Dukatenvermehrungskarussell

684970_web_R_by_Uwe Wagschal_pixelio.deEine geniale Idee, die der Umsatzsteuergesetzgeber da hatte, sich mit dem Betrieb eines Karussell die Taschen vollzustopfen.

Eigentlich sind es ja keine Rundfahrten, richtiger wäre die Bezeichnung „Umsatzsteuerketten“. Egal, jedenfalls kann sich der Fiskus dumm und dusselig „verdienen“, wenn man ihn läßt. Und das funktioniert ganz einfach so:

Es gibt einen Unternehmer. Nennen wir ihn Wilhelm Brause. Er bekommt von Gottfried Gluffke eine Rechnung für eine Maschine, die aber gar nicht an Brause geliefert wird. Es ist eine Scheinrechnung, aber das weiß jetzt noch niemand.

I. Steuerrechtlich sieht das so aus:

1. Ausgaben für den Einkauf:

    100 Euro – Rechnungsbetrag Netto
    019 Euro – Umsatzssteuer
    119 Euro – Rechnungsbetrag Brutto

Weil er diese „Maschine“ für seinen Betrieb gekauft hat, kann Wilhelm Brause die Umsatzsteuer in Höhe von 19 Euro, die er an den Scheinlieferanten Gluffke gezahlt hat, als Vorsteuer vom Finanzamt zurück verlangen. Also: Er hat ein Vorsteuerguthaben in Höhe von 19 Euro.

Nun verkauft Brause die „Maschine“ wieder, und zwar an Bulli Bullmann. Diese Rechnung sieht genauso aus, nur anders rum:

2. Einnahmen für den Verkauf:

    100 Euro – Rechnungsbetrag Netto
    019 Euro – Umsatzssteuer
    119 Euro – Rechnungsbetrag Brutto

Brause muß von diesen Einnahmen die 19 Euro Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Er rechnet mit dem Fiskus ab:

3. Abrechnung / Umsatzsteuererklärung:

    19 Euro Umsatzsteuerzahllast
    19 Euro Vorsteuerguthaben
    00 Euro Ergebnis: Ausgeglichen

Brause hat fertig.

II. Jetzt kommt aber Vinzenz, der Verräter.
Der steckt der Finanzverwaltung, daß der ganze Handel ein Fake ist. Und nun passiert folgendes:

1. Abführen
Da Brause an Bullmann eine Rechnung mit Ausweis der Umsatzsteuer geschrieben hat, muß er diese Umsatzsteuer auch an das Finanzamt abführen. Daß diese Verkaufsrechnung nur scheinbar eine solche war, spielt für die Umsatzsteuerzahllast keine Rolle. Brause muß die 19 Euro an den Fiskus abführen. Basta.

2. Keine Erstattung
Anders sieht das mit der Einkaufsrechnung aus. Weil die falsch ist, hätte Brause die 19 Euro Vorsteuer nicht erstattet bekommen dürfen.

3. Abrechnung durch die Steuerfahndung:
19 Euro Umsatzsteuerzahllast
00 Euro Vorsteuerguthaben
19 Euro zu zahlen

Brause ist fertig. Mit den Nerven. Obwohl beide Rechnungen (Einkauf und Verkauf) falsch sind, fließt einmal die Steuer und das zweite mal fließt sie nicht.

III. Die Steuerfahndung sagt:
Der Finanzverwaltung ist ein Schaden entstanden. Und zwar in Höhe von 19 Euro. Weil Brause die Vorsteuer bekommen hat, obwohl er sie nicht hätte bekommen dürfen. Das versteht kein logisch denkender Mensch. Die 19 Euro, die Brause an das Finanzamt abgeführt hat, sollen außen vor bleiben, weil das ja gesetzlich so geregelt sei.

Wer Umsatzsteuer einnimmt, muß sie abführen. Wer Umsatzsteuer zahlt, obwohl er nicht zahlen gemußt hätte, bekommt sie nicht zurück.

IV. Nota bene
Der Gluffke hat die 19 Euro, die Brause an ihn gezahlt hat, brav an das Finanzamt abgeführt. Trotz Scheinrechnung. Und genau diese 19 Euro hat Brause gutgeschrieben bekommen. Ich sehe den Schaden nicht, den der Fiskus hier haben will.

V. Jetzt für Fortgeschrittene
GoldeselKommen wir nochmal zurück auf diesen Vinzenz. Der hat sich – sagen wir mal – im Januar 2013 bei der Finanzverwaltung beliebt gemacht. Und wie so Beamte eben sind, lassen die sich erstmal Zeit. Sagen wir mal bis Dezember 2013. Also 12 Monate lang bekommt der Finanzbeamte monatlich die Umsatzsteuervoranmeldung, die er in die auf der Fensterbank liegende Akte packt.

In diesen 12 Monaten hat das Trio Gluffke – Brause – Bullmann jeden Monat einmal eine unsichtbare Maschine an- und verkauft. Dann berechnet das Finanzamt einen Schaden in Höhe von 12 mal 19 ist gleich 228 Euro. Wenn der Finanzbeamte jetzt noch ein Sabbatical macht und dann erst im Dezember 2014 wieder an seinen Plastikschreibtisch zurück kehrt, hat der „Fiskalschaden“ sich durch schlichtes Nichtstun verdoppelt, also 456 Euro.

Genialer Trick, um mit Nichts, mit Garnichts, mit Überhauptnichts, aus schierer Luft den Staatshaushalt zu sanieren. Und zwar völlig legal.

VI. Der freie Lauf der Phantasie
Man stelle sich vor: Der Nettowert der „Maschine“ liegt im 6- oder 7-stelligen Bereich (Papier ist geduldig!). Es werden monatlich mehrere davon „verkauft“. Und weil eine Kette aus mehreren Gliedern besteht, verkauft Bullmann weiter an Mütterchen Mü, die wiederum vertickt die macchina invisibile an Frollein F. und so weiter. Auch am anderen Ende der Kette sind weitere An- und Verkäufe leicht vorstellbar.

So kommen dann schnell mal 3-stellige Millionenbeträge für die Statistik zusammen. Und für die Begründung von Gerichtsbeschlüssen, mit denen dann Kontenguthaben und sonstige Werte gepfändet und beschlagnahmt werden können.

VII. Berufliche Perspektiven

Manchmal frage ich mich angesichts solcher Möglichkeiten, warum ich eigentlich immer noch mein Geld als Strafverteidiger verdienen soll.

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Bild Karussell: Uwe Wagschal / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Steuerstrafrecht veröffentlicht.

21 Antworten auf Dukatenvermehrungskarussell

  1. 1
    at says:

    … und das alles nur weil die Damen und Herren selbstlos das Bruttosozialprodukt steigern wollten. Die Welt ist schlecht.

  2. 2
    Finanzamt Hoenig 2026 says:

    Das ist der Staat. Der darf das.

  3. 3
    Owe Jessen says:

    Warum schieben sich denn die Herren Rechnungen hin und her für Waren die nicht geliefert werden?

  4. 4
    Leser says:

    Das Ergebnis erscheint auch mir ungerecht. Es sprechen aber gute Gründe auch dafür, dieses Ergebnis hinzunehmen:
    – Wieso sollte es zu Gunsten des einen Steuerschuldners wirken, dass jemand anderes mehr Steuern gezahlt hat? Was würde passieren, wenn dieser andere bspw. insolvent ist – müsste der Staat sich den „Vorteil“ dann noch immer anrechnen lassen?
    – Ein Steuersystem muss m. E. v. a. für den Ehrlichen funktionieren. Dass es zu Seltsamkeiten, vielleicht auch zu Ungerechtigkeiten kommt, wenn man damit Schindluder betreibt, ist m. E. in einem gewissen Maß hinzunehmen. Eine Regelung zu schaffen, die für den „richtigen“ Gebrauch gerecht, verständlich und gut durchzuführen ist, ist schwierig genug. Muss der Gesetzgeber den Zusatzaufwand dafür investieren, die Regelung auch für den Fall von Scheinrechnungen gerecht zu machen?

    Ich halte es aber für nicht ausgeschlossen, mit diesem Fall mit einem Widerspruch oder vor Gericht noch etwas herauszuschlagen. Problematisch ist m. E., dass die Steuerhöhe in Prozenten auf einen fiktiven Betrag bemessen wird. Wenn sich ein paar Spaßvögel Scheinrechnungen über bspw. 10 Mrd. € zzgl. USt schreiben, ist das ruinös. Wenn jemand bei einem betrügerischen Grunderwerb zwei Mal Grunderwerbssteuer zahlen müsste, wäre das höhenmäßig begrenzt. Bei der USt. scheint es keine derartige Limitierung zu geben.

  5. 5
    Die andere Seite says:

    @ Owe Jessen

    Um die Betriebsausgaben zu erhöhen. So hat man dann weniger zu versteuernde Einkünfte. Irgendwie muss die Bilanz ja auf 0,- kommen.

  6. 6
    Die andere Seite says:

    @ Autor

    zu Punkt VII. Berufliche Perspektiven

    Ääh, was wäre denn Ihre Vorstellung?
    Vielleicht ein privates Finanzamt gründen?

  7. 7
    Laie says:

    Wie wäre es denn mit einer Rechnungsberichtigung nach § 14c Abs. 1 UStG? Brause berichtigt die Rechnungen ggü Bullmann. Wenn Bullmann die falsche Vorsteuer an das FA erstattet hat, bekommt auch Brause die falsche USt vom FA erstattet.

  8. 8
    Chak says:

    @Die andere Seite:
    Nein, der Hintergrund ist ein anderer, normalerweise funktioniert das Umsatzsteuerkarussel so, dass alle ihre Vorsteuer ziehen, aber dann einige nicht die Umsatzsteuer abführen weil sie entweder nicht aufzufinden sind, insolvent sind oder ohnehin nur zum Schein existieren.

    Angeblich sollen dadurch irrsinnige Summen ergaunert werden, was allerdings die Finanzverwaltung auch nur rechnerisch ermittelt hat.

    Deswegen gilt ja auch für einige vermeintlich einschlägige Branchen wie Altmetallhandel, Handel mit Mobiltelefonen und integrierten Schaltkreisen über 5.000 € § 13b UStG.

    Das Problem hier dürfte sein nachzuweisen, dass der Lieferant gutgläubig gehandelt hat. Das Finanzamt behauptet natürlich erstmal, alle in der Kette haben davon gewusst.

    Die Steuerfahndung geht ohnehin nach dem Prinzip vor, erst schießen, dann fragen.

  9. 9
    Owe Jessen says:

    @ Die andere Seite: Klar, vor allem innerhalb einer Gruppe zur Optimierung der Eigenmittelausstattung auf Ebene der Einzelunternehmen. Aber das geht doch mit Dienstleistungen eleganter („Beratungsleistungen“), da dürfte dann der Nachweis der fehlenden Lieferung schwerer sein.

  10. 10
    K75 S says:

    Das erinnert mich grad´ daran, dass ich mal nach einem Forum mit Steuerfachkundigen suchen wollte.

    Es muss nicht die macchina invisibile für 100,- € sein … eine (oder mehrere) sehr sichtbare Pfandflasche tut´s da auch.
    Im Zuge meiner Weihnachtseinkäufe ist mir aufgefallen, dass ich auf Flaschen- und Kastenpfand Märchensteuer zahlen muss – wenn ich die gleichen Flaschen aber im gleichen Supermarkt zurückgebe, erstattet mir der Leergutautomat aber lediglich die Nettobeträge.

    Meines Erachtens dürfte das ein recht lukrativer Schönheitsfehler im Haushalt unserer schwarzen Null sein.

  11. 11
    Thorsten says:

    Ist es bei einem typischen „Umsatzsteuerkarussell“ in der Regel nicht so, das eine umsatzsteuerpflichtige Partei alsbald insolvent ist und ihre Umsatzsteuerschuld nicht an den Staat bezahlen kann?

  12. 12
    Laie says:

    > Im Zuge meiner Weihnachtseinkäufe ist mir
    > aufgefallen, dass ich auf Flaschen- und
    > Kastenpfand Märchensteuer zahlen muss – wenn
    > ich die gleichen Flaschen aber im gleichen
    > Supermarkt zurückgebe, erstattet mir der
    > Leergutautomat aber lediglich die Nettobeträge.

    Das ist Quatsch. Auf dem Kassenzettel werden die 8ct / 25ct immer als BRUTTObetrag ausgewiesen. Beim Ankauf von Leergut mindert sich also die Umsatzsteuer des Händlers um 4ct (bei der 25ct Pfandflasche) bzw. beim Verkauf muss der 4ct Umsatzsteuer zahlen.

  13. 13
    Schmidt123 says:

    Braus, Gluffke und Bullmann sind echt arme Schweine. Und natürlich auch bedauernswerte Opfer eines Steuersystems, das sie durch Scheingeschäfte auszunutzen versuchen und das sich nun gegen sie wendet. Wirklich total ungerecht. Und auch unvorhersehbar. Böser Staat.

  14. 14
    meine5cent says:

    Ja ja, die bösen Finanzbeamten an ihren Plastikschreibtischen. Glauben dem V nicht gleich (oder vielleicht doch, prüfen seine Angaben aber vielleicht nach, damit hinterher keiner ankommt und behauptet, man habe auf eine bloße Denunziation hin ein erfolgreiches Unternehmen zerstört und Arbeitsplätze sowie Existenzen vernichtet).
    Und verhindern die weiteren Luftnummern nicht. Dabei hätten die Beteiligten auf einen kleinen Hinweis des Finanzamtes sofort gesagt: Tut mir sooooooo leid, mach ich bestimmt nie nie wieder (jedenfalls nicht mehr so, und dem V erzähl ich nichts mehr, damit er nicht petzen kann).
    Fehlt denn nicht noch in der oben beschriebenen Kette derjenige, der an Gluffke die Maschine als angeblich umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung berechnet hat und dass Gluffke die 19 €, die er Brause in Rechnung stellt, auch nicht ans Finanzamt zahlt?

  15. 15
    ReBeLL says:

    … und Ihre Grundschullehrerin hat Ihnen, werter Herr Hoenig, nicht beigebracht, da(s|ss|ß) zwischen Januar 2012 und Dezember 2013 nicht nur 12 sondern ganze 24 Monate liegen?

    • Fixed. crh
  16. 16
    Adam R. says:

    aber ReBeLL?
    Das ist wie das Rätsel mit dem Bücherwurm, der sich von der ersten bis zur letzten Seite eines mehrbändigen Lexikons frisst: Der ganze erste und der ganze letzte Band werden (bis auf je einen Buchdeckel) nicht mitgefressen.
    So liegen zwischen Jan12 und Dez13 auch nur 22 Monate :)

  17. 17
    Laie says:

    Wenn die Rechnung im Nachhinein nichtig wurde (weil beispielsweise die Ware von Gluffke an Brause nicht geliefert worden ist), erhält Unternehmer Brause doch von Lieferant Gluffke den vollen Brutto-Betrag (also inkl. Mehrwertsteuer; also 119 Euro) wieder zurück. Somit ist doch Unternehmer Brause kein Schaden entstanden.
    Würde Unternehmer Brause vom Finanzamt nochmal 19 Euro erhalten, würde er jetzt ja Gewinn machen.

    Also für Brause:
    100 Euro + 19 Euro MwSt. für die Ware an Gluffke gezahlt. Vorsteuer für den Verkauf an Bullmann in Höhe von 19 Euro beim Finanzamt geltend gemacht.
    Aufgrund der Rückerstattung hat Brause von Gluffke 119 Euro erhalten. Natürlich darf er dann nicht mehr die 19 Euro Vorsteuer geltend machen.

    Somit ist doch alles korrekt. Niemanden ist ein Schaden entstanden.

    @HerrHoenig: Hab ich in meiner Rechnung einen Fehler drin?

    Schaden entsteht Brause nur, wenn er die Ware teurer weiterverkauft (wie das allgemein so üblich ist). Bei eine Marge von ca. 20% also für etwa 140 Euro brutto. Dann ensteht Brause ein Schaden von etwa 4 Euro (19% der Differenz zwischen 140 Euro und 119 Euro).

    @Herr Hoenig: Ist auch diese Rechnung insoweit korrekt?

    Bin weder Anwalt noch Steuerberater, sondern Laie: Kann Brause hier vielleicht Schadensersatz von Gluffke fordern, der ursächlich für den entstandenen Schaden aufgrund des Scheingeschäfts ist?

  18. 18
    Die andere Seite says:

    Hmm, zu einem Scheingeschäft gehören aber schon zwei (mindestens). Und eigentlich sollten dann auch beide wissen, dass es sich um ein Scheingeschäft handelt.
    Ähnlich läuft es ja, wenn der Auftraggeber die Schwarzarbeit nicht zahlen will. Einklagen des geschuldeten Lohnes funktioniert nicht wirklich.

  19. 19
    Schwarzarbeiter says:

    @andere Seite:
    Das wäre aber noch ein interessanter Ansatz, den Auftraggeber der Schwarzarbeit doch noch zur Zahlung zu bewegen: Man droht ihm Anzeige beim Zoll an, denn Sozialbetrug hat er ja definitiv begangen (ist das schon Erpressung? Dann müsste man es mündlich und ohne Zeugen machen).

  20. 20
    Der wahre T1000 says:

    Seit wann ist der Staat/Fiskus fair? Das war er nie und wird er nie sein. Ist doch bei jeder Betriebsprüfung standard, dass der Unternehmer irgendeinen – ungerechtfertigten – Betrag zahlen soll, weil der Prüfer sonst kein „Mehrergebnis“ hat. Da wird dann fröhlich geschätzt und dem Unternehmer die Beweislast des Gegenteils auferlegt. Oder irgendeine andere unsinnige Sache hervorgezaubert. Die Varianten sind mannigfaltig.

    Fiskus = Staatliche legitimierte Verbrecher.

    Allerdings hält sich mein Mitleid für die Umsatzsteuerbtrüger auch in Grenzen. Die wollten bescheissen und werden nun selbst beschissen. So ist halt das Leben.

  21. 21
    Die andere Seite says:

    @Schwarzarbeiter
    Tja, dummerweise sind die Arbeitnehmer in der geschilderten Konstellation meist Transferleistungsempfänger. Da neigt man nicht zum petzen.