müsste Hoeness 27.000 Jahre in den Knast. Er muss aber nur gut 3 Jahre.
Gut, dass wir verglichen haben.
Ergänzung: Ich habe den taschenrechner falsch abgelesen. Es müssten 272.000 Jahre sein.
@ T.H., RiAG
Klar, dann aber in Ihrem Büro. Können Sie sich gleich die Namen der demnächst süchtigen Käufer notieren.
Die Namen süchtiger Käufer muss ich mir nicht notieren, die schreiben mir freundliche Menschen schon vorher auf den Aktendeckel.
Extra für Sie werde ich beim nächsten Mal aber mindestens vier ;-) setzen.
Liebe Verteidigungsinteressierten – Wie ist das Ausgangs-, das Rechtsmittel- und das Revisionsgericht eigentlich über das Antragserfordernis des § 248a StGB hinweggekommen? Ich selbst habe nur selten Vorgänge, bei denen der/die Antragsbefugte einen Antrag innerhalb der Frist gestellt hat. Meist ist es der detektivende Leiharbeitnehmer, der das Protokoll mit vorgedrucktem Antrag zeichnet, oder ein Filialleiter eines Geschäftes, das zu einer anderen juristischen Person gehört als diejenige, die geschädigt ist (<- Feinkost-Albrecht).
Ja, Therapieversuche scheitern. § 64 StGB ist aus meiner Sicht gleichwohl die Methode der Wahl, alternativ Bewährung mit Therapieauflage und Bewährungshelfer. Denn ob suchtkrank oder Party-Säufer – der Gebrauch einer Droge wird nicht aus Spaß, sondern wegen nicht erkannter oder zu verdrängender Konfliktlagen überschritten, die ein B-Helfer ggf. lösen kann (wenn er gut und engagiert ist). Und sei es die Konfliktlage, dass ein Leberversagen bevor steht oder die Lebensbilanz negativ scheint.
Aber es gefällt niemandem, wenn einer sein bisheriges Leben umkrempeln will (= Therapie). Um diese Hürde zu überwinden, braucht es Problemdruck. Der liegt oft nicht nach dem ersten, meist aber nach dem zweiten Absturz nach Therapieabbruch vor. Verwahrvollzug aber ist bloß kalter Entzug und hält nur so lange an, bis das Entlassungsgeld verbraucht ist.
@Joachim Breu
Es handelt sich bei § 248a StGB doch nicht um ein absolutes Antragsdelikt.
“ frei von Hirn“ – aber schweineteuer.
„Verständnisfrage:
Was unterscheidet einen „Vorbestraften“ von einem „einschlägig Vorbestraften?““
Meine Interpretation: Das einschlägig verweist darauf, daß er wegen eines ähnlichen Delikts vorbestraft ist, in diesem Fall also (Laden-)Diebstahl oder was Naheliegendes, aber nicht zum Beispiel wegen des illegalen Betriebs eines Kernkraftwerks.
@ Joachim Breu:
– T. H. hat ja schon darauf hingewiesen, dass § 248a StGB auch die Möglichkeit eröffnet, das öffentliche Intresse an der Strafverfolgung zu bejahen. Vielfache einschlägige Vorstrafen sind ein Grund für die Bejahung eines solchen Interesses.
– Therapieauflagen – das wurde weiter oben schon angesprochen – sind im Rahmen der Bewährung nur mit Zustimmung des Verurteilten möglich. Nun ist es nicht so, dass das in der Praxis nicht ausprobiert wird…
– …aber: Um erst einmal zur Strafaussetzung zu kommen, muss das Gericht eine positive Prognose stellen können. Das ist bei ständiger neuer Delinquenz einfach nicht drin. Denn wenn bei einem alkoholkranken Beschuldigten dieser Punkt erreicht ist, fehlt ihm entweder schon von Grund auf jeglicher Krankheitseinsicht (dann wird die Zustimmung sowieso verweigert, schließlich hat man ja kein Alkoholproblem und alles im Griff) und/oder er hat – durchaus auch im Rahmen von Bewährungsauflagen – schon eine langjährige Tournée durch alle möglichen und unmöglichen Hilfseinrichtungen hinter sich, ohne dass das irgendeine Auswirkung auf sein Verhalten gehabt hätte. Dann ist eine Zustimmung aber ein – wenn auch vielleicht gut gemeintes – Lippenbekenntis und daher keine Grundlage für ein positive Prognose.
– Wie § 47 Abs.1 StGB zu entnehmen ist, steht bei Strafen wie den hier besprochenen die Generalprävention und nicht die Resozialisierung im Vordergrund. Pointiert gesagt: Es geht um die Ahndung von Straftaten und nicht um Sozialarbeit. Wer dies für unsinnig hält, darf nicht das OLG dafür prügeln, dass es geltendes Recht anwendet, sondern muss sich dafür einsetzen, dass das Gesetz geändert wird
– Der hier schon mehrfach genannte § 64 StGB bedeutet faktisch eine Freiheitsentziehung, die über ein oder drei Monate deutlich hinaus geht (eine Suchttherapie ist nicht einfach mal in zehn oder zwölf Wochen erledigt). Deshalb setzt sie die Gefahr erheblicher rechtswidrige Taten voraus; dazu gehört der Diebstahl mit einem Schaden von 4,99 EUR nun nicht.
– Es gibt Drogenkonsumenten, deren Konsumverhalten auf Verdrängung von Konfliktlagen beruht. Jedoch ist die Behauptung, dies sei ausnahmslos der Fall, unzutreffende Sozialromantik. Ein Großteil der Klientel, mit der sich die Strafjustiz zu befassen hat, haut sich rein, was knallt, weil es knallt. Fragen Sie den Bewährungshelfer ihres Vertrauens.
@Scharfrichter:
Ich bin nicht sicher, ob der Bewährungshelfer meines geringsten Misstrauens nicht eher wie ein Blinder über den Regenbogen spricht, was Suchtproblematiken angeht.
Er kennt es (hoffentlich!) nur vom Hörensagen und -schlimmer- seine Klientel wird ihre jeweilige Situation eher schönreden als realistisch oder gar schlecht darstellen.