Der Unsinn dieses Richters

Ich hatte Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben, weil mein Kostenfestsetzungsantrag nicht bearbeitet wurde. Es ging um den Vorschuß, den ich als Pflichtverteidiger liquidieren durfte. Und weil der entsprechende Beschluß nicht kam, habe ich angekündigt, daß ich auch nicht kommen werde; zum Hauptverhandlungstermin. Naja, daß das heiße Luft war, mußte dem Kundigen klar sein. Aber es ist einem Verteidiger auch nicht verboten, unzulässige Anträge zu stellen und ein Gebläse anzuwerfen.

Es kam nach meiner Beschwerde – wie zu erwarten war – Bewegung in die Sache: Der Antrag wurde sauber bearbeitet und der Vorschuß ging anschließend zügig hier ein. Dann kam sogleich auch die Frage von der Aufsicht, ob sich damit meine Dienstaufsichtsbeschwerde erledigt hätte. Hat sie nicht, habe ich mitgeteilt:

Aufrechterhaltung der Beschwerde

Meine Begründung für die Nichterledigung scheint bei dem Richter aber gar nicht so gut angekommen zu sein:

Der Unsinn dieses Verteidigers

Ich fürchte, der arme Mann wird zu einem späteren – ihm ziemlich unpassenden – Zeitpunkt zu einem weiteren „Unsinn des Verteidigers“ Stellung nehmen müssen. Und ich bin mir ganz sicher, daß sich der Richter über den ganzen Unsinn, den er in diesem Verfahren bisher schon verzapft hat, ernsthaft ärgert. Aber so richtig!

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Strafverteidiger veröffentlicht.

20 Antworten auf Der Unsinn dieses Richters

  1. 1
    GH says:

    Hier schreibt wohl eher der Verteidiger Unsinn. Der Richter ist ja gerade nicht Dienstvorgesetzter des Rechtspflegers. Er ist nichtmal Dienstvorgesetzter des Geschäftsdtellenmitarbeiters, der in deinem Dezernat arbeitet. Die Feststellung, dass der Verteidiger sich da nicht auskennt ist also völlig zutreffend.

    Ist aber auch nicht schlimm, einen später unbegründeten Ablehnungsantrag kann man ja immer noch drauf stützen, dass dem Richter bei so viel Blödsinn mal die Hutschnur reißt.

  2. 2
    Ein Ermittlungsrichter says:

    Ich muss mich meinem Vorredner anschließen – mit diesen Ausführungen macht ein Verteidiger deutlich, wie wenig Ahnung er von Gerichtsorganisation hat. Der Verteidiger ist für die Arbeit seines Unterstützungspersonals verantwortlich, weil er deren Arbeitgeber ist, und dadurch weisungsbefugt (qua zivilrechtlichem Arbeitsvertrag). Der Richter ist gegenüber seinem Unterstützungspersonal allerdings in keiner Weise weisungsbefugt (wenn er nicht zufällig zugleich der Direktor bzw. Präsident seines Gerichts ist), und mit dem Kostenfestsetzungsverfahrens hat er nicht das Geringste zu tun.

    Für die Arbeit eines Rechtspflegers, der irgendwo im selben Gebäude in einem anderen Stockwerk sitzt, ist der Richter daher ziemlich genau so sehr verantwortlich, wie Sie dafür verantwortlich sind, dass die städtische Straßenreinigung den Straßenabschnitt vor Ihrer Kanzlei sauber hält.

    Die Bezeichnung Unsinn ist daher sowohl inhaltlich als auch im Tonfall voll und ganz angemessen.

  3. 3
    Ex-Rpfl says:

    Nein, kein Unsinn, ganz im Gegenteil.

    In Strafverfahren ist es schon fast normal, dass der Richter auf den Akten „sitzt“, und das Vorschussgesuchen gepflegt ignoriert. Zum Rechtspfleger / Kostenbeamten kommt die Akte dann in der Regel Monate später, inkl. unbearbeiteten Kostenfestsetzungsantrag, 1. und 2. Erinnerung sowie Androhung der Dienstaufsichtsbeschwerde.

    Dabei dauert die Bearbeitung des Antrags i. d. R. keine halbe Stunde. Schwer vorstellbar, dass die Akte (im selben Haus) nicht solange entbehrlich ist.

    Insofern: Genau ins Schwarze getroffen. Mit der elektronischen Akte wird dann aber alles besser! :)

  4. 4
    goerch says:

    „Aber es ist einem Verteidiger auch nicht verboten, unzulässige Anträge zu stellen und ein Gebläse anzuwerfen.“ genau das ist der grund für das tiefe zerwürfnis zwischen anwaltschaft und richtern…

  5. 5
    T.H., RiLG says:

    Hallo CRH,

    auch wenn es Sie evtl. ärgern mag, aber in der Sache hat der Kollege recht. :-)

    Der einzelne Richter ist nicht der Chef des Rechtspflegers und kann diesem dementsprechend auch nicht vorschreiben, wann er welchen Kostenfestsetzungsantrag zu bearbeiten hat.

    Der Vorwurf der „pflichtwidrigen Unterlassung der Förderung des Festsetzungsverfahrens“ ist – mit Verlaub – abwegig.

  6. 6
    Ein Ermittlungsrichter says:

    @ Ex-RPfl:
    Für gewöhnlich befinden sich die Akten (vor allem in Strafsachen nachdem bereits terminiert wurde) nicht im Büro des Richters (was soll er mit denen auch), sondern auf der Geschäftsstelle.

  7. 7
    T.H, RiLG says:

    Einen Vorschussantrag bekommt der Richter i.d.R. überhaupt nicht zu Gesicht, weil ihn die Geschäftsstelle richtigerweise gleich dem Rechtspfleger vorlegt.

  8. 8
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Aber Carsten!
    Wie der Elefant im Porzellanladen!
    Warum hast Du denn den Richter nicht „Herr Vorsitzender“ oder „Hohes Gericht“ genannt?

    Oder hast Du vielleicht im Gerichtssaal gelacht und bist dann mit Ordnungsgeldern (sinnlos) bedroht worden?

    Ich kenne diese Akte; es ist WILHELM.

  9. 9
    RA Hermann says:

    @T.H., Ermittlungsrichter.

    Das mag ja alles der Erfahrung in Ihren Gerichten entsprechen und sollte nach der Gerichtsorganisation auch so sein.

    Ich erhalte habe desöfteren Anrufe von Rechtspflegern und Geschäftsstellenmitarbeitern, die mir auf meine 3., 4. oder 5. Erinnerung mitteilen, daß Richter X oder Y (es sind immer diesselben 2, 3 Hansel) „auf den Akten sitze“, er sie schon seit Wochen in seinem Büro oder zuhause habe und man trotz aller Bitten da nicht herankomme.

    Insofern ist es nicht völlig abwegig, den Richter dafür verantwortlich zu machen, wenn es bei der Kostenfestsetzung nicht vorwärts geht.

    Was die Auswahl des „Beschuldigten“ betrifft: da ich als Außenstehender ja gerade nicht weiß, wo die Sache hängt und man sich auch innerhalb des Gerichts gerne wechselseitig den „Schwarzen Peter“ zuschiebt, richte ich die Dienstaufsichtsbeschwerde immer gegen „die verantwortliche Gerichtsperson“. Sollen die doch innerhalb ihres Ladens ausmachen, wer Schuld ist.

    Es wundert mich allerdings immer die Ungeduld der Kollegen Hoenig, Siebers & Co. Nach 2 Monaten schon Sachstandsanfragen oder gar Dienstaufsichtbeschwerden? Vor Ablauf eines halben Jahres traut sich hierzulande kein Rechtsanwalt zu murren. Das sind völlig normale Bearbeitungszeiten in Nordhessen.

    Das Sozialgericht teilt mir diese Woche mit, daß gerade die Kostenfestsetzungsanträge von 2013 bearbeitet würden. Ich solle mich also noch gedulden (vulgo: bis 2018). Gestern erhielt ich vom Landgericht eine Ladung zur Verhandlung am 07.07.2016. Ich dachte erst, dank Poststreik hätte ich die Verhandlung verpaßt. Ist aber glücklicherweise erst nächstes Jahr…

    Also: mehr Geduld, Kollegen!

  10. 10
    BV says:

    Warum hat es der Richter denn „augenscheinlich“ zu vertreten, dass die Vorschussanforderung so lange nicht bearbeitet wurde? Was hat er denn gemacht bzw. gerade nicht? Oder ist das so gemeint wie es klingt, nämlich dass der Richter ja Chef vom Verfahren ist und daher kraft Organisation Schuld sein muss (was ja gerade nicht der Fall ist)?

  11. 11
    Rechtspfleger says:

    Tja, dann muss wohl „Insiderwissen“ her:
    Die Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung ist kein Rechtspflegergeschäft nach dem RPflG. Vielmehr erfolgt die Festsetzung durch den UdG des gehobenen Dienstes. Als solcher ist man theoretisch auch weisungsgebunden, hat praktisch aber freien Entscheidungsspielraum.

    Der Richter ist nur dann verantwortlich, wenn er wirklich „auf der Akte sitzt“ und sich dadurch das Verfahren verzögert – aber nicht dafür, wann die Geschäftsstelle dem UdG dgD die Akte vorlegt oder dieser sie bearbeitet.

  12. 12
    Aktenordner says:

    Was sagt denn die Aktenordnung dazu, wenn ein Richter auf der Akte sitzt? Ich denke Akten dürfen nicht unter persönlichem Verschluss gehalten werden. Richter dürfen Akten nur mit Wissen der Geschäftsstelle aus den Diensträumen entfernen. Die Geschäftsstelle muss zudem sicherstellen (zumeist elektronisch), dass sie den Ort der Akte nachvollziehen kann. Üblicherweise fordert die Geschäftsstelle die Akten beim Richter / UdG an, wenn neuer Posteingang vorliegt, es ist ja nicht so, dass die Geschäftsstelle „virtuelle Zweitakten“ anlegt, solange die Akte beim Richter auf dem Tisch liegt.

  13. 13
    jj preston says:

    Ich sehe darin auch keinen Unsinn, immerhin wird doch auf einem ordentlichen deutschen Gericht im Zuge der ordentlichen deutschen Bürokratie der Verbleib einer Akte – insbesondere der Zeitpunkt, wann sie das Richterzimmer verlassen hat – ordentlich dokumentiert sein, oder halten es deutsche Gerichte eher mit „griechischer Gründlichkeit“?

    Worin der „weitere Unsinn des Verteidigers“ liegen mag, dazu habe ich eine gewisse Vermutung…

  14. 14
    T.H., RiLG says:

    Es kann schon vorkommen, dass eine Akte im Richterzimmer liegt, wenn der Festsetzungsantrag kommt. Insbesondere kann das der Fall sein, wenn das Verfahren abgeschlossen ist, aber das Urteil noch nicht geschrieben/diktiert ist. Dann muss man die Akte halt „rausrücken“ oder schnell das Urteil machen. Zwei Monate sollte kein Richter auf der Akte sitzen, zumal die zwischen Eröffnung und dem Hauptverhandlungstermin von der Geschäftsstelle benötigt wird (Ladungen, Zustellungen usw.).

    Im Übrigen kann der „Verbleib“ der Akten grundsätzlich durchaus nachvollzogen werden. Man muss nur in der EDV das Verfahren aufmachen und den Reiter „Aktenkontrolle“ (o.ä.) öffnen. Da steht dann, ob die Akten versandt sind, etwa zur Akteneinsicht, oder ob sie sich beim Richter/Kostenbeamten oder bei wem auch immer befinden. Das funktioniert nur dann nicht, wenn die Geschäftsstelle schlampt, der Richter sich die Akte selbst holt, wenn die Geschäftsstelle nicht besetzt ist oder wenn er ohne Rücksprache Akten mit nach Hause nimmt.

  15. 15
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Hier noch ein Tipp für Anfänger.
    Es gibt viele alte schmutzige Tricks.
    Die Zweitakte.
    Aktenlüften.
    Briefmarkentauschen.
    „Übersetzungsfehler“

    und, und, und…..

    Wenn man dann mit solchen faulen Ausreden kommt und einer, der sich nicht abwimmeln läßt, hört, dass der Richter dienstlich außer Haus ist und man sagt, nö, der steht im Hof und raucht und die Akte liegt im Schrank (zeigen auf das Schrankfach), dann sind angefressen.

  16. 16
    Sl says:

    Fakt ist, dass die Beschwerde hat was gebracht und das ist ja auch gut so. Ich sollte mir das mal merken, dass Richter auch der Dienstaufsicht unterworfen sind. Kann man sicher auch nachträglich noch einreichen, wenn das Verfahren schon erledigt ist. Vielleicht gibt es ja so etwas wie die Widereinsetzung in den vorhergehenden Stand. Mal schauen. Ein großes Zerwürfnis kann ich nicht erkennen, wenn ein Anwalt seinen ihm zustehenden Vorschuss einfordert.

  17. 17
    Fritze says:

    Insgesamt kann man festhalten, dass der Sachverhalt wieder mal erwas dünn geraten ist, denn es lässt sich aus ihm nicht entnehmen, wer genau für die
    Verzögerung verantwortlich ist.

    Darüber hinaus sind für die Aufsicht über Richter einerseits und das restliche Justizpersonal andererseits verschiedene Personen zuständig.

  18. 18
    Joachim Breu says:

    Glückwunsch!

    Bei mir tat’s eine normale (Untätigkeits-) beschwerde. Wenn’s um mein Geld geht, bin ich Japaner – ich will nicht wissen, wer die Karre in den Dreck geschoben hat, sondern wer sie wann wieder herauszieht. Die „Dienstaufsicht“ ist eine deutsche Erfindung, sie prüft, wer Schuld hat und wie viel davon. Das ist mir wurscht.

    Klar – Posteingang kommt zur Akte. Während laufender HV ist die beim Gericht (vulgo: Berichterstatter / Richter). Der verfügt – wenn er die Zeit dafür findet – bestenfalls: „paginieren, dann WV zum Termin“. An dieser Stelle gebührt ihm ein Klaps auf die Finger – Unsinn hin oder her.

  19. 19
    RA Gernot says:

    Das mit der Aktenkontrolle steht aber auch nur auf dem Papier. Oder wie ist es zu erklären, daß immer wieder Akten „außer Kontrolle“ geraten, man gar als Anwalt gebeten wird, an der Rekonstruktion der Akte mitzuwirken und Jahre später sonnengebleichte Akten wieder auftauchen, die einen langen Sonderurlaub auf der Fensterbank irgendeiner Gerichtsperson verbracht haben?

    Auch sind schon Fälle bekannt geworden, in denen ganze Aktenberge in der Wohnung von Richtern gefunden wurden, die „nur mal kurz“ zur Bearbeitung mitgenommen worden waren. Gerade bei kleinen Amtsgerichten auf dem Lande scheint man sich noch der „Tradition“ verpflichtet zu fühlen, daß jeder Richter mit den Akten machen kann, was er will. Da erkennt man sommerliche Aktenbearbeitungen im Garten noch an Erdbeerkuchenresten zwischen den Blättern…

    Außerdem – ich kann hier nur von Hessen berichten – müssen Richter hier nicht nur ihre Mülleimer selbst leeren. Vielfach wird geklagt, daß Akten nicht mehr von Personal ins Richterzimmer gebracht und abgeholt werden, vielmehr die fast vollständige Einsparung nichtrichterlichen Personals das große Fernziel sei und Richter bitte doch zukünftig alles selber machen sollen. Ob das mit der Aktenkontrolle dann besser wird?

    Ein Richter sagte mir neulich: „Früher kam dreimal am Tag ein Wachtmeister, holte die bearbeiteten Akten ab und brachte mir neue. Dann kam er nur noch zweimal am Tag. Irgendwann nur noch einmal. Inzwischen muß ich meine Akten selbst holen und wegbringen.“

  20. 20
    w_p says:

    @RA Hermann: Wenn sich niemand beschwert, dann wird auch nicht erkannt, dass es ein Problem gibt. Vielleicht hat ihnen gerade ihre Geduld dieses Zustand eingebrockt. ;)