Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger und der Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein bieten heute eine besondere dreistündige Fortbildung an:
Entschädigung für rechtswidrige Haft nach Art. 5 Abs. 5 EMRK –
eine von Strafverteidigern nahezu ungenutzte Möglichkeit
Heute, am Donnerstag, den 4. Juni 2015 um 19.00 Uhr, in der Humboldt-Universität Berlin, Hörsaal 1072 im Hauptgebäude, Unter den Linden 6, 10117 Berlin
Aus dem Veranstaltungsflyer (pdf):
Die Hamburger Strafverteidigerin Dr. Iris-Maria Killinger wird zum Thema „Haftentschädigung für rechtswidrige Untersuchungshaft nach Art. 5 Abs. 5 EMRK“ vortragen. Die Referentin wird darlegen, dass Art. 5 Abs. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention das deutsche Haftentschädigungsrecht maßgeblich beeinflusst. Rechtswidrig inhaftierten Untersuchungsgefangenen stehen leicht durchsetzbare Haftentschädigungsansprüche zur Verfügung, die unabhängig vom BGB und vom StrEG sind. Diese Rechtslage wird vom Gesetzgeber seit Jahrzehnten bewusst ignoriert und die Praxis hat die Sprengkraft von Art. 5 Abs. 5 EMRK bislang nicht erkannt. Der Staat spart hierdurch jährlich Haftentschädigungen in Millionenhöhe! Der Vortrag behandelt die völker- und materiellrechtlichen Grundlagen und setzt einen Schwerpunkt auf die persönlichen Haftungsrisiken der beteiligten Justizorgane sowie der beteiligten Strafverteidiger.
Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung per E-Mail: info@strafverteidiger-berlin.de oder Fax: 030/347 812 66 erbeten.
Diese Ansprüche bestehen aber nur bei „Verletzung“ des Art. 5 EMRK. Nicht jede im Ergebnis unbegründete (U-) Haft ist auch rechtswidrig im Sinne der Norm. Jemand kann ja materiell zu Unrecht, aber formell trotzdem rechtmäßig in Haft gewesen sein. Der Staat wird natürlich argumentieren, daß auch ein z.B. vom OLG aufgehobener Haftbefehl dennoch ursprünglich „rechtmäßig“ war. Gleiches gilt, wenn im Wiederaufnahmeverfahren jemand freigesprochen wird, der somit unschuldig Strafhaft verbüßt hat. Dennoch war diese Strafhaft ursprünglich rechtmäßig (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage, Art. 5 MRK Rn. 14).
Auf Schadensersatz nach dieser Norm kann man also nur bei wirklich krassen Rechtsverstößen hoffen. Wer schon einmal versucht hat, Staatshaftungsansprüche vor einem Zivilgericht durchzusetzen und erfahren hat, wie staatsfreundlich die entsprechenden Kammern urteilen, wird alle Hoffnung fahren lassen, zumal die allermeisten Inhaftierten einen konkreten Schaden nicht hinreichend nachweisen können.
Spannend ist aber auch die Haftungsfrage: Wie werden die Zivilgerichte urteilen, wenn ein (ehemaliger) Mandant reklamiert, daß sein (ehemaliger) Verteidiger ihn nicht auf die Möglichkeiten hingewiesen habe und ihm dadurch ein Schaden entstanden sei.
Hauen Sie die Norm nicht gleich in die Tonne. Ich denke jedenfalls mal intensiver darüber nach. Da steckt echtes Beratungspotential drin. Auch hinsichtlich bereits abgeschlossener Verfahren (Stichwort: Verjährung). Das ist ein fast völlig neu zu bestellende Feld …
crh