Es gehört zu den Kern-Aufgaben eines Richters, einem Angeklagten in den Fällen der „notwendigen Verteidigung“ einen Pflichtverteidiger zu bestellen, § 141 StPO. Wenn der Angeklagte keinen Verteidiger „vorschlägt“, darf der Richter sich aus dem Pool der zugelassenen Verteidiger jemanden aussuchen.
Diese Auswahl unterliegt der richterlichen Unabhängigkeit, Art. 97 GG. Böse Zungen behaupten, daß manche Richter sich dabei solcher Verteidiger bedienen, die ihnen am wenigsten Stress machen. Noch schlimmere Stimmen reden davon, daß manche Verteidiger sich bei dieser Sorte Richter dadurch beliebt machen, daß sie ihnen überhaupt keinen Stress machen.
Ein weiteres Entscheidungskriterium sind die Kosten, die die Bestellung eines Pflichtverteidigers zur Folge haben werden.
Wer oder was bleibt bei dieser Art des Auswahlverfahrens auf der Strecke? Richtig: Der Angeklagte, seine Rechte und das rechtstaatliche Verfahren.
Daß es auch (und hoffentlich in der Regel) anders geht, zeigt dieser Beschluß des Amtsgerichts Braunschweig:
Entscheidend für diese Auswahl war der Wohnsitz des Angeklagten: Berlin. Und nicht der Sitz des Gerichts: Braunschweig. Unter Kostengesichtspunkten wäre die Bestellung eines Verteidigers aus Braunschweig sicher die günstigere Variante Auswahl gewesen.
Aber der Richter vertrat die zutreffende Ansicht, daß die Verteidigung sich besser vorbereiten kann, wenn der Weg des Angeklagten zu seinem Verteidiger möglichst kurz ist.
Ich kenne den Richter nicht. Er mich auch nicht. Jedenfalls nicht persönlich. Vielleicht hat er sich über mich erkundigt, hier auf der Website, im Kreise seiner Kollegen, auf irgendwelchen Listen … ich weiß es nicht.
Jedenfalls wird er ganz bestimmt nicht davon ausgehen, daß ich zu den stressvermeidenden Verurteilungsbegleitern gehöre. Er wird sicherlich meine Ansicht teilen und erwarten, daß ich solides Handwerk abliefere, wenn ich die Interessen meines Mandanten verteidige.
Oder kann es sein, daß in Braunschweig ausschließlich Krawallverteidiger sitzen und der Richter Krawall vermeiden möchte? Ach nein, das kann’s eigenlich nicht sein. In Braunschweig sitzt mindestens ein Verteidiger, der auch bei den Richtern einen ganz hervorragenden Ruf genießt, auch wenn (oder weil?) er manchmal im Gerichtssaal herumpoltert.
Ich freue mich jedenfalls, wenn ich nach dem Termin in der Kanzlei von Rechtsanwalt Werner Siebers einen Kaffee trinken kann, bevor ich wieder zurück nach Kreuzberg, in den Krawallbezirk Berlins, fahren werde.
RSS-Reader sind manchmal für Überraschungen gut. Aha … Pflichtverteidigung … Ode an den engagierten Verteidiger … OK … Braunschweig … Klar … Beschluß … wo steht denn da Siebers … Hä? Hoenig? … *nach oben scroll* … Ah! Hoenig!
Sachen gibt’s …
Vielleicht hat der werte Herr Kollege Kantholz sie empfohlen?
Wie sieht das eigentlich praktisch aus – ruft der Richter vorher kurz an, ob man eigentlich noch Kapazitäten hat, oder landet einfach der Beschluss im Postkasten?
Allerdings hatte ich kürzlich auch einen Fall, in dem mir eine Pflichtverteidigung gegen meinen ausdrücklichen Willen aufgedrückt wurde; das hat der Richter am Ende bitter bereut und macht das nie wieder mit einem Verteidiger. crh
Vielleicht hat er einfach keine Lust, Revisionsgründe zu schaffen?
@crh: Was bedeutet Pflichtverteidigung „aufgedrückt“? Können Sie als Anwalt ein Pflichtmandat nicht einfach ggf. grundlos ablehnen?
SturkopfRichter dann aber auch, wenn es das Mandanteninteresse zuläßt.) crhDetails bitte! DETAILS!! – die Lesermeute ist sicherlich genau so neugierig wie ich ;)
(Wobei ich vermute, dass das eher etwas für einen eigenen Blogpost wäre)
Mal ehrlich: Kann es sein, dass es in diesem Beitrag vor allem darum geht, die beiden Anwälte zu erwähnen und ihre Webseiten zu verlinken?
Dass das Gericht in der Konstellation den Berliner Wunschverteidiger bestellen muss und nicht einen ortsansässigen Anwalt aus Braunschweig, ist doch eigentlich klar, und ich denke auch, dass die meisten Gerichte das so handhaben würden. Deshalb sehe ich nicht so recht, warum diese Geschichte einen eigenen Blogbeitrag bekommt…
Oh, Moment: Nach nochmaligem Lesen scheint es so, dass der Mandant gar keinen Wunschanwalt benannt hat und der Richter von allein auf die Idee gekommen ist, einen Berliner Anwalt zu nehmen. Dann wäre die Geschichte allerdings einen Blogbeitrag wert, und ich würde alles zurücknehmen…
Es ist mir völlig Brause, ob Du meinst, daß meine Blogbeiträge wertlos sind oder nicht. Ich schreibe nämlich nicht für solche Trolls wie Dich, sondern weil es mir Spaß macht. Und wenn Dir irgendwas hier nicht gefällt, gibt es eine ganz einfache Möglichkeit: Hau ab ins Heiseforum oder zu Frag-einen-Anwalt, da ist bestimmt was Passendes für Dich dabei.
Mann, was gibt es doch manchmal für intellektuelle Restrampen!
crh
Dann das nächste Mal halt wieder einen Urteilsbegleiter.
@ Harald:
Zutreffend erkannt. Bestellt der Richter einen Urteilsbegleiter, wird gemault. Bestellt der Richter einen „engagierten Strafverteidiger“, der natürlich – wegen seiner Qualität – einen vollen Terminkalender hat, wird auch gemault.
Diese Probleme wird man auch durch die immer wieder ins Spiel gebrachte Idee, den Pflichtverteidiger durch Anwaltskollegen bestellen zu lassen, nicht in den Griff bekommen.