Der Pflichtverteidiger wird nach festen Gebührensätzen entlohnt. Hier mal ein Rechenbeispiel, das mir bei der Lektüre eines Beitrags des Kollegen Detlef Burhoff in den Sinn gekommen ist.
Es finden Hauptverhandlungstermine vor der Strafkammer beim Landgericht statt – also der Standardfall einer Pflichtverteidigung.
Dafür bekommt der Pflichtverteidiger eine Vergütung in Höhe von 256 Euro (RVG VV 4114), wenn von 09:00 bis 14:00 Uhr verhandelt wird. Geht es nach der Mittagspause weiter, also bis 17:00 Uhr gibt es nochmal einen Zuschlag (RVG VV 4116) in Höhe von 128,00 Euro, also insgesamt 384 Euro. Auf die Stunde runtergerechnet sind das 48 Euro.
Unberücksichtigt sind bei dieser Beispielrechnung die Vor- und Nachbereitung der Hauptverhandlungstermine, die Zeit für Mandantengespräche und der sonstiger Zeitaufwand, die jedoch mit dieser pauschalen Gebühr als abgegolten gelten.
Dieser Stundenlohn ist die Gegenleistung für die Arbeit des Verteidigers eines Mandanten, bei dem es – nach Vorstellung der Staatsanwaltschaft – in der Regel um eine Freiheitsstrafe von mehr als 4 bis zu 15 Jahren geht.
Ganz zu Schweigen von den Büro- und sonstigen Kosten, die hierbei noch gar nicht erfasst sind.
Wenn ich den Stundenlohn meiner KFZ-Werkstatt vorschlage, lachen die mich aus…
Es wäre interessanter, zu wissen, wie viel Sie in einem solchen Verfahren insgesamt abrechnen und welchen Zeitaufwand Sie dafür durchschnittlich investieren. Und unter dem Stichwort „Mischkalkulation“ natürlich auch in den Verfahren, in denen es überhaupt nicht zu einem Gerichtstermin kommt, in denen es in mehreren Verfahren aufgrund von Verbindung nur zu einem Gerichtstermin kommt, in denen die Hauptverhandlung bereits nach fünf Minuten endet (Stichwort: § 154 StPO)…
Ich will nicht sagen, dass Pflichtverteidiger übermäßig alimentiert werden. Aber ich denke, dass es wenig aussagekräftig ist, das ganze alleine an der 4114-Gebühr festzumachen.
Sonderopfer :-)
Ich kenne mich mit Anwaltsgebühren überhaupt nicht aus. Daher bitte ich die folgende (Insidern vielleicht etwas simpel erscheinende) Frage zu entschuldigen, die da lautet:
Wie hoch ist die Vergütung des Pflichtverteidigers, wenn der Verhandlungstermin schon nach ein bis zwei Stunden endet? Dies ist ja beispielsweise der Fall, wenn über Befangenheits- oder Beweisanträge beraten werden muss.
Beste Grüße.
Ich wurde mal in der Notaufnahme 30min ambulant behandelt. 2 Ärzte eine Krankenschwreester. Hat mich weniger gekostet als meine Werkstatt für eine Stunde Arbeit verlangt.
Da stimmt doch einfach etwas nicht,
Ich würde sagen:
Advantage Redakteurin ????
Gerd
Irgendwie meinte ich mich gerade verschiedener Beiträge diverser bloggender Strafverteidiger zu erinnern, die voller Stolz die Photos ihrer schicken Kanzleien herzeigen und sich über das Linoleum-Resopal-Ambiente in den Richterdienstzimmern belustigen. Muss dann aber wohl ein Irrtum gewesen sein, denn auf ehrlichem Wege verdienen kann man das bei diesen mickrigen Vergütungssätzen ja wirklich nicht.
Meine Mercedes-Werkstatt nimmt 108,- plus Märchensteuer pro Stunde. Ich würde wetten in 90% der Fälle schraubt da nur ein Azubi oder Geselle dran rum. So gesehen ist ein Pflichtverteidiger wohl eher unterbezahlt.
Auf der anderen Seite kenne ich genügend Anwälte, die einen Porsche fahren und sich über die Einkünfte der Richter lustig machen.
Scheint also nicht nur Honorare für Pflichtverteidigung zu geben. Insofern hält sich mein Mitleid in Grenzen. Es scheint bei Anwälten zum Geschäft zu gehören, dass man über seine Armut jammert.
Na ja, jammern gehört zum Geschäft.
Andererseits ist der Pflichtverteidiger,der nur von
diesen Mandaten leben muss vielleicht auch nicht die beste Wahl. Immer wieder erlebe ich, daß Beschuldigte zum rechtlichen Gehör in Begleitung eines Anwalts erscheinen, der sie vielleicht halbwegs unfallfrei durch ihre Scheidung begleitet haben mag, aber leider von Arbeits-, Sozial-, geschweige denn von Strafrecht keine Ahnung hat. Liegt natürlich in erster Linie am Mandaten, aber der Anwalt hat auch keine Hemmungen dies Mandat anzunehmen.
Was hat denn der Porsche oder die Ausstattung des Büros damit zu tun? Ihnen ist schon klar, dass es auch andere Mandanten / Fälle als die der *Pflicht*verteidigung gibt, oder?
Es ist in einem Rechtsstaat notwendig, dass jedem eine angemessene Verteidigung ermöglicht wird. Wer soll das also bezahlen? Hier jemanden / eine einzelne Berufsgruppe herauszupicken wäre natürlich falsch, das ist die Verpflichtung der Allgemeinheit. Falls (Konjunktiv!) der Staat hier also insgesamt (!) tatsächlich so niedrig zählt, dann ist das falsch.
Richtig ist allerdings, dass es falsch ist, hier einfach nur einen einzelnen Punkt der Abrechnung herauszupicken. Es kommt auf die Gesamtrechnung an. Daher meine Bitte an Herrn Hoenig: Einmal bitte die geleisteten Stunden für alle Fälle von Pflichtverteidigung des letzten Jahres nehmen, dazu der Gesamtumsatz für diese Fälle (abzgl. direkter(!) und nicht erstatteter Kosten wie z. B. Fahrtkosten) und eins durch das andere Teilen. Dann haben wir einen Aussagekräftigen Wert und können weiter diskutieren (natürlich auch, dass Umsatz nicht gleich Gewinn ist und noch weitere indirekte Kosten davon gedeckt werden müssen) .
Es ist aber auch nicht Sinn und Zweck, das ein Mandat eines „Privatkunden“ die Pflichtverteidigung eines Anderen subventionieren muß.
Der Hinweis auf die Mischkalkulation ist ja grundsätzlich nicht falsch. Trotzdem muss man sich – diese eben im Hinterkopf – fragen, ob die Gebühren angemessen sind, weil eben regelmäßig weitere Arbeit und sonstige Kosten anfallen, die von der Länge der Hauptverhandlung grundsätzlich unabhängig sind.
Das mag aber eben auch die Struktur des RVG sein, die in zivilrechtlichen gerichtlichen Streitigkeiten noch deutlicher wird. Dort wird nach dem Streitwert abgerechnet. Und ist eben eine 1.000 €-Klage mit einem komplizierten Sachverhalt, deren Schriftsätze und Unterlagen einen ganzen Ordner füllen, eben eine Art GAU, weil man dafür (für das gesamte Gerichtsverfahren) 220,00 € netto bekommt. Ein Glückfall ist es dann, wenn der Anwalt dann einen Rechtsstreit mit einem Streitwert von 100.000 € führen darf, der – bei möglicherweise gleichem oder sogar geringerem Aufwand – 3.777,50 € netto bringt.
Eine Mischkalkulation ist nunmal eine Mischkalkulation. Sie muss allerdings im Schnitt (nur welcher ist das genau?) fair und gerecht sein.
Der Pflichtverteidiger sollte sowieso nicht Vergleichsmaßstab sein. In anderen Ländern bekommt man den auch nur vom Staat bezahlt, wenn einen Anwalt nicht bezahlen kann.
Mit dem Wahlverteidigern kann der Mandant ein höheres Honorar vereinbaren.
Fantastisch, wie viele am eigentlichen Problem vorbeisurfen…
1. Frage: Wie viele Verteidiger sind bereit, in eine Pflichtverteidigung den gleichen Aufwand zu stecken wie in eine Wahlverteidigung?
2. Frage: Wenn die Gefahr besteht, dass ein Pflichtverteidiger schlechtere Arbeit leistet als ein Wahlverteidiger und somit ein mittelloser Angeklagter eine ungünstigere Behandlung erhält als ein gutbetuchter Angeklagter, wie steht es dann mit Artikel 3 Absatz 1 GG?
Dazu fällt mir die gestrige Sendung bei Frank Plasberg ein:
Plasberg an RA Lenßen: „Für eine Verteidigung erhält ein guter Anwalt 400,00 Euro pro Hauptverhandlungstag? Wer kann sich das denn leisten?“
RA Lenßen (blickt verständnislos): „Nicht pro Tag, pro Stunde.“
Also 400,00 Euro pro Stunde kann man mit den wenigstens Mandanten vereinbaren. Und obwohl die Rechtsanwaltskammern Stundenhonorare von nicht weniger als 150,00 Euro empfehlen, um kostendeckend zu arbeiten, ist auch das bei vielen Mandanten illusorisch. Die wenigstens haben luxus-wirtschaftsstrafrechtliche Probleme.
Aber der Einwand der „Redakteurin“ ist völlig berechtigt. Es gibt ja auch viele Hauptverhandlungen, die nach 5 Minunten beendet sind, weil irgendein Verfahrensbeteiligter fehlt oder sonst ein Hindernis besteht. Dann erhält man trotzdem den vollen Tagessatz. Deshalb klage ich nur manchmal leise, wenn sich die Verfahren häufen, in denen viel Arbeit gegen wenig Kohle steht. Schon einige Monate später kann es aber wieder ganz anders aussehen und es folgen eine Reihe von „Fünf-Minuten-Verfahren“.