Der Herr RA

Ich habe hier ein Problem mit der Sprache, deren Metatext ich nicht verstehe. Vielleicht hilft hier die Crowd, deswegen dieser Beitrag.

Ein Mandant, der unter rechtlicher Betreuung steht, ist angeklagt. Aus dem Betreuungsgutachten ergibt sich, daß er an einer psychiatrischen Erkrankung leidet.

Der Vorwurf ist im Bereich der Kleinstkriminalität einzuordnen. Allerdings befinden wir „uns“ in Bayern, da muß sowas natürlich mit Nachdruck verfolgt werden. Der Betreuer hat uns die Anklage geschickt, uns beauftragt und der Verteidiger hat beim Gericht seine Bestellung zum Pflichtverteidiger nach § 140 II StPO beantragt. Diesen Antrag schickt das Gericht zur Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft, die sich wie folgt dazu positioniert:

DerHerrRA

Also, für mich als Siegerländer und Wahlkreuzberger hört sich das … sagen wir mal … sehr distanziert an.

Der Herr RA möge …
Sollte der Herr RA dies nicht tun …

Höre ich da eine verwerfliche Arroganz, wo keine ist? Reden die Bayern eben so und ist das gar nicht überheblich gemeint? Wie käme es auf der anderen Seite an, wenn der Verteidiger an das Gericht schriebe: „Der Herr StA möge …“? Bin ich zu empfindlich?

Den Siegerländer Dialekt versteht der Fremde, „der nicht von hier ist“, zwar auch nicht auf Anhieb. Aber wenn der Sinn der Worte geklärt ist, weiß man bei uns genau, was die Glocke geschlagen hat.

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

19 Antworten auf Der Herr RA

  1. 1
    Axel Pöppel says:

    Au weia. Man könnte ja versucht sein, den Angeklagten ganz alleine hingehen zu lassen. Aber wer weiß ….

  2. 2
    Nei Huem says:

    Klingt für mich wie eine ungewohnte, evtl. etwas altertümliche, aber nicht kritisch zu wertende Höflichkeitsform. Ich höre da eine Ähnlichkeit mit dem österreichischen „Herr Ingenieur Xyz“ u.ä.

    Distanz wäre für mich, wenn „der Herr Rechtsanwalt“ in direkter Anrede verwendet würde; was hier aber nicht der Fall ist.

  3. 3
    Ein Ermittlungsrichter says:

    Für mich klingt das nach etwas ungeschicktem Rumgestelze ohne böse Absicht. Der Herr RA möge sich das nicht zu Herzen nehmen.

  4. 4
    Hutti says:

    Für mich als Bayer klingt das ziemlich normal. Das ist der übliche Ton, der hier seitens der Strafverfolgung ggü. dennen herscht, die dieser nicht angehören. Ich würde mir an Ihrer Stelle hierüber keine großen Gedanken machen. Es ist sicher nicht böse gemeint vom Herrn Sta, es entspringt einfach seiner gelernten Sichtweise, die man zweifelsfrei als „von oben herab“ bezeichnen kann.

  5. 5
    bingo2 says:

    Ja, das kennt man aus Bayern. Klingt arrogant, ist aber idR nicht so gemeint. Wenn das seine sprachliche Augenhöhe ist, begegnen Sie ihm auf dieser. :-)

  6. 6
    Thorsten says:

    Ich (Nicht-Bayer) würde jetzt nicht auf Bayern abstellen, sondern einfach nur auf eine sehr hochnäsige Person, die einem leider in allen Lebensbereichen begegnen.

    Auch in Bayern gibt es Staatsanwälte und Strafrichter, die ein sehr freundliches und respektvolles Gespräch mit Verteidigern pflegen.

    Und dann soll es ja auch noch diejenigen geben, die persönlich ganz anders drauf sind, als sie auf dem Papier vermuten lassen.

    Aber tatsächlich: diese Formulierung der Antwort ist ärgerlich. Und sie lässt vermuten, dass der StA denkt, dass er gerade Arbeit machen muss, die der Verteidiger ihm hätte abnehmen können (wenn auch nicht müssen).

    Nun ja, es gibt schlimmeres. Gilt für beide.

  7. 7
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Willst Du von diesen Leuten in Seppl-Hosen, aber mit Robenzwang (siehe Prozess in Augsburg) genau wie von Wilhelm und Gottfried (Gluffke) auch geduzt werden?

    Soll bei diesem Wetter unter einer alten Gerichtseiche verhandelt werden?

    Werden die Kinder in der Schule wieder lernen, dass der schwarze Rabe ein Galgenvogel ist?

    In Bayern gehen die Uhren anders !!!

  8. 8
    Chefarzt says:

    Das „geistliche Gebrechen“ ist natürlich ein Schmeckerchen für sich!
    Vielleicht ist der Angeklagte nicht katholisch ???

    • Den habbich ja noch gar nicht gesehen!! Danke. Gnnihihi … crh
  9. 9
    ReFa aus Franken says:

    Die reden hier so. Ich komme ursprünglich aus NRW und bin vor Jahren nach Bayern, Verzeihung, Franken, verzogen (OLG-Bezirk Nürnberg).

    Die gestelzte Sprache macht mir bis heute Probleme. Zum Glück gibt es immer wieder Ausnahmen, die weniger von oben herab formulieren, aber der Großteil der Justiz in diesem Bundesland schreibt, als hielten sie sich für was besseres – was wiederum viele davon zweifellos auch tun, denn am Telefon sind sie bisweilen auch nicht besser.

  10. 10
    Daarin says:

    @Chefarzt: Oder kein Anhänger des FC Bayern. Bei dieser wie bei anderen Religionen können die körperlichen Gebrechen gegebenenfalls auf die geistlichen folgen, je nachdem wem man davon erzählt.

  11. 11
    Strafverteidiger says:

    OLG Nürnberg 1 St OLG SS 43/13
    https://www.burhoff.de/insert/?/asp_weitere_beschluesse/inhalte/2612.htm
    sollte die Sache positiv erledigen.

  12. 12
    Der Herr Kommentator says:

    Schöne Überlegungen, aber der Herr StA hatte (möglicherweise aufgrund der Wetters) gar keinen Bock.

    Und weil er keinen Bock hatte, hatte er auch keine Lust sich den Namen zu merken.

    Und als ihm aufgegangen ist, dass er sich den Namen ja gar nicht gemerkt hat, und auch keine Lust hatte nachzuschauen, hat er es einfach so gelassen. In „Verteidiger“ zu ändern hätte diverse Tastatureingaben erfordert.

    Anderes würde auf geistliche Gebrechen hindeuten.

  13. 13
    Der Herr Kommentator says:

    Okay, das war nur mal „blind geschossen“. Stimmt nicht, – alles falsch.

    Bitte nicht (schon wieder) verklagen.

  14. 14
    WPR_bei_WBS says:

    Warum darf der Herr Staatsanwalt eigentlich seinen Senf dazu abgeben. Klar, Gesetz, aber was ist die Begründung dafür?

    Dass man sich seinen Gegen bzw. besser die „Waffe“ seines Gegners aussuchen darf mutet schon irgendwie komisch an.

    Genau so wie der ganze Schrieb: Jemand steht unter Betreuung, ist also (juristisch überprüft) nicht in der Lage, einige oder gar alle Rechtsgeschäfte selber vorzunehmen (bzw. wird daran zum Selbstschutz gehindert) – aber zur Verteidigung vor dem Strafgericht soll’s dann auf einmal doch reichen?

    Wenn das so ist möge der Herr Staatsanwalt doch mal beantworten, warum es für Staatsanwalt und Starfverteidiger eines Jurastudiums bedarf, wenn das doch offensichtlich einfacher ist als einen Mietvertrag abzuschließen.

  15. 15
    RA Gernandt says:

    Was mir in Bayern viel mehr auf den Keks geht, ist diese selbstverliebte Verwendung des bayerischen Idioms. Offenbar werden in Bayern überhaupt keine Juristen eingestellt, die Hochdeutsch sprechen können. Alle müssen klingen wie Andrea Tietz, die Sprecherin des LG München I.

    Da hat man als Anwalt nördlich der Mainlinie von vornherein schlechte Karten, wenn Richter und Gegenanwalt bzw. Staatsanwalt sich mit bayerischer Selbstherrlichkeit gegenseitig die Bälle zuspielen und sich in ihrem Dialekt sonnen. Gerne auch kombiniert mit „English“: „Nooo weeh (no way), Herr Kollege, den Dial (Deal) mochen mir hier net mit. Gö, des meg’n mir hier net. Und die von Ihrna zitierte Röchtspröchung is ja überhaupt gar net von bayerischen Gerichten.“ (Ja, stimmt, das BVerfG sitzt ja in Karlsruhe… Ich Trottel, ich).

    Wenn es sich irgendwie vermeiden läßt, nehme ich Termine vor bayerischen Gerichten nicht mehr wahr.

  16. 16
    matthiasausk says:

    Sofern er statt mit freundlichen oder kollegialen Grüßen abzuschließen mit „HabedieEhre“ (gesprochen wird das ohne Leerzeichen) grüßt, ist am „der Herr RA“ nichts auszusetzen. Das ist dann Sprachgebrauch und bassd scho.

  17. 17
    Winter says:

    Ist doch ein super Textbaustein. Braucht man den Namen nicht mehr zu ergänzen. Schlimmer finde ich hier die rechtliche Einordnung seitens des StAs.

  18. 18
    WPR_bei_WBS says:

    Also ich empfinde das auch als äußerst arrogant. Allerdings weniger das „Herr Anwalt“ als vielmehr das „möge“.

  19. 19
    MJ says:

    Die Vermeidung der direkten Ansprache kenne ich als (veraltetete) Höflichkeitsform im Süddeutschen.