„Kidslove” und der kinderpornographische Kühlschrank

577277_web_R_B_by_Karl-Heinz Laube_pixelio.deDie Polizei be- und durchsuchte heute 28 Berliner Wohnungen und Geschäftsräume. Sechs Stunden lang waren rund 100 Beamte unterwegs. Die Staatsanwaltschaft hatte mal wieder ein paar IP-Adressen, Protokolldateien und/oder Bezahlkarten-Daten bekommen, die im Zusammenhang mit kinderpornographische Schriften (§ 184b StGB) stehen sollen.

 

Was wurde gesucht?
Etwas um die 360.000 Bilddateien seien auf einem Server gefunden worden, auf den 45.000 Nutzer Zugriff gehabt haben sollen. 27 dieser Nutzer haben eine Meldeadresse in Berlin. Und die hatten heute Vormittag keine Langeweile.

 

Was droht?
Der Besitz von Kinderpornographie (oder Jugendpornographie, § 184c StGB) ist eine Straftat, die mit einer Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei (bei Jugendpornos bis zu zwei) Jahren Freiheitsstrafe führen kann. Vom Strafmaß her also irgendwas zwischen Schwarzfahren (§ 265a StGB) und Diebstahl (§ 242 StGB).

In den allermeisten Fällen, die wir in der Kanzlei verteidigt haben, endeten die Verfahren mit einer Geldstrafe oder mit einer zarten Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Schlagzeilen der Proletenblätter übertreiben mal wieder maßlos.

 

Wie geht’s nun weiter?
Was passiert sonst noch nach dieser vom Boulevard enthusiastisch gefeierten „Großrazzia“ mit dem Codenamen „Kidslove“? Die Durchsuchten bekommen in ein paar Wochen die „Gelegenheit zur Stellungnahme“, § 163a StPO.

Das heißt: Wenn sie sich nicht schon im Zusammenhang mit der Durchsuchung um Kopf und Kragen geredet haben, dann haben die Beschuldigten noch einmal die Chance dazu. Es sei denn, sie beachten die goldene Spielregel: Schnauze halten, Strafverteidiger anrufen! (Über die weiteren Einzelheiten zu dieser Regel informieren Sie unsere Sofortmaßnahmen.)

Nebenbei: Verhaftet und einem Haftrichter vorgeführt wurde heute niemand. Was bei dem zu erwartenden geringem Strafmaß auch nicht überrascht.

 

Was tut weh?
Schmerzlich ist allerdings das Beiwerk eines solchen Ermittlungsverfahrens. Jedenfalls erst einmal. Denn wenn wegen eines solchen Vorwurfs die Wohnung durchsucht wird, dann nimmt die Polizei auch alles mit, was irgendwie nach Internet und Datenspeicher aussieht.

Im heutigen Fall waren das Medienberichten zufolge 47 PCs und Notebooks, 49 externe Festplatten, ein Server, drei internetfähige Spielkonsolen, rund 3300 CDs und DVDs sowie USB-Sticks, Speicherkarten, Ausdrucke und Videokassetten. Unbestätigten Gerüchten zufolge scheiterte die Sicherstellung eines internetfähigen Kühlschranks nur knapp an den nicht vorhandenen Transportmöglichkeiten der Polizei.

Was auf den Datenspeichern herumliegt, ist noch nicht bekannt. Manchmal ist es auch nur ein einziges Bildchen in der Browserchronik, das auf der Drei-Terabyte-Platte gespeichert ist.

 

Was kann man tun?
Es stehen sich nun gegenüber:

  • In der roten Ecke
    Unmengen an sichergestellten Speichermedien, die neben anderen noch größeren Unmengen an Speichermedien aus den letzten anderhalb Jahren gestapelt werden
  •  

  • In blauen Ecke
    Geringe Mengen an qualifiziertem Personal in der Kriminaltechnik (KT), die in diesen Speichermedien absaufen.

Wenn man die KT nun vor sich hinwurschteln läßt, kann man damit rechnen, die sichergestellten Rechner und Speichermedien zurück zu bekommen, nachdem Windows 10 nur noch im Antiquariat zu kaufen ist. Wenn überhaupt.

Es sei denn, man engagiert sich etwas und hilft den überlasteten Ermittlungsbehörden dabei, ihre Arbeit zu machen. Das wiederum hilft der Verteidigung: Meist gelingt es einigermaßen flott zumindest wieder an die – nicht bemakelten – Daten zu kommen. Mit ein wenig gutem Zureden bekommt man zumindest eine Spiegelung bzw. ein Image der Partitionen, auf denen gespeicherte KiPo auszuschließen ist. In Einzelfällen gibt es auch den ganzen Rechner zurück – mit oder ohne Festplatte. Nur abwarten, was auf einen zukommt, ist nicht hilfreich, wenn man noch ein Interesse an seinen (legalen) Daten (und anderenorts kein Backup) hat.

 

Und die Folgen?
Auch was das Strafmaß angeht: Mit einer an den Vorwurf und an die Beweislage angepaßten Verteidigung kann man eigentlich recht akzeptable Ergebnisse erzielen. Einstellung, kleine Geldstrafe oder kurze Bewährungsstrafe, es ist grundsätzlich alles möglich.

 

Alles in Allem
Ein Sturm im Wasserglas, der durchaus zu handhaben ist. Wenn man weiß, in welche Richtung man segeln muß.

 

Übrigens
Der Hinweis auf das Angebot des Universitätsklinikums Charité Campus Mitte gehört im Zusammenhang mit der Verteidigung gegen diese Art der Vorwürfe zu unserer Standardberatung, wenn es eine Strafmaßverteidigung werden soll.

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Bild: © Karl-Heinz Laube / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Cybercrime, Strafrecht veröffentlicht.

15 Antworten auf „Kidslove” und der kinderpornographische Kühlschrank

  1. 1
    matthiasausk says:

    a) Gibt es über den Erfolg des Programms der Charite irgendwo etwas nachzulesen?

    b) Was machen die durchsuchenden Beamten bei der Durchsuchung eines „SmartHome“, wenn schon ein Kühlschrank verdächtig ist?
    (Immerhin ist mein Kaffeebereiter inter- und stromnetzunabhängig.Glück gehabt.)

  2. 2
    Der wahre T1000 says:

    Rechtfertigt allein der Besuch einer Website eine Hausdurchsuchung? Müssen da nicht konkretere Verdachtsmomente auf Straftaten vorliegen?

    • Schauen Sie sich mal meine beiden Beiträge (hier und hier) zu der „Droid-Jack-Razzia“ an. Dort erfolgten die Durchsuchungen etc. auf vergleichbarem Verdachtsniveau. crh
  3. 3
    ill_son says:

    Mit etwas bösem Willen könnte man nach der Lektüre dieses Blog-Eintrags die Bagatellisierung einer sehr unappetitlichen Straftat unterstellen, nach dem Motto: Es gibt eh nur Geldstafe oder Bewährung, kann also nicht so wild sein. Ein etwas neutralerer Schreibstil wäre da sicher angebracht.

    • Es steht Ihnen frei, Ihre eigenen Beiträge in Ihrem eigenen Blog anders zu formulieren. Die einen machen es so, die andern machen es anders. Ich jedenfalls gehöre nicht zu der Fraktion, die die „Todesstrafe für Kinderschänder“ fordern. Deswegen auch mein Hinweis auf die Angebote aus der medizinischen Ecke. crh
  4. 4
    Miraculix says:

    >Rechtfertigt allein der Besuch einer Website eine Hausdurchsuchung?
    Dafür braucht es noch viel weniger. Mir sind etliche Durchsuchungen die nur Aufgrund einer anonymen Anschwärzung erfolgt sind bekannt.
    Es wurde zwar im Nachhinein die Rechtswidrigkeit vom zuständigen Landgericht festgestellt, daß hielt die Ermittler aber nicht davon ab wenige Tage später beim nächsten Kandidaten wieder genauso zu verfahren.

  5. 5
    Alan Shore says:

    @ill_son

    Das ist das Problem bei diesem Delikt. Es wird weder in den Medien noch in den Justiz hinreichend zwischen Recht und Moral unterschieden.

    Wenn Sie einen Dieb, Betrüger oder Steuerhinterzieher verteidigen, ist das vor Gericht in der Regel eine entspannte Veranstaltung. Manchmal sogar lustig, wenn unter den professionellen Verfahrensbeteiligten sogar ein gewisser „Respekt“ vor dem alten „Schlitzohr“ auf der Anklagebank durchscheint. Verteidigen Sie jedoch einen Menschen wegen Besitzes von Kinderpornografie, weht ein eiskalter Wind durch den Gerichtssaal, obgleich die Strafandrohung im Vergleich zu den o.g. Delikten geringer ist.

    Der Volkszorn bricht sich anschließend Bahn in Form eines unqualifizierten Berichts eines Lokalreporters ohne abgeschlossene Berufsausbildung, der von einem „milden Urteil“ fabuliert.

    Es ist keine Verharmlosung dieses in der Tat unappetitlichen Delikts, wenn man darauf hinweist, daß unser Gesetzgeber immer noch der Meinung ist, Diebstahl und Betrug verdienten eine höhere Strafandrohung als der Besitz von Kinderpornografie. Das war eine demokratische Entscheidung. Wenden Sie sich mit Beschwerden bitte an den Abgeordneten Ihres Vertrauens.

  6. 6
    Kaputtnik says:

    @Alan Shore
    Ihre Vorstellung der Justiz scheint sehr stark durch TV, Kino und Literatur geprägt zu sein.
    Ein Insiderbericht, auch wenn sie es suggerieren, ist das nicht.
    Tatsächlich gehen auch Gerichte entspannter mir dem Thema um. Das ergibt sich schon aus dem Hinweis Herr Hoenig zur wahrscheinlichen Strafdrohung.
    Sympathie für Betrüger pp., so sie denn überführt und verurteilt werden, hat dort niemand.

  7. 7
    ill_son says:

    @Alan Shore,

    wie das bei Gericht debatiert wird und welche Stimmung da existiert, kann ich nicht sagen, da ich diesbezüglich Laie bin. Ich habe mich lediglich über den, sagen wir mal laxen Tonfall beispielsweise im Abschnitt „Was droht“ mockiert. Geldstrafe, zarte Freiheitsstrafe… Das klingt in meinen Ohren verharmlosend.

    @crh Ich bin ganz sicher auch niemand der Todesstrafe-für-Kinderschänder-Fraktion und mir ist durchaus bewusst, dass Pedophilie auch krankhafte Züge aufweist. Bei aller Subjektivität für Ihre Mandanten hätte ich eben nur eine neutralere Schreibweise gewählt. Wie soll sich denn z.B. jemand fühlen , der oder dessen Kind so etwas erleben musste und der das hier liest?

    • OK, also nicht die „Todesstrafe-für-Kinderschänder-Fraktion“. Dann vielleicht der „Denkt-denn-hier-niemand-an-die-Kinder-Verein“? Falls Sie mal jemand fragen sollte: Das ist hier das Weblog eines Strafverteidigers. Opferanwälte finden Sie woanders. crh
  8. 8
    Hascv says:

    Sind sie vom Projekt „Kein Täter werden“ wirklich überzeugt oder geht es hier rein um ein taktisches Verteidigungsmittel?
    Denn „Kein Täter werden“ kann keine wirklichen Erfolge nachweisen.

  9. 9
    Miraculix says:

    Wie weist man etwas nach wenn doch gerade nichts passiert ist?

  10. 10
    Alles Wuscht says:

    Codename „Kidslove“ finde ich geschmacklos, dazu noch befangen.

  11. 11
    Alan Shore says:

    @Kaputtnik

    Vielleicht sollten Sie öfter mal an einer Strafverhandlung teilnehmen.

  12. 12
    HugoHabicht says:

    @Kaputtnik
    Die meisten Richter gehen irgendwann mit allen Straftaten mehr oder weniger souverain um. Ist auch kein Wunder, denn wer mal den Gestank bei der Autopsie einer Leiche erlebt hat, die ein paar Tage irgendwo gelegen hat oder auch nur die entsprechenden Fotos gesehen hat, fällt bestimmt nicht in Ohnmacht, wenn er irgendwelche Bilder von nackten Kindern zu sehen bekommt.

    Allerdings gibt es die Situation, die Alan Shore schildert durchaus auch. Mir sind einige Urteile aus dem Bereich bekannt, bei denen von Sachlichkeit nicht mehr geredet werden kann. Klar, bei einem halbswegs vernünftig Verteidigten, repariert’s dann das LG. Beim Thema Presse hat er ohnehin recht.

  13. 13
    HugoHabicht says:

    @Alles Wuscht
    Es ist sowieso einigermaßen lächerlich, so einem stinknormalen Strafverfahren einen „Codename“ zu geben, als wollte man gerade den 2. Weltkrieg gewinnen. Oftmals orientieren sich diese „Codenames“ allerdings an den Namen der beteiligten Internetseiten.

  14. 14

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  15. 15
    Waschi says:

    Das mit den langen Auswertezeiten lässt sich ziemlich einfach abkürzen: Einfach nicht mehr das überlastete LKA beauftragen, sondern private Gutachter, bei denen es normalerweise deutlich schneller geht. Das kostet dann natürlich – aber wenn der Tatverdacht sich bestätigt, muss der Beschuldigte die paar Tausend Euro eben obendrauf zahlen…

    Übrigens stimmt das mit der Bagatelltat nur, solange lediglich der Besitz nachzuweisen ist. Bei Weiterverbreitung wird’s deutlich gravierender.

    Und woher kommt eigentlich die Idee, dass der Beschuldigte den Rechner wiederbekommen soll? Wenn der Tatverdacht sich bestätigt, ist der Rechner samt Peripherie Tatwerkzeug und wird laut Gesetz eingezogen.

    • Wenden Sie sich beim nächsten Mal, wenn Sie wieder erwischt werden, an einen kompetenten Strafverteidiger. Dann werden Sie geholfen. Kennen Sie die moderne japanische Weisheit eines bekannten Automobilherstellers? crh