Monatsarchive: Juli 2015

Alles Lüge? (Teil 2)

726208_web_R_by_Dr. Stephan Barth_pixelio.de Es geht um Lügen im Strafprozeß. Nur Angeklagte düfen grundsätzlich straflos schwindeln. Allen anderen Beteiligten, insbesondere Zeugen und Richtern, ist das verboten. In einem ersten (Theorie-) Teil habe ich über Rechtsmittel geschrieben – Berufung und Revision versus Sperrberufung und Sprungrevision. Die Lektüre des Teil 1 ist notwendig, um nun den konkreten, praktischen Teil nachvollziehen zu können.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts habe ich „Rechtsmittel“ eingelegt. Der Richter war neugierig und wollte wissen, was für ein Rechtsmittel es denn werden sollte:

AMG-01

Das Urteil lag mir vor und war – wie erwartet – meiner Ansicht nach grottenschlecht begründet; die Tür zur erfolgreichen Revision stand sperrangelweit offen. Für die Begründung der Revision fehlte mir allerdings noch die Akteneinsicht, insbesondere die Einsicht in das Sitzungsprotokoll. Deswegen habe ich die Frage des Richters noch nicht beantwortet.

Zuvor – nach Ablauflauf der 7-tägigen Rechtsmittelfrist – hatte mir der Richter bereits mitgeteilt:

AMG-02

Ich hatte also danach noch die freie Wahl – Berufung oder Revision. Dann kam die Gerichtsakte. Auf Blatt 136/136a fand ich das Fax des Richters wieder. Auf den zwei Seiten davor finde ich dieses Schreiben der Staatsanwaltschaft:

AMG 03

Ich halte fest:

Am 30.04.2015 informiert mich der Richter darüber, daß „bisher hier bisher kein Rechtsmittel eingegangen ist“. Exakt einen Monatzehn Tage zuvor, am 20.04.2015, und eine Seite in der Akte vorher hat die Staatsanwaltschaft „das Rechtsmittel der Berufung“ eingelegt.

Kann ja mal passieren, daß ein Richter etwas übersieht. Trotzdem, ich habe mal vorsichtig angefragt:

AMG 04

Ich bin gespannt auf das Material aus Moabit für den dritten Teil dieser Geschichte.

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Bild: © Dr. Stephan Barth / pixelio.de

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Alles Lüge? (Teil 1)

726208_web_R_by_Dr. Stephan Barth_pixelio.de Vergangenes Wochenende habe ich über einen Verdacht berichtet, der sich gegen Polizeibeamte richtet: Sie sollen als Zeugen vor Gericht gelogen haben, berichtete Katrin Bischoff in der Berliner Zeitung. Ich frage mich nun, was ich von der folgenden Geschichte halten soll.

Es ist ein wenig schwierig, das Geschehen in der gebotenen Kürze für einen Blogbeitrag nachvollziehbar darzustellen. Deswegen heute nur die Vorgeschichte, morgen dann das eigentliche Thema.

Teil 1 – die Vorgeschichte.

Gegen ein Urteil des Amtsgerichts habe ich farblos und unbestimmt „Rechtsmittel“ eingelegt. Ganz bewußt habe ich offen gelassen, ob es sich dabei um eine (Sprung-)Revision (§ 335 StPO) oder um eine Berufung (§ 312 StPO) handelt. Dem Urteil war eine sehr streitige Hauptverhandlung vorausgegangen und ich war (bin) der Ansicht, der Richter habe grobe Fehler gemacht. Was angesichts der Rechtsmaterie nicht so schwierig ist – es ging um einen Verstoß gegen das Arzeneimittelgesetz (AMG). Für die Jurastudenten und Tour-de-France-Teilnehmer unter den Lesern: § 95 Abs. 1 Nr. 2b AMG iVm. § 6a Abs. 2a Satz 1 AMG.

Die Entscheidung, welches Rechtsmittel es am Ende werden soll, habe ich für den Zeitpunkt nach der Urteilszustellung vorgesehen. Ich wollte schauen, ob der Richter seine Fehler auch fein säuberlich in den Urteilstext schreibt, damit sie revisibel sind. Das war zu erwarten und ist auch genau so eingetroffen.

Für einen (sagen wir es offen: faulen) Richter ist das farblose Rechtsmittel suboptimal: Wenn sein Urteil wegen (blöder) Rechtsfehler oder schlampiger Urteilsbegründung, die allein er zu vertreten hat, vom Revisionsgericht aufgehoben wird, ist das selbstredend keine Auszeichnung. Anders ist es bei einer Berufung – da werden etwaige Fehler nicht so offenkundig thematisiert, weil oft die gesamte Beweisaufnahme wiederholt wird.

Will ein Richter also eine Blamage möglichst verhindern, muß er sich ernsthaft Mühe bei der Abfassung der Urteilsgründe geben. Das macht Arbeit, kostet Zeit und ist frustrierend, wenn dann am Ende dann doch nur eine Strafmaßberufung herauskommt.

Wie immer im richtigen Leben gibt es auch hier ein Gegenmittel, das insbesondere der Typus von Richtern im Auge hat, mit dem ich es hier zu tun hatte. Wenn nämlich die Staatsanwaltschaft eine Berufung gegen das Urteil einlegt, ist der Verteidigung der Weg in die Revision versperrt. Deswegen werden solche Rechtsmittel untechnisch als Sperrberufung bezeichnet.

So kann ein freundlicher Anruf des Richters beim befreundeten Staatsanwalt nach Urteilsverkündung eine Menge unerfreulicher Arbeit ersparen. Ob das in „meinem“ Fall so war, dafür habe ich keine Anhaltspunkte. Die Inhalte von Telefonaten zwischen Freunden werden in aller Regel nicht in der Akte dokumentiert.

Soweit erst einmal die Vorschichte – was danach geschah, bleibt dem zweiten Teil dieses Berichts vorbehalten.

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Bild: © Dr. Stephan Barth / pixelio.de

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Der Herr RA

Ich habe hier ein Problem mit der Sprache, deren Metatext ich nicht verstehe. Vielleicht hilft hier die Crowd, deswegen dieser Beitrag.

Ein Mandant, der unter rechtlicher Betreuung steht, ist angeklagt. Aus dem Betreuungsgutachten ergibt sich, daß er an einer psychiatrischen Erkrankung leidet.

Der Vorwurf ist im Bereich der Kleinstkriminalität einzuordnen. Allerdings befinden wir „uns“ in Bayern, da muß sowas natürlich mit Nachdruck verfolgt werden. Der Betreuer hat uns die Anklage geschickt, uns beauftragt und der Verteidiger hat beim Gericht seine Bestellung zum Pflichtverteidiger nach § 140 II StPO beantragt. Diesen Antrag schickt das Gericht zur Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft, die sich wie folgt dazu positioniert:

DerHerrRA

Also, für mich als Siegerländer und Wahlkreuzberger hört sich das … sagen wir mal … sehr distanziert an.

Der Herr RA möge …
Sollte der Herr RA dies nicht tun …

Höre ich da eine verwerfliche Arroganz, wo keine ist? Reden die Bayern eben so und ist das gar nicht überheblich gemeint? Wie käme es auf der anderen Seite an, wenn der Verteidiger an das Gericht schriebe: „Der Herr StA möge …“? Bin ich zu empfindlich?

Den Siegerländer Dialekt versteht der Fremde, „der nicht von hier ist“, zwar auch nicht auf Anhieb. Aber wenn der Sinn der Worte geklärt ist, weiß man bei uns genau, was die Glocke geschlagen hat.

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ARAG mit der höchsten Beschwerdequote

Wie der Versicherungsbote, eine Publikation für Versicherungsmakler, bereits am 22.06.2015 berichtete, hat uns unser Eindruck nicht getäuscht: Die ARAG ist unter den großen Versicherern der Versicherer mit der höchsten Beschwerdequote:

Beschwerdestatistik

Die Beschwerdequoten
Die Berater der Makler halten fest:

Die hohen Beschwerdequoten von ARAG, Deurag und Advocard stechen in der Auswertung der 10 größten Rechtsschutzanbieter dabei hervor. Mit einer Quote von 4,98 (rund 1,3 Millionen versicherten Risiken und 67 Beschwerden) ist sie bei ARAG am höchsten.

Die Datenbasis stellt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Verfügung, bei der die Beschwerden erfaßt werden.

Die Versicherungsnehmer
Unsere Mandanten, die einen Versicherungsvertrag bei der ARAG haben, werden das ebenfalls bestätigen können. Unter den vielen Versicherern, mit denen wir besonders bei der Verteidigung in Bußgeldsachen zu tun haben, ist die ARAG mit großem Abstand der Versicherer, der den meisten Ärger bei ihren Versicherungsnehmer verursacht.

Grund zur Beschwerde
Verzögerungen bei Deckungsanfragen, überflüssigen Nachfragen, unsinnige Anforderungen und unberechtigte Kürzungen von Versicherungsleistungen lassen den Eindruck entstehen, daß es in den Regulierungsabteilungen der ARAG an der notwendigen Kompetenz mangelt.

Leere Versprechungen
Bunte Bildchen und grundsätzlich kompetente Rechtstipps auf der Website sind eben keine Garanten für eine saubere Leistung, wenn der Versicherungsnehmer die Hilfe, für die er bezahlt hat, in Anspruch nehmen möchte.

Beschwerde erheben
Wir empfehlen daher unseren Mandanten, die Möglichkeiten der Beschwerde über die ARAG bei der Aufsichtsbehörde zu nutzen. Das geht recht einfach auf der Website der BaFin. Hier gibt es weitere Informationen dazu und hier das Beschwerdeformular, das sich in ein, zwei Minuten ausfüllen läßt.

Unsere Bitte an die Makler:
Vermittelt Versicherungsverträge mit Gesellschaften, die Ihren Kunden im Bedarfsfall die versprochene Leistung nicht zu Unrecht kürzen oder gar verweigern.

Weitere Informationen
Nach Angaben des VersicherungsJournal.de soll es nur einen Versicherer geben, der noch schlimmer sein soll als die ARAG. Darüber berichtet das RSV-Blog.

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Nicht nur Verwüstungen in der Justiz

Vom 18. Juni bis zum 3. Juli hat es gedauert, bis ich die Mitteilung aus München auf meinem Schreibtisch hatte. Die Junior Product Managerin des Focus Verlag hat mir einen Brief geschrieben, um mir zu gratulieren:

Top-Rechtsanwälte 01

Nicht nur dieser nette Brief ist erfreulich, sondern auch die umfangreichen Beistücke. Ganz besonders habe ich mich über das Deckblatt des Anlagenkonvoluts gefreut:

Top-Rechtsanwälte 02

Jetzt frage mich natürlich, wie Frau L.G. darauf gekommen ist, ausgerechnet mich zu dem erlauchten Kreis deutscher Top-Anwälte zu zählen. Darauf findet sich eine Antwort in den Anlagen:

Top-Rechtsanwälte 03

Es sind also viele Kollegen, auf die ich einen guten Eindruck gemacht habe. Ob mit meiner Arbeit, mit meinen 4.874 Blogbeiträgen (jpg) oder durch unsere Kanzlei-Wanne, wird dann sicherlich noch für die Focus-Spezial-Ausgabe 2016 recherchiert werden.

Liebe Kollegen, die Ihr mich – nun schon zum dritten Mal in Folge (pdf) – auf den Stimmzettel des Focus geschrieben habt: Vielen herzlichen Dank! So langsam glaube ich es fast schon selbst, daß die letzten fast 20 Jahre, in denen ich als Strafverteidiger unterwegs nicht, doch nicht nur Verwüstungen in der Justiz hinterlassen haben.

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Lügende Polizei-Zeugen?

In einem für die Berliner Zeitung geschriebenen Artikel berichtet Katrin Bischoff über den „Maskenmann-Fall„. Genauer: Sie schreibt über die Folgen der Beweisaufnahmen. Die Staatsanwaltschaft prüfe derzeit einen Anfangsverdacht wegen uneidlicher Falschaussage von Polizisten. Im Raum stehe, daß Ermittler, die als Zeugen in dem Verfahren ausgesagt haben, gelogen haben könnten.

Örtlich und sachlich zuständig für dieses Vor-Ermittlungsverfahren ist die Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder). In diesem Brandenburger Sprengel sind auch die Polizeibeamten engagiert, gegen die sich die Ermittlungen richten.

Es gibt durchaus berechtigte Befürchtungen, daß die brandenburgischen Ermittlungsbeamten (der Staatsanwaltschaft) gegen die brandenburgischen Ermittlungsbeamten (der Polizei) nicht mir dem notwendigen Biß vorgehen könnten. Deswegen wird immer mal wieder die Forderung laut, solcherlei Ermittlungsverfahren gegen Ermittlungsbeamte sollten nicht von den eigenen Krähen durchgeführt werden.

Das Ergebnis bleibt abzuwarten …

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Danke an den Regimekritiker ?(@staatsfeind2015) für den Hinweis.

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Kurzer Prozeß im Amtsgericht Tiergarten

Es ist gut, wenn die Menschen Vertrauen haben in eine funktionierende Strafjustiz. Und wie die Strafjustiz in der Praxis funktioniert, wird an dieser Terminsrolle* deutlich.

Eilverfahren

In dem Termin um 9:00 Uhr haben Rechtsanwalt Tobias Glienke und ich verteidigt. Auch in dem Termin um 10:30 Uhr hatte der Angeklagte einen Verteidiger.

In den nachfolgenden Terminen – sieben Stück in einer Stunde – wurde ohne Verteidiger verhandelt. Aber mit einer erfahrenen Richterin und einem Staatsanwalt, der in unserem Verfahren Augenmaß zeigte.

Sieben Mal in dieser Vormittagsstunde sitzt also jeweils ein Angeklagter allein vor zwei professionellen Juristen und hofft, daß die beiden wissen, was sie tun – in einem kurzen Prozeß.

Es gibt Richter und Staatsanwälte, da ist das Vertrauen gerechtfertigt. Und es gibt andere. Es gibt Beschuldigte und Angeklagte, die glauben uneingeschränkt an „die Gerechtigkeit„; allen anderen empfehle ich den Gang zum Strafverteidiger.

Denn: Welchen Richter ein Angeklagter bekommt, hängt im Wesentlichen von Glück und Zufall ab (jedenfalls bei Erwachsenen).

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*: Als „Terminsrolle“ wird der Aushang am Eingang zum Gerichtssaal bezeichnet.

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