Die Regel heißt: Wer Straftaten begeht, wird bestraft.
Keine Regel ohne Ausnahme: Wer ausnahmsweise nicht erwischt wirde, kann auch nicht bestraft werden.
Von dieser Ausnahme gibt es wiederum Ausnahmen: Nicht jeder, der (möglicherweise) eine Straftat begangen hat und erwischt wurde, wird bestraft. Von einer solchen Ausnahmenausnahme berichtete Sebastian Heiser in der taz:
Im Jahr 2007 beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat ein riskantes Finanzgeschäft (die taz berichtete). Rund 150 Millionen Euro Verlust verbuchten die Verkehrsbetriebe mit dem Geschäft.
Soweit zum Thema „erwischt“. Wenn man sich das Ganze einmal bei Lichte anschaut, könnte man auf die Idee kommen, daß dieser Vorstands- und Aufsichtsratsbeschluß eine Untreue gegenüber der Gesellschaft darstellen könnte.
Das wird wohl aber strafrechtlich nicht mehr weiter geprüft werden. Denn – manche Juristen rechnen doch: 2007 plus 5 ist 2012. Das ist das Jahr, in der die Untreue – wenn sie denn eine war – verjährt ist. Das heißt, seit 2 Jahren können die Untreuen nicht mehr bestraft werden, obwohl sie bei einer (möglichen) Straftat erwischt wurden, weil sie eben zu spät erwischt wurden.
Sebastian Heiser zieht einen schönen Vergleich: Der Schaden, der der BVG (also am Ende dem Steuerzahler) entstanden ist …
… entspricht 57 Millionen nicht gelösten Einzeltickets. Es ist der gleiche Schaden, den alle Schwarzfahrer Berlins zusammengenommen in siebeneinhalb Jahren für die BVG verursachen.
Während Schwarzfahrer mit aller Härte des Gesetzes (übrigens nach einer Norm, die nur zwei Nummern (§ 265a StGB) vor der Untreue (§ 266 StGB) geregelt ist) bestraft werden (z.B. hier, hier und hier), lese ich in der taz über den Schaden, den die BVG durch diese Spekulation hatte:
Die Konsequenzen für die Verantwortlichen: Keine.
Ich verstehe das nicht. Aber da bin ich nicht der einzige, der hier was nicht versteht:
Sarrazin habe zu verstehen gegeben, dass er das Finanzgeschäft nicht versteht.
Tja, so ist das eben: Strafgesetze passen nicht durch die Mahagonitüren der Vorstandsetagen.
Was würden Sie denn verstehen?
150 Millionen Schaden – eine Bagatelle, im Vergleich zu dem, was in München gerade verhandelt wird:
Milliarden in den Sand gesetzt.
Landesbank und so, irgendwas mit Österreich…
Aber ständig über meinen Verlobten herziehen, nur weil er beim REWE den Käse für zwei Euro mitgenommen hat!
Ich erinnere mich hier an einige Beiträge zum Thema Straßenverkehr, wo’s um eine sechs-Monats-Frist ging, das ist deutlich kürzer als fünf Jahre :-)
Und hinter „Mahagoni-Türen“ werden eher selten Leute totgefahren, insoweit finde ich das ethisch auch nicht unvertretbarer…
@Thomas: beim „totfahren“ geht es allerdings auch eher selten um Sechs-Monats-Fristen.
Hinter den Mahagoni-Türen werden wohl zwar weniger Verkehrsdelikte begangen (je nachdem, was für einen Verkehr man sich da vorstellt *g*), wohl aber Leute entlassen, weil auf einmal kein Geld mehr da ist. Das wiederum kann Leute in derartige wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen, dass sie sich totfahren lassen oder sonstwie suizidieren. Ungeachtet dessen: Verjährungsfristen gelten nun einmal auch für Kapitalisten-Schw…. . Auch, wenn ich ab und an ein bißchen selbst-Justiz ganz cool fände.
@Sebastian – aber um Verstöße im Straßenverkehr, die potentiell das Risiko bergen, Menschen schwer zu schädigen – und da ist das Risiko wahrscheinlich höher, als dass eine wirtschaftliche Fehlentscheidung zu Entlassungen führt und diese wiederum einen Suizid verursachen.
Die BVG-Finanz“geschäfte“ sind nicht das einzige, das Thilo Sarrazin nicht verstanden hat – aber es ist natürlich konsequent, dass so einer dann Bundesbank-Vorstand wird und dort kund tut, dass ab Dienstagmittag nix mehr zu tun sei und er dann Zeit gehabt habe, ein Buch zu schreiben – über das einzige Thema, das er für sich als verstanden betrachtete: Den nicht-arischen Migranten als Untermenschen.
Die TAZ wirft der einen Seite vor, die BVG arglistig über den Charakter als Spekulationsgeschäft getäuscht zu haben, und der anderen, sich bewusst auf ein Spekualtionsgeschäft eingelassen zu haben. Beides gleichzeitig kann aber nicht zutreffen. Falls ersteres zutrifft, geht der Untreuevorwurf gegen die BVG-Organe jedenfalls ins Leere.
Es ist doch nun nicht wirklich überraschend, dass die Beteiligten sich nun dumm und unwissend geben. Das ist nun wirklich die Standard-Verteidigungsstrategie und diese steht im Rechtsstaat jedem zu.
Ihre Mandanten, Herr Hoenig, werden sicherlich auch nicht i.d.R. bei den Ermittlungen mitarbeiten und ihr Wissen vollumfänglich teilen.
Bei einem Schadensersatzprozess wird es sicherlich auch hilfreich sein, wenn man sich als dumm und über den Tisch gezogen hinstellt.
Ein großer Finanzmogul (Buffett oder Soros?) hat mal über Derivate gesagt, dass sie Massenvernichtungswaffen seien. Und Massenvernichtungswaffen gehören verboten. Ganz einfach. Egal in welcher Hand sie sich befinden.
@Bandolino:Ich bezweifle ernsthaft, dass Buffett oder Soros generell Derivate verbieten wollen. Derivate gibt es vermutlich schon seit 2000 v. (!!!) Chr. und sie sind extrem wichtig.
Forwards sind z.B. Derivate und werden sicherlich oft auch vom kleinen Schokoladenproduzenten in ihrer Nachbarschaft gekauft, um sich gegen Kursschwankungen beim Kakaopreis abzusichern, damit er ein preisstabiles Produkt hat.
Er ruft bei seinem Händler an und macht mit ihm aus, dass der Händler in zwei Jahren ihm 5 Tonnen Kakao zu dem und dem Preis liefert.
http://www.handelsblatt.com/archiv/buffett-sieht-derivate-als-finanzielle-massenvernichtungswaffen-terminboersen-wehren-sich/2233374.html