Gestern Abend, um 21:15 Uhr, ging folgender Notruf ein:
Herr Gottfried Gluffke bittet DRINGEND um Rückruf; unbedingt noch heute. Es geht um eine gerichtliche Entscheidung bzw. ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft. Er hat alles selbst formuliert, er benötigt nur eine Unterschrift vom Rechtsanwalt. Die Frist endet 0 Uhr.
Irgendjemand wird Herrn Gluffke schon noch erläutern, welche Funktion die Unterschrift eines Rechtsanwalts hat. Auch mitten in der Nacht. Die 160 Zeichen einer SMS reichen nur für eine schlichte Absage.
Bild: Rike / pixelio.de
Schön zu sehen das es nicht nur Elektrikern so oder so ähnlich geht. Wir haben alles selbst installiert. Wir brauchen dann nur noch die Unterschrift von Ihrem Meister und den Vattenfall Zähler. ;-) Meine Antwort dürfte ebenso verlgeichbar wie die Ihre ausgefallen sein.
MFG
War das Problem denn die kurze Restfrist oder das Vorhandensein einer vorgefertigten Begründung, die man lieber selbst und professionell erstellt hätte? Oder anders gefragt: Wäre die Reaktion die gleiche, wenn es nur um das formelle und vorerst begründungslose Einlegen eines Rechtsmittels gegangen wäre?
Ich hatte mal einen Geschäftsmann als Mandanten, der allen Ernstes anfragte, ob ich ihm nicht meine Briefköpfe mit Blankounterschriften für die „alltäglichen kleinen“ Streitigkeiten überlassen könne. Den Inhalt könne seine Sekretärin auch selbst formulieren. Ich habe das Fieberthermometer geholt und kurzzeitig über die Anregung einer Betreuung nachgedacht.
Man kann manche Rechtsmittel ja einlegen und die inhaltliche Begründung später nachreichen. Das Einlegen eines Rechtsmittels ist üblicherweise aber doch nur an formale Bedingungen geknüpft, die sich idR aus dem Gesetzeswortlaut ergeben.
Die Frage zielt darauf ab, ob Sie die Mandatsübernahme verweigert haben weil es ein Mandant war, der Sie eigentlich nur als Signaturautomat verwenden wollte, oder weil Ihnen die Zeit zu knapp war seinen Schrieb kurz zu überfliegen und dann, gegebenenfalls mit notwendigen Änderungen, ans Gericht zu senden. Kann ja sein, dass er nur eine hilfreiche Vorlage geben wollte und nichts dagegen gehabt hätte, wenn Sie ihre eigene verwendet hätten.
Oder ganz einfach (hätte ich auch gleich so fragen können): Hätten Sie ein Mandat um 21:15 Uhr übernommen, wenn Ihnen der potentielle Mandant gesagt hätte, die Rechtsmittelfrist laufe um 0:00 Uhr aus, er würde Ihnen aber alle relevanten Dokumente per email gleich zuschicken (Schriftverkehr, Urteil, etc.) und er würde Sie bitten Rechtsmittel einzulegen?
Geübte Mandanten, die das Honorar nicht zahlen können oder wollen, kommen bewusst erst kurz vor Fristablauf. Damit der Anwalt „erst mal“ tätig wird und dann sehen kann, wie er das Mandat wieder beendet bekommt.
Hand auf´s Herz – was haben Sie die ganzen Jahre an Gluffke verdient?
Und jetzt das.
Dabei hat er sich nun selbst die ganzen Taschenbücher vom Beck-Verlag gekauft, anstatt das Geld zu versaufen.
Spätabends kam Gluffke zu uns und hat sich ausgeheult.
Es gibt so ein Gesetz von Karlsruhe, dass man in Ausnahmefällen bis zu vier Tage Galgenfrist… oder so ähnlich.
Diskutiert wurde über „Katze kriegt Junge“, Haus brennt, Oma gestorben, oder war im Ausland.
Gluffke wurde in den Zug nach Polen gesetzt, wo er seinen kranken Bruder aus einem Auslandsurlaub abholen musste, das soll er dann sagen… und Marianne war dabei….und dann haben wir dreißig andere Kanzleiadressen herausgesucht und das Urteil mit den vier Tagen.
Jetzt muss Gluffke aber endgültig in die Puschen kommen, hat Wilhelm gemurmelt.
„Wenn der Gesetzgeber vorschreibt, daß bestimmte Rechtsmittel nur von einem Rechtsanwalt unterzeichnet wirksam sind: Welchen Hintergrund könnte eine solche Vorschrift wohl haben? crh“
Lassen Sie mich raten: dass viele Rechtsanwälte im Bundestag sitzen?
und zu dem Elektriker @1: hier liegt’s am Lobbyerfolg der Handwerker.
Denn Sinn macht es ja nicht gerade, wenn jemand eine Arbeit selbst erledigen will und sich dieses zutraut, dass man es ihm verbietet. Oder?
Egal ob Elektriker oder Anwalt: Wer seinen Kaiser Wilhelm unter etwas setzt, an dem bleibt im ungünstigsten Falle auch der ganze Dreck kleben – bzw. HAFTEN.
@ Fry
Auch wenn Sie ein noch so begabter Heim- und Handwerker sind, hat es bestimmt eine guten Grund, dass gewisse Arbeiten das Vorhandensein eines Qualifizierungsmerkmales (in dem Falle Meister bzw. erfolgreich abgeschlossenes Jurastudium).
Bei der Elektrik besteht ja durchaus Lebensgefahr für den Bastler und Angehörige bzw. Nachbarn.
@kleinerdrache: sicher hat es „einen guten Grund“, wenn man irgendwas nicht darf. Vom Schornsteinfegerzwang über den Flugleiterzwang bis zum Elektrikerzwang und Anwaltszwang. Alles sicher gut begründet, der Gesetzgeber will nur unser Bestes.
Der Anwaltszwang gilt bspw nicht vor allen Gerichten in allen Situationen. Warum darf ich mich vorm Amtsgericht in einer Zivilsache selbst vertreten, im Familiengericht aber nicht? Warum darf ich mit abgeschlossenem Physikstudium meinen Elektrozähler nicht selbst setzen?
Die Antwort ist: weil Interessensgruppen das so durchgesetzt haben. So und nicht anders. Der Glaube an „man wird sich schon was dabei gedacht haben“ geht an der Realität der Gesetzeserstellung und -beschlussmechanismen vorbei. Sonst gäbe es auch nicht so viele handwerklich schlechte Gesetze.
@Fry
Diese Interessengruppe war in Sachen Anwaltszwang aber nicht die Anwaltschaft, sondern die Richterschaft, weil die Justiz gerade in den Angelegenheiten, in denen Anwaltszwang herrscht (v.a. im Familienrecht), anderenfalls mit unsinnigen Anträgen überschüttet würde. Man stelle sich vor, man könnte ohne Anwalt einen Scheidungsantrag stellen. Dann würden jede Woche tausende von Idioten Montags die Scheidung beantragen, Mittwochs den Antrag wieder zurückziehen, Freitag erneut die Scheidung beantragen, etc. Ähnliches gälte für Sorgerechts- und Umgangsverfahren.
Ebenso wenig können es die Obergerichte personell leisten, mit laienhaften Anträgen von „Jedermann“ überschüttet zu werden, die von vornherein keine Aussicht auf Erfolg haben, aber aufgrund der Neigung vieler Streithammel, 100-seitige sinnlose Schriftsätze mit 1000-seitigen Ausdrucken aus dem Internet einzureichen, erhebliche personelle Ressourcen bänden.
Als Anwalt benötige ich keinen Anwaltszwang. Mir ist es sogar lieber, wenn die Gegenseite nicht anwaltlich vertreten ist. So gewinnt es sich leichter.
Gut möglich, dass es um ein Klageerzwingungsverfahren nach § 172 II StPO ging.
Das ist auch für einen erfahrenen Anwalt regelmäßig eine nicht ganz niedrige Hürde mit hohen formellen Voraussetzungen. Wenn die vom Mandanten in der beschriebenen Form formuliert wurde und noch noch unterschrieben werden soll, dürften die Erfolgsaussichten im Promillebereich liegen. Da ist die Zeit für das Durchlesen zu schade. Abgesehen davon verpflichtet die Unterschrift des Rechtsanwalts zur Mitprüfung und Übernahme der vollen Verantwortung. Das will man in solchen Fällen ja auch nicht unbedingt ;-)