Das Telemediengesetz (TMG) schützt Webhoster vor Strafverfolgung. Darauf bzw. auf ein Urteil des Kammergericht (KG) Berlin v. 25.08.2014 – Az.: 4 Ws 71/14 – 141 AR 363/14 – weist der Hamburger Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr auf seiner Website Webhosting & Recht hin.
Dr. Bahr formuliert unter der Überschrift
Für Webhosting-Unternehmen gelten Haftungsprivilegien des TMG auch im Strafrecht
folgende Leitsätze:
1. Für ein Webhosting-Unternehmen gelten die Haftungsprivilegien des TMG auch im Strafrecht.
2. Der Betreiber eines Webhosting-Hosting haftet für strafbare Inhalte auf Domains, die er hostet, somit nur dann, wenn er aktive positive Kenntnis hat. Ein fahrlässiges Nichtkennen reicht nicht aus.
In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz „Unwissenheit schützt also doch vor Strafe“, jedenfalls den Webhoster. Das muß der Verteidiger aber wissen und die rechtsgebietsübergreifende Anwendbarkeit des § 10 TMG auch im Strafrecht kennen.
Besten Dank an Rechtsanwalt Dr. Bahr für den Hinweis auf diese Entscheidung.
Ausweislich der von der RAK Berlin zum Download bereit gestellten Liste der Anwaltszimmer im LG-Bezirk Berlin ist das Anwaltszimmer des Kammergerichts immer noch nicht ( wieder ) besetzt.
http://www.rak-berlin.de/site/DE/int/PDF_Mitglieder/AnwaltszimmerUEbersicht_011013.pdf
Wodurch der Umzug in die Elßholzstraße motiviert war kann man nur erahnen, wenn man sich alte Gedenktafeln ins Gedächtnis zurück ruft.
Am Rande: wieso nur werden gewisse Seiten in den USA bereit gehalten, warum nur ? Weil man sie in Deutschland entfernen würde….
Es kann gut sein, dass ein anderes Gericht eine ganz andere Wertung vornimmt, so dass Vorsicht angebracht ist. Ob nun gerade das OLG Hamburg eine solche Entscheidung getroffen hätte kann bezweifelt werden.
Ich formuliere es mal BGH-freundlich – er ist im Zivilrecht weiser, als viele andere: Auf Unterlassungsansprüche finden die Haftungsprivilegierungen der §§ 8 ff. TMG nach seiner Auffassung schlicht keine Anwendung (vgl. statt vieler Roggenkamp, in: juris PK-Internetrecht, 3. Aufl. 2011, Kap. 10, Rz. 76; Hoffmann, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011, § 7, Rz. 33). Und falls wer die zivilrechtliche Rechtsprechung des BGH nachvollziehen will: I ZR 304/01, VI ZR 101/06, I ZR 35/04, VI ZR 93/10 und weitere mehr.
Es wäre aber schon interessant zu wissen, wie der BGH die faktisch gegenteilige Sicht des EuGH in seine ausgesprochen eigenwillige Auslegung zur Nichtanwendbarkeit der Haftungsprivilegierung auf Unterlassungsansprüche einarbeiten würde: EuGH C-236/08 bis C-238/08 sowie C-324/09.
Aber bis dahin: §§ 8 bis 10 TMG interessiert die im zivilen IT-Recht tätigen Anwälte nicht.
Wie schön, dass die neueren Entscheidungen des BGH über http://www.bundesgerichtshof.de direkt abrufbar sind – dort findet sich (tatsächlich) ein Hinweis auf ein Urteil (BGH, vom 15. August 2013 I ZR 80/12), welches eine Tendenz unterstreicht, die Prüfungspflichten von Host-Providern auszuweiten (heißt: sie haften, wenn sie nicht prüfen, und zwar kräftig).
Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichtsräte kann es wegen einiger strafrechtlicher Entscheidungen des BGH zum Thema Compliance hart treffen: sie haften, wenn sie kein Compliance-System unterhalten, und zwar wegen ihrer Untätigkeit als
(Mit-) Täter.
Das Kammergericht (Vorsicht mit dem K, es droht der Linksrutsch) verfolgt die gegenteilige Linie, zumindest nach der o.a. Entscheidung, so dass man nicht wetten sollte, dass andere Gerichte dies auch tun.
Was, wenn die Grundsätze über die strafrechtliche Haftung wegen fehlender Compliance-Systeme auf Webhoster übertragen werden?
Überhaupt, das TMG basiert auf einer Richtlinie aus dem Jahr 2000 und ist schlicht etwas missglückt und überholt.
Apropos TMG. Gerade las ich in Ihrem Impressum den Hinweis, daß Sie Google Analytics einsetzen und der Nutzer dieser Seite sich automatisch damit einverstanden erkläre, daß seine IP-Adresse an Google weitergereicht werde.
Nicht erst, aber spätestens seit dem Urteil des BGH vom 01.07.2014, VI ZR 345/15, dürfte der Einsatz von Google Analytics als unerlaubte Datenweitergabe anzusehen sein. Das wurde und wird von Datenschutzbeauftragten schon länger so gesehen.
Das kann man auch nicht dadurch umgehen, daß man irgendwo im Impressum eine fingiertes Einverständnis des Besuchers versteckt. Denn mit dem „Betreten“ dieser Webseite ist das Kind ja schon in den Brunnen gefallen, sprich: die IP-Adresse an Google weitergereicht worden.
Gerade weil Sie zurecht auf Datenschutz hinweisen und Vorratsdatenspeicherung kritisch beurteilen, irritiert es ein wenig, daß von Ihrer Webseite offenbar Benutzerdaten an Dritte weitergereicht werden. Die Auswertung von IP-Adressen ist auch zu statistische Zwecken m. E. nicht (mehr) erlaubt.