Fahrerlaubnisentzug für Radfahrer

638177_web_R_by_Jens Märker_pixelio.deDas Juris Rechtsportal berichtet über den (Un-)Fall eines betrunkenen Radfahrers, der vor dem VG Neustadt (Weinstraße) am 01.12.2014 (3 L 941/14.NW) verhandelt entschieden wurde.

Zwei Radfahrer, die in einer Gruppe nebeneinander fuhren, berührten sich; es kam zum Sturz. Einer der Beiden hatte eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,02 ‰.

1. Strafrecht
Betrunkene Fahrradfahrer sind auch Verkehrsteilnehmer, deswegen gibt es zunächst einen Strafbefehl wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung. Nach einem Einspruch stellte das Amtsgericht das Strafverfahren gegen Zahlung von 500 Euro ein. Strafrechtliche Maßnahmen in Richtung der Fahrerlaubnis waren kein Thema.

2. Verwaltungsrecht
Dann trat die Fahrerlaubnisbehörde auf den Plan. Sie ordnete die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPG oder Idiotentest) über die Fahrtauglichkeit an. Das schaffte oder wollte der Radfahrer nicht. Also reagierte der Amtmann:

  • Entziehung der Fahrerlaubnis (für Kraftfahrzeuge) und
  • Untersagung des Führens von Fahrrädern.

Staubtrocken, wie die Verwaltungsrichter nun mal sind, urteilen sie: Die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Untersagung des Führens von Fahrrädern sei offensichtlich (!!) rechtmäßig.

Da eine festgestellte BAK von 1,6‰ oder mehr den Verdacht eines die Fahreignung ausschließenden Alkoholmissbrauchs begründe, müsse schon aus Gründen der Gefahrenabwehr den Eignungszweifeln nachgegangen werden, gleichgültig welches Fahrzeug geführt worden sei.

beschreiben die Juris-Portalisten die (nicht rechtskräftige) Entscheidung des Verwaltungsgerichts

3. Ein interessantes Signal
Es hat sich ‚rumgesprochen, daß Alkohol und Autofahren nicht kompatibel sind. Vorsichtige Fahrerlaubnisinhaber verzichten also auf’s Autofahren nach dem Biertrinken und fahren mit dem Fahrrad nach Hause. Wenn das besoffene Radfahren aber auch zum Entzug der Fahrerlaubnis führt, kann man sich aber auch gleich ins Auto setzen. Oder?

4. Überwachung?
Mir stellt sich dann aber noch eine weitere Frage: Wie will die Behörde das Fahrradfahrverbot überwachen? Zum Beispiel in Kreuzberg … Ich würde mir ein Ei pellen auf so einen Unsinn.

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Bild: Jens Märker / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Fahrerlaubnisrecht, Verkehrs-Strafrecht veröffentlicht.

19 Antworten auf Fahrerlaubnisentzug für Radfahrer

  1. 1
    Sebastian says:

    Zu 3) Mit dem Unterschied das man nicht in Kamikaze-Manier mit 1,5 Tonnen Stahl unterm Hintern unterwegs ist und alles niedermäht was nicht bei drei auf dem Baum ist

  2. 2
    Hauke says:

    Die „Überwachung“ des Fahrverbots erfolgt analog zur Fahrerlaubnis: Bei der nächsten Verkehrskontrolle ist der Biker fällig. Zudem wird es unangenehm, wenn der mit Fahrverbot belegte Biker einen Unfall verursacht. Dann wird das gepellte Ei richtig teuer.

  3. 3
    RA MR says:

    Im Verwaltungsrecht ist alles (zu Ungunsten) des Betroffenen möglich: Entziehung der FE jahrelang nach Erreichen von 18/ 8 Punkten dank des Tattagprinzips oder auch das blödsinnige Radfahrverbot. Erklären kann man das niemandem- die Verwaltungsrichter können die Akte ja auch nach der Verhandlung schließen und müssen sich auf dem Gerichtsflur nicht den Fragen der Familienangehörigen stellen….

  4. 4
    klausi says:

    das mit dem entziehen der fahrlaubnis (bei trunkenheit am fahrradsteuer) habe ich schon häufiger gelesen und kann es nach wie vor nicht nachvollziehen

    wenn jemand betrunken fahrrad fährt, sagt das doch noch lange nichts über seine qualitäten als autofahrer aus. erst recht nicht, wenn er in dieser hinsicht noch nie auffällig wurde. ich heiße das fahrradfahren unter alkoholeinfluss nicht gut, aber führerscheinentzug geht mir dann doch zu weit und erst recht die MPU

  5. 5
    bambino says:

    Ist denn Fahrradfahren unter Alkoholeinfluss weniger gefährlich als das Führen von Kraftfahrzeugen? Falls nein, verstehe ich die Aufregung nicht.

  6. 6
    Jan says:

    /Sarkasmus an
    Ein Fahrradfahrer ist Verkehrsteilnehmer genau wie Autofahrer und Fußgänger. Somit wäre auch ein Entzug der Fahrerlaubnis für Fußgänger, die durch ihre Gangweise auffällig sind, denkbar.

    Man könnte auch einen Schritt weiter gehen: Alleine die Möglichkeit das jemand irgendwo alkoholisiert am Straßenverkehr teilnimmt kann mit Entzug der Fahrerlaubnis (inklusive Teilnahme am Straßenverkehr) geahndet werden. (Wer kennt es noch?)
    /Sarkasmus aus

  7. 7
    Mitleser says:

    @crh: selbst in Kreuzberg braucht es nur missgünstige Mitmenschen, die denunzieren (hier würde ich es dann wirklich so nennen!), auf dem Dorf (Raum Neustadt) ‚kennt Jeder Jeden‘.
    @bambino: Für den Fahrer ist evt. das Auto ungefährlicher, für alle Anderen definitiv das Fahrrad (reine Versicherungsmathematik: Schaden == Schadenswahrscheinlichkeit * Schadenshöhe).

    Die Diskussion, ob man nicht besser besoffen Auto als Fahrrad fahren sollte gibt es m.W. gleichermassen für andere Drogen (insb. Hanf): Da sind doch auch schon Führerscheine entzogen worden, obwohl man nicht Auto fuhr – besonders ‚gefährlich‘ (bzgl. Entzug): Mischkonsum Hanf/Alk oder Hanf/irgendwas.

  8. 8
    Der wahre T1000 says:

    Mal ganz pragmatisch: wenn der Führerschein schon weg ist, was wollen die denn machen, wenn man dann trotz Verbot mit dem Fahrrad fährt? Bußgeld?

    Mit der gleichen Begründung „nimmt am Verkehr teil“ dürfte man im Übrigen auch nicht mehr über den Bürgersteig nach Hause marschieren, sondern müsste an Ort und Stelle übernachten. Ansonsten ist man Verkehrsteilonehmer und der Führerschein ist weg…

  9. 9
    Mitleser says:

    @T1000: Ja, Bussgeld, ansteigend bis Haft (gab’s AFAIR sogar schon für Schwarzfahren im ÖNV oder nicht-zahlen von Parkbussen), hier natürlich zzgl. Einziehung des jeweiligen Gefährts (wenn ich raten müsste: ohne Anrechnung des Verwertungsgewinns auf die Busse/Strafe).

  10. 10
    Klausinger says:

    Leute, man kann in D als Fahrgast im Taxi sitzen. Und weil man ein halbes Gramm Hanf dabei hat wird einem dafür der Führerschein abgenommen.

  11. 11
    gerd5 says:

    Ein gutes neues Jahr für die Strafverteidigung und
    die Leser.
    http://www.heise.de/tp/news/Wer-1-6-Promille-Alkohol-im-Blut-hat-gehoert-nicht-auf-ein-Fahrrad-2008079.html
    1,6 Fahrrad = 1,1 Pkw ( Fahrverbot + MPU) – noch -.

  12. 12
    K75 S says:

    Mein Lieber Schwan … wat hat Zensursula für ein Glück, dass die Bundeswehr eine eigene Polizei hat.

    Anderenfalls würde der strikte Entzug der FE nach Alkoholkonsum dort für mächtig viele Fußgänger sorgen. In Bayern müssten vermutlich gar komplette Standorte geschlossen werden (oder auf Maultiere und Pferde umsteigen).

    Okay, Luftwaffe und Marine wären nur periphär betroffen.

    Eine Alternative zu FE-Entzug und MPU bleibt aber immer noch ein Ministerposten. Z.B. als Justizminister in Niedersachsen? http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Fotostrecken-Politik/Erwischt-Prominente-Politiker-mit-Alkohol-am-Steuer#p1

  13. 13
    RA Ullrich says:

    Ich habe eigentlich nie verstanden, warum die Gerichte mit volltrunkenen Fahrradfahrern in Punkto Fahrerlaubnis so lax umgehen. Im Gesetz steht das Gegenteil, bei Trunkenheitsfahrt ist in der Regel mangels Fahreignung der Führerschein zu entziehen (§ 69 II Nr. 2 StGB), da wird nicht nach Fahrzeugart differenziert. Allein die Tatsache, dass der Fahrerlaubnisinhaber „nur“ ein Fahrrad geführt hat, da als atypischen Ausnahmefall zu werten, ist gefahrenprognostisch völliger Blödsinn. Wer es fertigbringt, sich mit 1,6 + Promille überhaupt noch auf einem Fahrrad zu halten, hat nach medizinischem Erfahrungswissen meist ein erhebliches Alkoholproblem. Die Annahme, dass der auch weiterhin so verantwortungsvoll sein wird, im volltrunkenen Zustand zumindest das Auto stehen zu lassen, ist blauäugig. De Facto ist es nur eine Belohnung dafür, dass das weniger fremdgefährdende Fahrzeug verwendet wurde. Mit der eigentlich von Gesetzes wegen entscheidenden physischen und psychischen Eignung zum Führen von Fahrzeugen hat das herzlich wenig zu tun.

    Das Fahrradfahrverbot ist allerdings in der Tat ein eher zahnloser Tiger, denn ein Verstoß dagegen ist eben „nur“ eine OWI, keine neue Straftat und die Wahrscheinlichkeit aufzufallen ist wesentlich geringer (Fahrräder werden nicht zufällig von Blitzern fotografiert, der missgünstige Nachbar muss erstmal wissen, dass der Betroffene auch kein Fahrrad fahren darf).

    Was folgern wir Verteidiger aber nur aus dem Urteil des VG Neustadt: Bei Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad eher nicht über 153a reden, sondern auf einen moderaten Strafbefehl ohne 69 hinwirken, in dem zur Fahreignung ein Satz drinsteht. Wenn das Strafgericht sich mit der Frage der Fahreignung befasst und sie im Urteil bejaht hat, bindet das nämlich die Fahrerlaubnisbehörde (§ 3 IV StVG)!

  14. 14
    Doktorand says:

    @RA Ullrich: § 69 StGB greift nur bei einer Straftat, die „bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeug oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen“ begangen wurde (Abs. 1 Satz 1 am Anfang). Da ein Radfahrer kein KFZ führt und folglich auch nicht die Pflichten eines KFZ-Führers verletzen kann, ist ein strafrechtlicher Fahrerlaubnisentzug somit nicht möglich und das Strafgericht hat sich somit auch nicht mit der Frage der Fahreignung zu befassen. Ein Strafbefehl/Urteil, in dem § 69 StGB Erwähnung findet, ist damit in jedem Fall fehlerhaft.

    Im übrigen stellt die Entscheidung des VG Neustadt a.d. Weinstraße keine Neuigkeit dar. Ein vergleichbarer Fall wurde bereits vor anderthalb Jahren durch das BVerwG behandelt, Beschluss vom 20. Juni 2013, Az. 3 B 102/12: „Das Fahrradfahren im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr rechtfertigt nach § 3 Abs. 2 i.V.m § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten über die Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge beizubringen.“ Wird das Gutachten nicht beigebracht, erfolgt das Fahrradverbot.

    Insbesondere im süddeutschen Raum erfreuen sich Fahrradverbote seit einigen Jahren wachsender Beliebtheit. Woanders wird das (noch?) gar nicht oder selten praktiziert, bspw in der „Fahrradstadt“ Münster, erfolgt das Verbot erst nach der zweiten Trunkenheitsfahrt (siehe http://www.wn.de/Muenster/2012/03/Stadt-Muenster-untersagt-Fahrradfahren-Alkoholsuender-muessen-zu-Fuss-gehen wenngleich auf dem zweifelhaften Wege einer ordnungsrechtlichen Verfügung mit Zwangsgeldandrohung, für die – da nach TBNR 20300 Bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog KBA das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge mit einem Bußgeld von 25 Euro bedroht ist – wohl kein Raum bestehen dürfte).

  15. 15
    Thomas R. says:

    @RA Ullrich
    „Wer es fertigbringt, sich mit 1,6 + Promille überhaupt noch auf einem Fahrrad zu halten, hat nach medizinischem Erfahrungswissen meist ein erhebliches Alkoholproblem. “

    Diese häufig angetroffene Argumentation empfinde ich als hochgradig rabulistisch. Sie versuchen, das zu sanktionierende Verhalten von „Fahrzeug führen unter Alkohol“ auf „Alkohol trinken, ohne ohnmächtig zu werden“ vorzuverlagern. Wenn Sie jedem, der für sie offenbar fremdartige Trinkgewohnheiten hat, gleich ein Alkoholproblem unterstellen, verkennen Sie auf dramatische Weise die Tragweite echter Alkoholabhängigkeit.

  16. 16
    Der wahre T1000 says:

    Ich bin erst seit kurzem ein trockner Alkoholiker. Meine Leberwerte würden keine MPU überstehen – wahrscheinlich erst in einem Jahr oder zwei. Gleichwohl bin ich in den all den Jahren NIE gefahren, wenn ich Alkohol getrunken habe. Nichtmal mit nur einem Bier. In 14 Jahren habe ich genau einen Punkt (wegen Speeding) bekommen.

    Die Verallgemeinerung „wer viel säuft oder gelegentlich kifft“ würde eine mangelnde Eignung zum Führen von Kfz begründen, ist m.E. total falsch. Nur wer berauscht fährt gefährdet Dritte und sich selbst.

    Nur um es klar zu sagen: wer mit Drogen (egal welchen) Auto fährt, dem gehört wirklich der Führerschein entzogen. Das ist offensichtlich.

    Inzwischen wird der Führerscheinentzug jedoch oft genutzt, um jemanden zu Maßregeln oder zu bestrafen, dem man anders nicht beikommt. Die sozialen Folgen sind drastisch. Die Verwaltung wird zum Strafrichter.

  17. 17
    Alki-Trainee says:

    @T1000:
    Glückwunsch, ehrlich!
    Denkfehler in der Argumentation(?): Hier geht es eben genau um das Führen von Fahrzeugen unter hohem Alkoholeinfluss. Siehe dazu auch …

    @Thomas R.:
    „Wer es fertigbringt, sich mit 1,6 + Promille überhaupt noch auf einem Fahrrad zu halten, hat nach medizinischem Erfahrungswissen meist ein erhebliches Alkoholproblem. “ stimmt exakt so, wie es da steht. Ich selbst bin hochgradig alkoholgewöhnt und habe mich trotzdem just letztes Jahr 2x böse mit dem Fahrrad hingelegt (mit rechnerisch 1.5-2 o/oo) . Ich konnte schon noch fahren, nur bei Ausweichmanövern war dann eben Ende.
    Mit 25 fuhr ich in ähnlichem Zustand noch echte Schlangenlinien.

  18. 18
    Marco says:

    Das ist übrigens (zumindest offenbar in der Pfalz ;-)) kein ganz exotisches Thema:
    Das OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 17. August 2012, Aktenzeichen: 10 A 10284/12.OVG – Vorinstanz VG Neustadt an der Weinstraße) hat ein entsprechendes Urteil bereits bestätigt und auch in jüngerer Vergangenheit hat das VG bereits in einem Eilverfahren gleichlautend entschieden (Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 8. August 2014 – 3 L 636/14.NW).

    Interessant ist in der Tat Punkt 4 des Blogbeitrags, der aber in ländlichen Gebieten wohl tatsächlich eher eine Gefahr ist, weil jeder jeden kennt.

    Zu Punkt 3: Ich halte das Signal sogar noch für schlimmer.

    Wenn das besoffene Radfahren aber auch zum Entzug der Fahrerlaubnis führt, kann man sich aber auch gleich ins Auto setzen. Oder?

    Nein, sogar: Wenn das besoffene Autofahren zum Entzug der Fahrerlaubnis führt, das besoffene Radfahren aber zum Entzug der Fahrerlaubnis UND einem Verbot Fahrrad zu fahren, dann fahre ich doch LIEBER mit dem Auto, habe weniger zu verlieren…

  19. 19
    Pascal says:

    Gibts denn vergleichbare Fälle auch bei Fußgängern? Inklusive Gehverbot?