Monatsarchive: Oktober 2015

Mohamed und der besserwissende Investigativist

Es geht um den Fall „Mohamed“, das getötete Flüchtlingskind. Die Ermittlungen der Mordkommission, eine hochqualifizierte Ermittlertruppe des Berliner Landeskriminalamts, führten zur Festnahme und wenig später zu Geständnissen eines Beschuldigten.

Und dann gibt es diesen Peter Rossberg (@PRossberg), ein BILD-„Zeitungs“-Reporter, Ressort Investigative Recherche, der „alles mit Kriminalität“ macht – so sein Twitter-Profil.

Dieses Mitglied des größten Fußballvereins in der Stadt Offenbach (wo liegt’n das Nest eigentlich?) zieht nun die Ermittlungen an sich, weil: Die ausgebildeten und teils studierten Kriminalisten aus der Keithstraße schaffen das nicht ohne ihn.

Rossberg

Da fällt mir ein bekannter Kolumnist der Zeit ein, der am 22.09.2015 diesem (und anderen) selbsternannten Investigativisten ins Gesangbuch schrieb:

Daher gehen der heute üblich gewordene „Empörungs-Journalismus“ vielfach an der Sache vorbei. Nicht weil er die (Straf-)Justiz wegen ihrer manchmal bornierten Blindheit gegenüber Fehlerquellen kritisiert, die zweifellos vorhanden sind. Sondern weil er ebenso oft mit einer Attitüde der Besserwisserei auftritt, die durch nichts nicht gerechtfertigt ist. Vor wenigen Tagen erst traf der Kolumnist bei einer Podiumsdiskussion über Fehlurteile im Strafrecht auf einen bekannten Journalisten, der mit empörter Gewissheit von zahllosen Fehlurteilen zu berichten wusste, deren „Falschheit“ sich allein ihm enthüllt hatte: Nach geheimen Regeln und Kriterien, oder, besonders beeindruckend, nach „gesundem Menschenverstand“. Das gilt als „kritisch“, ist es aber nicht. Denn anders als der Schimpf-Mainstream meint, setzt Kritik nicht ein laienhaftes Sich-Empören, sondern vertieftes Verständnis voraus. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet Journalisten wissen, was die Wahrheit und was ein „Fehlurteil“ ist, ist ähnlich groß wie die, dass ein Sozialpädagoge die im Einzelfall beste Methode der Krebstherapie kennt.

Die Arroganz dieser BILD-„Zeitungs“-Proleten und deren Produkte sind für ein funktionierendes Rechtssystem entbehrlich. Gibt es für diese Leute nicht Sinnvolleres? Fußballgucken bei Bier und Chips zum Beispiel?

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Kinox.to beim Landgericht Leipzig

Am heutigen Freitag startete im sächsischen Leipzig der erste Prozess gegen einen mutmaßlichen Mitbetreiber von Kinox.to.

Kinox.to

Themen der Anklage, die von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden geführt wird, sind:

Nicht angeklagt ist eine Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB); dieser Tatvorwurf spielte auch eher nur für das Ermittlungsverfahren eine tragende Rolle, weil sich daraus einige bedeutsame „Bequemlichkeiten“ für die Strafverfolger ergeben haben. Für das Strafmaß im Falle einer Verurteilung kommt es darauf eher weniger an.

Bemerkenswert ist, daß das Streaming-Portal noch immer am Netz ist, weil den Strafverfolgungsbehörde die Zugangsdaten nachhaltig vorenthalten werden (und sie keine kompetenten Hacker kennt, die sich mal bei dem Server anmelden, um dort für Recht und Ordnung zu sorgen – gibt es hier vielleicht Freiwillige? 8-) ).

Und von den beiden Jungs, die die GenStA – wie den aktuell vor der Strafkammer des Landgerichts Leipzig Angeklagten – zum inneren Kreis der Betreiber von kinox.to zählt, fehlt immer noch eine verfolgbare Spur.

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DroidJack – Der Durchsuchungsbeschluß

DroidJack 4Vorgestern hatte die Generalstaatanwaltschaft Frankfurt am Main 13 Wohnungen in Deutschland (und weitere im Eurpoäischen Ausland) durchsuchen lassen. Den Wohnungsinhabern werden Verstöße nach §§ 263a Abs.1, Abs. 4, 202a Abs.1, 202c Abs. 1 StGB vorgeworfen:

  • Computerbetrug,
  • Ausspähen von Daten und
  • Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten.

Verschiedene Agenturen, hier zitiert vom SPON, haben darüber berichtet, ich habe hier eine erste Stellungnahme dazu geschrieben. Auch die Strafrechts-Blogger Andreas Jede und Udo Vetter haben sich dazu geäußert.

Anlaß für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens war der Kauf von „DroidJack“, eine Software, die es ermöglichst, die Kontrolle über ein Smartphone zu übernehmen: Ein „Remote Administration Tool“ (RAT).

Allein der Ankauf, von dem die Ermittler erfahren hatten, löste diese bundesweite Razzia aus.

AG Gießen BeschlußMir liegt nun der Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts Gießen vom 14.10.2015 vor. Er trägt die typischen Merkmale dafür, daß der komplette Text nicht vom unterzeichnenden Richter, sondern vielmehr vom Staatsanwalt formuliert wurde, der den Erlaß dieses Beschlusses beantragt hat. Das ist ein übliches Vorgehen in der Jusitz: Die Ermittler sind in den Sachverhalt ein- und der Ermittlungsrichter überarbeitet. Die vom Gesetzgeber installierte Kontrolle der Exekutive durch das Gericht wird auf diesem Wege ins Leere geführt.

Was wollten die Ermittlungsbehörden erreichen?
Das formulierte Ziel der Ermittler war und ist die Sicherstellung von IT-Hardware, also

  • Computer,
  • Laptops,
  • Mobiltelefone,
  • Server,
  • externe Festplatten und
  • sonstige elektronische Speichermedien.

Von Bedeutung ist selbstredend die Kopie bzw. Installation von „DroidJack“ selbst. Aber auch die unter „Nutzung der Schadsoftware ausgespähte persönliche Daten der Opfer“. Auch schriftliche und elektronische Dokumente zum Erwerb und Einsatz von „DroidJack“, sowie Passworte und Hinweise auf beweiserhebliche Daten in der Cloud.

Nebenbei gesagt:
Die Behörden gehen also an dieser Stelle schon fest davon aus, daß es „Opfer“ gibt. Das ist das Niveau, auf dem üblicherweise der Boulevard berichtet. Hey, Herr Staatsanwalt! Opfer gibt es nur, wenn es Täter gibt. Und das stellt ein Richter irgendwann nach einer Beweisaufnahme vielleicht einmal fest. Die Verwendung des Begriffs „Geschädigte“ an dieser Stelle des Verfahrens, hätte signaliesert, daß Sie ihre Aufgaben ernst nehmen und professionell arbeiten.

 

Was steht nun drin in dem Beschluß, dessen Text auf zwei Seiten paßt?

Es sollen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Beschuldigte 2014 das Tool „Droidjack“ für 200 $ gekauft hat. (Liebe Zivilrechtler: Steht damit eigentlich auch schon fest, daß er es auch erhalten hat? #Abstraktionsprinzip)

DroitJack soll eine Schadsoftware sein, ein sogenanntes Remote Administration Tool (RAT).

Die Feature dieses Tools seien

  • FileVoyager,
  • SMS-Trekker,
  • Call Manager,
  • Contacts Browser,
  • Remote Ears,
  • Remote Eyes,
  • GPSLocator
  • Message Toaster und
  • App Manager.

Diese Funktionen werden mit jeweils einem kappen Satz beschrieben.

In drei Zeilen wird beschrieben, wie DroidJack auf das Smartphone gelangt, also wir die „Infektion“ und „Injektion“ erfolgen sollen.

Mitgeteilt wird auch, daß DroidJack konspirativ konzepiert sei: Selbst versierte Smartphone-Nutzer sollen nichts merken, wenn sie gehackt worden sind. (Woher wissen die das? Dazu unten mehr …)

 

Wie lautet der konkrete Tatvorwurf?

Behauptet wird, daß Droidjack kein sog „dual-use“-Tool sei, was legal und illegal eingesetzt werden kann. Ausschließlich (!) die Vorbereitung und Begehung von kriminellen Handlungen sei damit möglich.

Gegründet auf diese unsinnige Behauptung wird eine Wahrscheinlichkeitsrechnung aufgemacht: Wer eine „only-bad-use“-Schadsoft kauft, mit der man ausschließlich (!) Straftaten begehen kann, der begeht damit sehr wahrscheinlich auch diese Straftaten.

Doch, einen Beleg für diese Behauptung hat die Staatsanwaltschaft gefunden: Im Zusammenhang mit dem Übertragen der Software auf das entfernte Smartphone wird der Begriff „victim“, also Opfer, genutzt. Na gut, das ist natürlich ein schlagender Beweis; wenn das so in der Bedienungsanleitung steht …

 

Wie sieht die Beweislage aus?
Hauptgrundlage des Verdacht sind nicht etwas konkrete Belege eine Inbetriebnahme der Software durch den Beschuldigten. Sondern – tätäääh –

  • die Berücksichtigung kriminalistischer Erfahrungswerte im Phänomenbereich Cybercrime.

Wenn der Beschuldigte die Schadsoftware, die geeignet ist zur Vorbereitung von Computerbetrugsstraftaten und Datenausspähungen besitzt, dann beabsichtigt er auch, sie dazu einzusetzen, „um Daten, insbesondere fremde digitale ldentitäten, auszuspähen und Computerbetrugsdelikte mittels Einsatz des infizierten Systems zu begehen.“

Übrigens:
Das wichtigste Intrument der kriminalistisch Erfahrenen steht auch bei uns in der Kanzlei.

 

Motivation für die weiteren Ermittlungen
Im letzten Absatz der Fake-Begründung des Durchsuchungsbeschlusses setzt noch einmal eine Motivationsphase an. Der Autor (Staatsanwalt? Richter? S.o.) beschreibt den „primären Nutzen“ fremder Zugangsdaten und was man damit alles in „Webportalen wie Amazon, Ebay“ anstellen könnte. Beschrieben wird, welche Möglichkeiten man mit Kreditkartendaten hätte: „Unter fremder Identität betrügerisch Waren und Dienstleistungen entgegen zu nehmen, ohne die Gegenleistung aus eigenem Vermögen erbringen zu müssen“. Abfangen von TANs, „um Phishing-Delikte im Online-Banking zu begehen“.

Mit schlecht angespitzten Buntstiften gemalte Stimmungsmache ohne jede rechtliche Relevanz für den massiven Eingriff in Grundrechte.

 

Doch noch ein „Beleg“ für die kriminelle Energie des Beschuldigten?
Er hat den Wahnsinnsbetrag von 200 Dollar ausgegeben. Diese Investion muß sich amortisieren. Und weil es keine Anhaltspunkt für den Erwerb der Schadsoftware zu legalen Zwecken gäbe, will der Beschuldigte ausspähen und betrügen. Nein, kein Beleg, sondern ein Zirkelschluß.

That’s all, Folks!

 

Was steht nicht drin?
Es gibt keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, ob der Beschuldigte die Software überhaupt bekommen hat und sie besitzt, ob er sie installiert und in Betrieb genommen hat, ob er fremde Smartphones damit angegriffen hat, ob ein Schaden entstanden ist, ob es „Opfer“ (korrekt: Geschädigte, s.o.) gibt.

Nichts Konkretes weiß man nicht. Und trotzdem nimmt man dem Beschudigten seine Hardware weg und – wenn es sich um einen IT’ler handelt, der seinen Lebensunterhalt mit den beschlagnahmten Rechner verdient – zerschießt ihm seine wirtschaftliche Existenz.

Und bevor die nun in den Katakomben des Landeskriminalamts lagernden Speichermedien analysiert wurden, hat Bill Gates sich auf seinen Altersruhesitz in Kalifornien zurück gezogen und züchtet dort Orchideen. Es sei denn, es kommt ein Verteidiger und macht den hessischen Ermittlern ein wenig Feuer unter ihre häßischen Kunststoffledersessel.

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Hit the DroidJack

DroidJackEs ist mal wieder soweit. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) – ergatterte eine Liste mit den Daten von Käufern einer Software. Woher die Liste stammt, wird „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht verraten.

Der An- und Verkauf des Programms mit dem klingenden Namen DroidJack ist völlig legal und unterliegt nach deutschem Recht keinerlei Beschränkungen. Dennoch: Die Strafverfolger beantragen den Erlaß von Durchsuchungsbeschlüssen, die zuständige Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Frankfurt am Main dann auch erläßt.

Begründet wird der Durchsuchungsbeschluß mit der (grundätzlichen) Eignung des Android Remote-Administration-Tool’s,

  • den Datenverkehr auf Android-Systemen zu überwachen,
  • Telefongespräche und Umgebungsgespräche heimlich abzuhören sowie
  • mit der Smartphone-Kamera heimlich Bildaufnahmen anzufertigen.

Und weil sie dazu geeignet ist, sei das Programm eine Schadsoftware, die ausschließlich dazu diene, kriminelle Handlungen zu begehen. Ausschließlich. Aha!

DroidJack 4

Daß es auch

  • Entwickler oder Coder, die z.B. Software zur Abwehr von Angriffen durch DroidJack programmieren, oder
  • einfach irgendwelche Spielfritzen, die sich – im Rahmen des Erlaubten – fortbilden möchten, oder
  • Penetration-Tester, also Hacker, die im Kundenauftrag deren eigene Systeme anzugreifen,

gibt, kommt offenbar weder dem ermittelnden Oberstaatsanwalt, noch dem Richter am Amtsgericht Frankfurt am Main in den Sinn.

Das erinnert mich die Verhaftung eines Mannes wegen des Verdachts einer Vergewaltigung. Schließlich hat er ja das Werkzeug dazu.

Im vorliegenden Fall geht es um das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB) und Computerbetrug (§ 263a StGB). Deswegen hat es heute in Wohnungen von 13 Verdächtigen in mehreren Bundesländern, sowie auch in Großbritannien, Frankreich, Belgien und der Schweiz Razzien gegeben. Alles, was hinten ein Kabel hat, wurde sichergestellt bzw. beschlagnahmt, um in Ruhe (in Berlin dauert sowas regelmäßig 18 Monate) die Speichermedien analysieren zu können. Mit welchem Ergebnis, steht in den Sternen.

Der Berliner Rechtsanwalt Andreas Jede stellt in einem Blogbeitrag zu den DroidJack-Durchsuchungen den Zusammenhang zwischen diesem Frankfurter Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und dem Fall Edathy her. Über letzteren hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss am 15.08.2014 (2 BvR 969/14) bereits entschieden, daß es nicht ausreiche, einen Anfangsverdacht zu begründen, nur weil die Möglichkeit bestehe, daß jemand eine Straftat begehen könne.

HessenDie Frankfurter Ermittlungsbehörden stehen auf ganz dünnem Eis. Und wie sich das langfristig auswirkt, hat der Große Vorsitzende des 2. Strafsenats beim Bundesgerichtgshof mal schön geschrieben:

Verheerender als die praktische Sinnlosigkeit einer solchen Strafverfolgung ist der Verlust ihrer Legitimität.

Die rechtfertigende Pressemitteilung der GenStA vom 28.10.2015 gibt es u.a. hier (als Datei im PDF).

Hier dann noch der passende Song zum Thema:

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BVerfG: Veröffentlichungspflicht auch bereits vor Rechtskraft?

Ein Zeitungsverlag war mit seiner Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich. Es ging um die Zusendung der Kopie eines Urteils, das noch nicht rechtskräftig war bzw. ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat dazu am 29. Oktober 2015 die Pressemitteilung Nr. 78/2015 veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext:

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts der Verfassungsbeschwerde eines Zeitungverlags gegen eine Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts stattgegeben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht hatte es im Eilrechtsschutzverfahren abgelehnt, einen Landgerichtspräsidenten zur Zusendung einer anonymisierten Urteilskopie über ein von hohem Medieninteresse begleitetes Strafverfahren zu verpflichten. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die vom Oberverwaltungsgericht angeführten Gründe lassen eine Gefährdung des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens oder weiterer Strafverfahren nicht erkennen.

Der kompletten Text der Pressemitteilung ist hier veröffentlicht.

Eine abschließende Entscheidung ist damit noch nicht getroffen worden. Das Verfassungsgericht reklamierte, daß das Oberverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung „Besonderheiten“ nicht hinreichend beachtet habe. Es sei anerkannt,

dass aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und dem Grundsatz der Gewaltenteilung grundsätzlich eine Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen folgt. Diese Veröffentlichungspflicht erstreckt sich nicht nur auf rechtskräftige Entscheidungen, sondern kann bereits vor Rechtskraft greifen. Sie bezieht sich auf die Entscheidungen als solche in ihrem amtlichen Wortlaut.

Ob der presserechtliche Auskunftsanspruch der klagenden Medienvertreter in diesem konkreten Fall die Interessen der Strafrechtspflege überwiegt, muß nun das Oberverwaltungsgericht in einem zweiten Durchgang entscheiden. Wenn allerdings

konkrete Anhaltspunkte die Gefahr einer Vereitelung, Erschwerung, Verzögerung oder Gefährdung der sachgemäßen Durchführung eines Strafverfahrens im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 1 ThürPrG unmittelbar und dringend nahelegen.

müssen die Journalisten auf die Rechtskraft der Entscheidung eben warten.

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Mittwochs-OWi: Geknacktes PoliScanSpeed

728187_web_R_K_B_by_E. Kopp_pixelio.de„Niemals aufgeben – Never give up!„, so lautet die Devise auch im Bußgeldverfahren.

Der Vorwurf
Eine mit Flens und ÖPNV bewehrte Geschwindigkeitsüberschreitung

Das Problem
Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte per PoliScan Speed. Das Supergerät der Verkehrsüberwachung. Schießt erst dann ein Bild, nachdem die Messung schon längst gelaufen ist. Das bedeutet, dass man aus dem Messfoto nichts mehr über die gefahrene Geschwindigkeit des abgebildeten Fahrzeugs ablesen kann. Der „Prototyp“ des so genannten standardisierten Messverfahrens. Er liefert eine Art Anscheinsbeweis: Die Messung ist grundsätzlich korrekt.

Die Verteidigung
Der Fachanwalt für Verkehrsrecht weiß aber: Wo Technik ist, da ist auch Fehler. Entscheidend für die Verwertbarkeit der Messung ist die richtige Zuordnung des abgebildeten Fahrzeugs zu der gespeicherten Messung. Zweifel an dieser Zuordnung entstehen vor allem dann, wenn zum Beispiel mehrere Fahrzeuge auf dem Foto zu erkennen sind.

Im vorliegenden Fall gab es ein weiteres kleines Einfallstor: Grundsätzlich muss ein Messrahmen im Foto zu sehen sein, der an allen vier Seiten geschlossen ist. Hier fehlte eine Seite.

Damit kippte der Vorteil des standardisierten Verfahrens. Es gab eine nicht vorgesehene Abweichung vom Standard. Das Gericht kann die Richtigkeit der Messung nicht mehr ex aemelo bestätigen, sie war nicht mehr überprüfbar ist. Auf ein technisches Sachverständigengutachten konnte in diesem Fall sogar verzichtet werden.

Das Ergebnis
Auch beim angeblich todsicheren Bestseller geht noch was. Das Verfahren gegen unseren Mandanten wurde nach § 47 II OWiG sanktionslos eingestellt.

Nebenbei:
Wer meint, er brauche in Bußgeldsachen keinen Verteidiger, oder wer sich keinen leisten möchte – der kann sich ja mal zu unserem kostenlosen eMail-Kurs anmelden: Selbstverteidigung in Bußgeldsachen. Mit ein bisschen Glück geht’s auch ohne Verteidiger.

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Bild: © E. Kopp / pixelio.de

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Kritische Nebenbeschäftigung eines Polizisten

Captain HUK zitiert einen Artikel aus dem Oberbayerisches Volksblatt, in dem über die Nebentätigkeit eine Kriminalbeamten aus Rosenheim berichtet wird.

In einer kleinen Unfallsache tauchte plötzlich ein Zeuge – eben dieser Kriminalhauptkommissar – auf, der Angaben zum Unfallhergang machen konnte. Dieser Zeuge soll nach Angaben des geschädigten Klägers aber gar nicht vor Ort gewesen sein. Das Zivilgericht schenkte dem Bericht des Zeugen – trotz seines Status‘ als Polizeibeamter – keinen Glauben und folgte im Wesentlichen den Ausführungen eines Unfallrekontruktionsgutachtens.

Bemerkenswert an dieser Beweisaufnahme war das Ergebnis der Nachforschungen des Klägers: Der Kriminalhauptkommissar arbeitete nebenberuflich bei der HUK, dem verklagten Versicherer.

Wenn ich jetzt nur die Details aus dem OVB-Online-Artikel zugrunde legen würde, könnte dieses kleine Zivilverfahren noch gewichtige Auswirkungen auf das Beamtenverhältnis des Herrn Kommissars bekommen. Es kann aber auch sein, daß es im bayerischen Rosenheim ganz anders zugeht.

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Bild: © Thorben Wengert / pixelio.de

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Eindeutige Festlegungen und Parallelen

Der AngriffVor ein paar Tagen hatte ich via Twitter einen kurzen Austausch mit dem von mir fachlich sehr geschätzten Kollegen Ralf Höcker, Medienanwalt und Professor aus Köln. Herr Höcker hatte in einem Gespräch mit Dirk Müller beim Deutschlandfunk über die Galgen auf der Pegida-Demonstration knackig formuliert:

Ich lege mich selten fest, aber in diesem Fall lege ich mich fest. Strafbar ist das Ganze eindeutig nicht.

Ich teile die Ansicht des Kollegen nicht, jedenfalls nicht in dieser Entschiedenheit, und habe polemisch (mit Schreibfehler, Pardon.) dagegen gehalten:

Tweet mit Rechtschreibefehler

Die strafrechlichen Vorschriften §§ 111, 126 und 241 StGB lassen weite Beurteilungsspielräume zu. Strafverfolgungsbehörden und Gerichte haben zudem auch die Aufgabe, einzelne – vielleicht zivilrechtlich zulässige – Äußerungen in einen größeren Kontext zu stellen, um daraus dann doch zur Strafbarkeit solcher als Meinungsäußerung getarnter öffentlichen Aufforderungen zu bzw. Androhungen von Straftaten zu kommen.

Woraus der Zusammenhang bestehen kann, hat der aus Görlitz stammende Berliner Autor Michael Bittner sehr treffend in einem Vergleich zwischen der PEGIDA und der NSDAP beschrieben. Michael Bittner schließt seinen Beitrag mit den Worten:

Von Hannah Arendt stammt auch die Beobachtung, dass man faschistische Führer beim Wort nehmen muss, denn sie verschweigen ihre Pläne nicht, sondern sprechen sie offen aus, um zu erschrecken und zu beeindrucken. Wenn Lutz Bachmann also ankündigt, kein „Volksverräter“ werde „ungeschoren“ davonkommen, jeder die „Quittung für seinen Vaterlandsverrat“ erhalten, wie es dann auch ein symbolischer Galgen bei der Montagsdemonstration bezeugt – dann sollte man diese Worte und Gesten sehr ernst nehmen.

Was soll mit diesem Galgen in Dresden, der angeblich von einem Werkzeughändler aus dem Erzgebirge gebastelt wurde, anderes geäußert öffentlich angedroht werden als Gewalt gegen Personen? Welche zielorientierte Aufforderung steht hinter dem Galgen, der in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft in Möckern in Sachsen-Anhalt aufgestellt wurde, wenn nicht die, als ein paar der Flüchtlinge daran aufzuhängen?

Ok, man kann nun das Argument der Einheit der Rechtsordnung zitieren: Was in „Höckers Zivilrecht“ erlaubt sein soll, kann in „Hoenigs Strafrecht“ nicnt verboten sein. Ich bin kein Äußerungsrechtler, deswegen traue ich mich auch nicht, die Galgen zivilrechtlich zu bewerten. Aber daß der 39-jährige Erzgebirgler (wenn er denn der Galgenbastler und -träger war) sich strafbar gemacht haben könnte, halte ich für sehr gut wahrscheinlich. Und was strafbar ist, kann zivilrechtlich nicht erlaubt sein.

(Nicht nur) nebenbei:
Wem es zu mühsam ist, den Text von Michael Bittner durchzulesen, kann sich dieses 2 1/2 Minuten lange Video mit einem Zusammenschnitt zweier Redner – der Geschichtslehrer und AfD-Fraktionsvorsitzender Björn Höcke einerseits und der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Leiter der Reichskulturkammer Joseph Goebbels andererseits – mal zu Gemüte führen.

Um dann vielleicht doch noch was dazu zu lesen: Georg Restle vertritt wie ich die Ansicht, der Galgen diene dazu, dieses Land in Aufruhr zu bringen. Und das halte ich für zumindest strafwürdig; ob es auch strafbar ist, mögen am Ende kompetente Strafjuristen entscheiden – und die heißen weder Höcker noch Hoenig.

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Bild: Wikimedia Commons via Wikipedia

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Beobachtungen zu § 46 II StGB

Der „Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V.“ (VBRG) ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt. Ziel des Verbands ist der Aufbau eines flächendeckenden Beratungsangebots, die Qualifizierung von Beratern sowie die sichtbare Unterstützung von Betroffenen rechter Gewalt.

Ich möchte hier einen Aufruf veröffentlichen, den Robert Kusche, Dresden, für die VBRG an Rechtsanwälte, insbesondere Strafverteidiger, gerichtet hat:

Liebe Anwältinnen und Anwälte,

in Folge der Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschuss hinsichtlich der Verfolgung rechter Straftaten ist nun das neue „Hasskriminalitätsgesetz“ in Kraft getreten. Mit dem neuen Gesetz ist der Katalog der Strafzumessungsumstände (§ 46 Abs. 2 StGB) um die Formulierung „die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“ ergänzt und soll künftig dazu beitragen rechte Tatmotive bei der Strafzumessung besser zu berücksichtigen. Bereits im Vorfeld haben sich die ostdeutschen Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt in einer gemeinsamen Stellungnahme zu diesem Gesetzesvorhaben kritisch geäußert. Wir befürchten, dass der Merkmalskatalog in seiner jetzigen Form zu unbestimmt ist. Darüber hinaus fordern wir dringend ausdrückliche Ermittlungs- und Dokumentationspflichten in den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) zu verankern, die die Ermittlungsbehörden verpflichten, bei Verdachtsfällen rechten Tathintergründen nachzugehen und diese gegebenenfalls aktiv auszuschließen.

Daher wollen wir das jetzige Gesetz kritisch begleiten. Bis Mitte 2016 wollen wir verfolgen, wie sich diese Gesetzesänderung auf die juristische Praxis in den Gerichtsverfahren auswirkt. Dazu laden wir Sie/ Euch ein uns über Ihre/Eure Erfahrungen mit dem geänderten Gesetz zu berichten. Im Frühjahr 2016 planen wir zudem eine kleine Umfrage, um zu erfahren ob sich die Gesetzesänderung auf Urteile gegen rechte Straftäter positiv ausgewirkt hat.

Wir danken im Voraus Ihre/Eure Unterstützung.

Bitte informiert uns unter info@verband-brg.de über Urteile und Prozesse, in denen der geänderte § 46 Abs. 2 zur Anwendung bzw. zur nicht Anwendung gekommen ist.

Robert Kusche, Dresden

An diese Stelle möchte ich noch einmal hinweisen auf die Ausführungen des VRiBGH Thomas Fischer, die ich hier aus dem österreichischen Standard abgeschrieben habe.

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Zielorientierter Hellseher?

Am 17. Oktober 2015 um 10:38 Uhr meldete Zeit Online:

Henriette Reker, die parteilose Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl in Köln, wurde bei einer Attacke schwer verletzt.

Der Täter habe sich widerstandslos festnehmen lassen, nachdem er Frau Reker mit einem Jagdmesser am Hals schwer verletzt hat.

Am 18. Oktober 2015 um 13:50 Uhr, also rund 27 Stunden später, lese ich (wieder) auf Zeit Online:

Der Attentäter […] war bei seiner Attacke […] nach Ansicht eines Gutachters voll schuldfähig. Es gebe keine Anhaltspunkte, nach der psychologischen Begutachtung daran zu zweifeln, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit.

War das tatsächlich eine „psychologische Begutachtung“. Oder hat da ein Druide ein paar Hühnerknochen in die Luft geworfen?

Bei diesem Schnellschuß unmittelbar nach der Tat kann es doch „nur“ um die Frage gehen: „Ist er haftfähig oder muß er in der (forensischen) Psychiatrie untergracht werden?“ Aber dann kann man doch nicht von einem „Gutachten“ sprechen, liebe Polizisten und Staatsanwälte. Oder haben sich da ein paar Qualitäts-Journalisten ihre Agentur-Meldung mit ihren küchenpsychologischen Bordmitteln selbst zusammengebastelt?

Die Frage, ob der Beschuldigte „voll schuldfähig“ ist oder nicht, wird im Laufe des Ermittlungsverfahrens sicherlich noch von einem Psychiater (!) gewissenhaft untersucht werden.

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