Zwischen einem Quad und einem Pkw kam es zu einem Unfall, wobei sich im Nachhinein nicht recht aufklären ließ, welcher der beiden Fahrer dafür verantwortlich war.
Der Quadfahrer, der zu allem Übel bei dem Crash auch erheblich verletzt worden war, klagte vor dem Landgericht Ingolstadt auf Schadenersatz und Schmerzensgeld und bekam – nichts.
Noch nicht einmal die Hälfte seines Schadens nach der sogenannten Unaufklärbarkeitsquote gönnten ihm die Ingolstädter Richter. Die fanden nämlich – sachverständig durch einen Gutachter und Wikipedia beraten – so ein Quad sei ein kreuzgefährliches Ding. Wer damit im öffentlichen Straßenverkehr herumfahre, habe es nicht besser verdient.
Auch vor dem Oberlandesgericht München, dass sich mit der Berufung des Quadfahrers beschäftigen musste, fand dieser keine Gnade.
Da keinem der beiden Unfallbeteiligten irgendein Verschulden nachgewiesen werden konnte, kam es auf die verschuldensunabhängige Haftung aus der Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge an. Nun sollte man eigentlich denken, bei zwei Kraftfahrzeugen mit jeweils vier Rädern sei die Betriebsgefahr gleich hoch und damit der Schaden hälftig zu teilen.
Das OLG München belehrt eines Besseren.
Die(s) ist jedoch fehlsam. Es kommt vielmehr auf die spezifischen Besonderheiten der beteiligten Fahrzeuge an. (…) In die Bewertung der spezifischen Besonderheiten des klägerischen Quads ist zunächst und entscheidend dessen Instabilität einzustellen:
Der Sachverständige (…) hat anläßlich seiner Einvernahme vor dem Erstgericht (…) insoweit folgendes ausgeführt:
„Ich möchte die Fahrweise dieser Quads, wie es hier unfallgegenständlich ist, zumindest bei starker Bremsung als sehr instabil betrachten aufgrund des Verhältnisses von Spurweite zum Radstand. Das Fahrzeug neigt in diesen Fällen dazu, die Vorderachse zu belasten und die Hinterachse zu entlasten, was zu Schleudervorgängen führen kann. Das unfallgegenständliche Quad zumindest hatte kein ABS. Eine Verlagerung des Gewichts des Fahrers kann auch die Fahrlinie beeinflussen, wenn man sich insbesondere das Verhältnis des Fahrergewichts zum Fahrzeuggewicht anschaut, das gilt insbesondere beim Bremsen.“
Diese Feststellungen entsprechen den allgemein zugänglichen Quellen (vgl. etwa Wikipedia, „Quad“ Bearbeitungsstand: 24.07.2013, http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Quad&oldid=120836082 [abgerufen: 17.09.2013]).
(…) Die normale Betriebsgefahr des beklagtischen Toyotas tritt im Hinblick auf das Vorstehende im konkreten Fall vollständig gegenüber der Betriebsgefahr des Quad zurück.
OLG München, Urteil vom 17.09.2013, Az: 10 U 2166/13 (Vorinstanz LG Ingolstadt, Urteil vom 29. Mai 2013, Az: 33 O 361/11 in ZfS 2013, 679-680
Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.
Man ist mit einem straßenzugelassenen Kraftfahrzeug unterwegs, es knallt und man bekommt nichts, weil man kein ABS hat und das Fahrverhalten instabil ist. Auf den konkreten Nachweis, dass diese Umstände mit unfallursächlich waren, kommt es anscheinend nicht an.
Wie ist es dann mit motorisierten Zweirädern, bekommt man nach einem Unfall auch nichts?
Der BGH hat sich hierzu mehrfach geäußert und zum einen klargestellt, dass bei der Betriebsgefahr dem Umstand, dass ein Motorradfahrer selber nicht durch eine Karosserie geschützt ist, keine Bedeutung zukommt. Die allgemeine Betriebsgefahr eines Fahrzeugs wird vor allem durch die Schäden bestimmt, die dadurch Dritten drohen.
Dem Fahrer eines für den Verkehr zugelassenen, in verkehrstüchtigem Zustand befindlichen Fahrzeugs kann bei der Abwägung nicht zur Last gelegt werden, dass er schon wegen dieser Bauart und der geringeren Eigensicherung, die ihm das Fahrzeug bietet, bei Zusammenstößen mit anderen Fahrzeugen Verletzungen in höherem Maße ausgesetzt ist als in einem Fahrzeug, das in dieser Hinsicht größere Sicherheit bietet.
Die Betriebsgefahr eines Motorrads kann sich durch dessen Instabilität und die daraus resultierende Sturzgefahr grundsätzlich erhöhen. Aber nur soweit sich diese nachweislich als Unfallursache ausgewirkt hat (VI ZR 221/08 in VersR 2010, 642).
Ob die in München beim Oberlandesgericht eigentlich wissen, dass es den Bundesgerichtshof gibt?
Als Anwalt ärgert mich solche Rechtsprechung zwar. Privat hält sich mein Mitleid mit Menschen, die meinen, sie hätten das Privileg, andere in Wald, Flur und Wohngebieten, mit lauten Motorgeräuschen zu belästigen, allerdings in Grenzen. Das gilt für Quad- wie Motorradfahrer gleichermaßen.
@RA de Berger: Genau, wer so laut durch die Gegend fährt, der soll sich auch mal gescheit verletzen, kann ja nicht sein, dass die einem, jedenfalls im Sommer, ständig den Sonntagsbrunch mit ihren Auspuffgeräuschen vermiesen.
Unfassbar! Ich hoffe, in Ihre Kanzlei verirrt sich nie ein Motorradfahrer.
Es steht in Wikipedia, also muss es stimmen!!!!!!!
Welcher Zeile meines Kommentars entnehmen Sie, daß ich Motorrad- oder Quadfahrern eine Verletzung wünsche? Natürlich nicht. Aber ich muß ja auch nicht jedes Mal in Tränen ausbrechen, wenn sich selbst gewählte Risiken verwirklichen.
Und ja: ich finde es schon seltsam, daß man zwar sonntags seinen Rasen nicht mähen, aber stundenlang mit dem Quad um den Block kurven darf.
Das um den Block Fahren gehört wirklich verboten :D aber das ist ein thema für sich ;)
Aber das ist wie der Fall mit dem Fahradhelm nur das die gute Frau noch nicht einmal am unfall schuld war aber ihr angerechnet wurde das sie keinen Helm auf hatte.
Bei Rennradfahrern usw. da kann man drüber reden aber die Durchschnittshausfrau knallt ja auch nicht mit 30-40 KMh zum Aldi um milch zu holen.
Sehe schon kommen das ich nachher eine Teilschuld am Unfall habe weil mein Auto Älter ist und nicht alle neuen Sicherheitsspielerreien hat.
@RA de Berger:
Bezüglich Ihres letzten Satzes empfehle ich § 30 Abs. 1 S. 3 StVO.
Als ich noch in Meerbusch gewohnt habe, musste ich mich öfters aus SUV an schimpfen lassen, wie unverantwortlich ich sei. Ich war oft mit dem Cannondale und dem Fahrradanhänger mit den Kindern unterwegs. Das Urteil weitergedacht hat man als Radfahrer gaaaanz schlechte Karten, wenn man mal über sehen wird.
Jetzt wohne ich wieder in einer Stadt im Osten mit vielen Radfahrern. SUV-Idioten, die dumm rum labern, bekommen schon mal an der Ampel nen Spiegel von nem Fixiefahrer abgetreten. Die meisten anderen Autofahrer fahren selbst soviel Rad, dass Sie rücksichtsvoller fahren.
Lieber Carsten,
dass die Bazis den Bayern-BGH 2006 aufgelöst haben, bedeutet nicht, dass sie nun den „richtigen“ BGH anerkennen. Mir san bekanntlich mir !
Vor der EU waren Quads in Deutschland auf der Strasse -zu Recht- verboten. Diese Teile sind wegen des hohen Schwerpunktes und des kurzen Radstandes gefährlich.
Dazu kommt, dass gerade die -meist jungen- Fahrer dieser Spaßmobile über wenig Erfahrung im Starssenverkehr, aber dafür über eine hohe Risikofreude verfügen.
Ich halte dieses Urteil für angemessen.