Welche Verteidigungsmöglichkeiten bestehen eigentlich nach einer Geschwindigkeitsmessung mit der Laserpistole?
Der Vorwurf
Geschwindigkeitsüberschreitung um 41 km/h außerorts.
Das Problem
Es gibt keine „objektiven“ Beweismittel: Kein automatisches Protokoll, keine technische Aufzeichnung, keine Fotos. Dafür aber ein ernsthaftes Bußgeld, ein Fahrverbot und Punkte.
Die Verteidigung
In der Ermittlungsakte befindet sich das Messprotokoll, das von dem Polizeibeamten (meist) handschriftlich angefertigt wurde. Dieser Beamte ist nun Zeuge und wird im Termin vor dem Amtsgericht vom Richter und von der Verteidigung befragt.
Hat er alles richtig gemacht? Selbstverständlich! Denn sonst hätte der Beamte das ja nicht auf dem Protokoll vermerkt und unterschrieben, dass er alles richtig gemacht hat
Schaut der Verteidiger aber mal genauer hin, stellt sich häufig heraus, dass der Polizeibeamte gar nicht weiß, was „richtig“ ist! Das weiß aber ein kundiger Fachanwalt für Verkehrsrecht, der sich auf die Befragung vorbereitet hat:
Es müssen mehrere Vortests mit dem Lasermessgerät durchgeführt werden, um zu überprüfen, ob das Gerät (richtig) funktioniert. Sind diese Tests nicht oder fehlerhaft durchgeführt worden, kann eine Messung nicht mehr verwertet werden, da sie nicht nachvollzogen werden kann.
Das Ergebnis
In diesem Fall stellte sich in der Hauptverhandlung nach gründlicher Befragung durch den Verteidiger heraus, dass der Beamte Fehler beim Test der Visiereinrichtung gemacht hatte. Er wußte gar nicht, was er hätte richtig machen können und vor allem wie. Die gründliche Befragung führte zur Einstellung nach § 47 II OWiG – kein Bußgeld, keine Punkte, kein Fahrverbot. Glücklicher Mandant.
Nebenbei:
Wer meint, er brauche in Bußgeldsachen keinen Verteidiger, oder wer sich keinen leisten möchte – der kann sich ja mal zu unserem kostenlosen eMail-Kurs anmelden: Selbstverteidigung in Bußgeldsachen. Mit ein bisschen Glück geht’s auch ohne Verteidiger.
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Bild: © E. Kopp / pixelio.de
Der Mandant hatte aber auch wirklich Pech. 1 km/h weniger und er hätte noch nicht mal ein Fahrverbot erhalten, sondern nur eine läppisches Bussgeld über 120 Euro und einen Punkt.
Ab 41 km/h rentiert es sich: Mit 160 Euro, 2 Punkten und 1 Monat Fahrverbot spart er sich mit einem Selbstbehalt von 150 Euro bei seiner Versicherung bei einer Verteidigung über den Anwalt genau 10 Euro und natürlich das eine Monat Fahrverbot.
@Kerstin
Das Bußgeld (und die Selbstbeteiligung) ist (sind) eigentlich nicht das Problem. Das zahlt man und gut. Auch mit dem Fahrverbot kann man sich – jedenfalls in der Großstadt – arrangieren. Wirklich ernsthafte Gedanken sollte man sich über die Punkte machen. Der eine Punkt (ab 21 km/h zu schnell) könnte irgendwann der achte sein. Ich kämpfe in eigener Sache jedenfalls um jeden halben Punkt (auch weil der erste Punkt im Register magnetische Kräfte entfaltet!)
Warum eigentlich Einstellung und nicht Freispruch? Dann bleibt man doch auf den Kosten sitzen.
@tobi, eventuell, weil außer Frage steht, dass der Mandant etwas falsch gemacht hat, aber der Nachweis der „Tatschwere“ nur noch mit unverhältnismäßigem Aufwand oder gar nicht mehr festzustellen wäre?
Hat der Mandant eine RSV, kann er das – hoffentlich – finanziell verkraften.
Super, wieder einen höchstwahrscheinlich Schuldigen rausgeboxt. Respekt und 1:0. Aber dann nicht jammern, wenn die Staatsmacht auch mal bisschen rumtrickst ;-)
@Hefekloß
Nicht der Anwalt hat getrickst. Die Staatsmacht wollte tricksen und ist dabei auf die Nase gepurzelt.
@ Kerstin
@ Hefekloß
Der Kollege Glienke hat gute Arbeit geleistet. Was soll also das Genöle?
@Hefekloß
Getrickst? Die Schweinerei fängt schon damit an, dass Geräte eingesetzt werden, die nicht mal ein Beweismittel ausspucken. Heutzutage sollte doch ein elektronisches Logbuch, Digitalfoto oder wenigstens ein Bonausdruck möglich sein. Nein, man MUSS dem Polizisten glauben. Polizisten machen ja nie Fehler, haben nie einen Knick in der Optik und lügen gibt es da ja auch nicht.
Neben diesem Nachteil hält sich der doch so FEHLERFREIE Beamte nicht mal an die Bedienungsanleitung.
Und nu kommen sie und jammern von „getrickst“.
Nach meinem Rechtsgefühl hätte der Richter ihn freisprechen müssen, dem Beamten den Kopf gerade rücken und den Anwalt aus der Staatskasse bezahlen.
Es sind zwei Kräfte, die aufeinander wirken. Nur wenn es Schläge in beide Richtungen gibt, findet sich eine faire Mitte.
Jedes Handy kann fotografieren. Warum die Laserpistole nicht?
Jedes Handy kann filmen. Warum die Laserpistole nicht?
@Völlig wurscht:
Einerseits kann ich den Ruf nach einer Bilddokumentation bei Lasermessgeräten nachvollziehen.
Andererseits: Auch sonst (bei gewichtigeren Dingen) muss sich die (Straf-)Justiz mit dem Zeugenbeweis begnügen. Und der Zeuge berichtet auch „nur“ von seiner Wahrnehmung und kann kein Video einer Kopfkamera anbieten…
Glückwunsch an RA Glienke von einem ebenfalls zufriedenen Kunden :)
@John Doe: Der Zeugenbeweis ist ja schon bei alltäglichen Dingen, die ein Mensch grundsätzlich fehlerarm wahrnehmen kann, oftmals erheblich zweifelhaft. Bei technischen Meßgrößen ist die Kombination von Mensch und Meßgerät als notwendige Voraussetzung einer Messung völliger Unfug. Man könnte, um das offensichtlicher werden zu lassen, auch auf die Technik verzichten und den Rennleiter die Geschwindigkeit rat^Wschätzen lassen, das wäre durchaus ähnlich sinnvoll. Ja, ich weiß daß in einem südlichen Nachbarland sowas ernsthaft gemacht wird.
@Carsten Hoenig: Mir ist klar, dass niemand mit einem Punktekonto von 1-2 Punkten juristisch gegen den Punkt vorgeht. Das macht man, wenn man sich langsam den 8 Punkten annähert und nicht mehr die Möglichkeit hat, Punkte durch ein Seminar zu tilgen.
Das Punktesystem ist mit jedem zusätzlichen Punkt ein Warnschuss vor den Bug. 41 km/h außerorts sind schon ordentlich. Das ist eine auf 60 km/h beschränkte Baustelle mit de facto 104 km/h oder eine Landstraße mit 145 km/h. Sowas passiert einem nicht mal eben unabsichtlich.
Mich stört folgendes: Anstatt sich das eigene mehrmalige Fehlverhalten einzugestehen und seine Fahrweise entsprechend anzupassen, wird eine Möglichkeit gesucht, dass eine andere Person Schuld hat – z.B. ein Polizeibeamter, der das Messgerät falsch kalibriert oder justiert hat. Da sehe ich etwas fehlende Kritikfähigkeit der eigenen Person gegenüber.
Da ich selbst in einem Bereich in der Entwicklung arbeite, ist mir klar, dass Messungen durch falsch justierte oder kalibrierte Geräte nicht valide sind.
@RA JM: Das war von mir nicht als Genöle gemeint. Natürlich hat ein RA gute Arbeit geleistet und sich damit völlig zu Recht gutes Geld verdient. Mir selbst wäre es aber bei 160 Euro etwas um den Zeitaufwand für den Rechtsstreit, wenn ich selbst wüßte, dass ich da wirklich zu schnell war. Ich habe aber in den letzten 20 Jahren bei etwa 20000 km pro Jahr zwar genügend Bussgelder wegen Ordnungswidrigkeiten erhalten, aber bisher keinen einzigen Punkt. Daher könnte ich mir auch den einen oder anderen Punkt leisten.
@Kerstin: Woher wissen Sie, dass der Beschuldigte 41 km/h zu schnell gefahren ist? Es existiert nur ein Vorwurf, basierend auf einer wohl falschen Messung. Und gerade bei den Laserpistolen kann eine Fehlbedienung erhebliche Abweichungen nach sich ziehen. Zudem steht nirgends, dass der Mandant schon 7 Punkte hat. Im Raum steht bei dem Vergehen ja nicht nur der eine Punkt, der, wie Carsten Hoenig ausführte, magische Anziehungskraft entfalten kann, sondern auch ein Fahrverbot. Warum soll das jemand in Kauf nehmen, der sich (vielleicht) nichts vorzuwerfen hat!?
Das Ablesen einer Zahl bspw. vom RIEGL kann jeder dressierte Affe fehlerfrei. Da braucht man keinen auf dünnes Holz gedruckten Tintenauswurf.
Ein Raser mit überlaufendem Punktekonto hat hier einfach Glück auf einen formalen Fehler gehabt, das gönn‘ ich ihm. Bei seinem Punktestand hat er eben erst ein wenig später seine Verabredung mit dem Psycho-Doc.
@Hefekloß
Ein Affe, ob nun dressiert oder nicht, kann keine Zahl lesen, geschweige sie sich merken. Affe können wir also streichen, gewissermaßen dressiert sind Polizeibeamte aber schon. Das schützt dennoch nicht vor Fehlern.Kleiner Zahlendreher im Kopf und schon sind die 68km/h von einmal 86km/h. Große Diskussion und der Hefekloß guckt beim Richter in die Röhre. Warum? Ein Polizist macht keine Fehler, ein Polizist sagt immer die Wahrheit. Ich würde mir wünschen, dass es ihnen passiert. Dann setzt bei ihnen auch mal ein Umdenken ein und sie lassen nicht mehr den Selbstgerechten raushängen.
Und wenn sie sich schon über ein Stück Papier aufregen, dann halt Digitalfoto. Die Wanze in ihrer Tasche kann das ja auch schon seit 10-15 Jahren.
@JohnDoe
Es geht ja nicht um eine subjektive Wahrnehmung, sondern um einen objektiven Wert, der, falls richtig ermittelt und gesichert, jeden Tag das Gleiche ist.
Der Polizist wird als Zeuge vernommen und Zeugen berichten von ihrer Wahrnehmung. In diesem Fall eben, welchen Messwert sie wahrgenommen haben, nachdem das Messgerät das Fahrzeug erfasst hatte.
Im Übrigen, @Kradist, ist auch in Deutschland eine Geschwindigkeitsübertretung aufgrund einer Schätzung ahndbar, vgl. z.B. hier vom OLG Karlsruhe: http://www.potsdam-rechtsanwälte.de/Urteile-Verkehrsrecht/Geschwindigkeitssch%E4tzung/1,000000316882,8,1
@Mathan:
Die Messung ist nicht falsch. Die Messung wurde nur mit einem Messgerät durcheführt, welches nicht ordnungsgemäß justiert und kalibriert war. Damit ist sie juristisch nicht verwertbar. Das ist korrekt so.
Ich nehme an, dass ihre Küchenwaage im Gegensatz zu den in den Industrie verwendeten Waagen ebenfalls nicht regelmäßig justiert und kalibriert wird. Deswegen misst diese Wage auch nicht „falsch“. Einen schmackhaften Kuchen kann man damit durchaus herstellen.
Und genauso ist das bei der nicht justierten und kalibrierten Radarpistole. Eine Person, die mit 141 km/h gemessen wurde, wird wohl kaum mit Schrittgeschwindigkeit gefahren sein.
@Kerstin:
Ich bin mir nicht sicher, ob die „Person, die mit 141 km/h gemessen wurde“, auch der Mandant von RA Glienke war. Wenn der PolBeamte die richtige Einstellung beispielsweise der Visireinrichtung nicht geprüft hat, kann nicht ausgeschlossen werden, daß nicht das Fahrzeug des Mandanten, sondern das Auto daneben/dahinter/sonstwo gemessen wurde.
Das Rechtssystem – und dazu gehört auch der Bereich der Verkehrs-OWi – hat gewisse Spielregeln und funktioniert nur, wenn diese Regeln beachtet werden. Hält man schon das Gefühl „es wird schon was dran sein“ für ausreichend, führt das zwangsläufig zu willkürlichen Entscheidungen. Dann entscheidet der Bauch des PolBeamten vor Ort, wer zu schnell war und wer nicht. Die Bedienungsanleitungen der (geeichten) Meßgeräte haben andere Aufgaben als die für eine Waschmaschine.
@Carsten Hoenig: Ich denke, dass wir beim Hauptargument derselben Meinung sind: Wenn die Messung nicht korrekt ausgeführt wurde, ist sie nicht verwertbar – unabhängig davon, ob das jetzt wie bei Ihnen im Straßenverkehr juristisch oder wie in meinem Beruf im Labor für Zulassungsdokumente erfolgt. Was Sie unter Eichung verstehen, meine ich mit Justierung und Kalibration.
Wenn ein Polizist die Visiereinrichtung nicht richtig justiert und kalibriert hat, dann ist die Messung natürlich angreifbar.
In meinem Fall kann eine Zulassungsbehörde Messdokumente anfordern. Wenn sich dann herausstellt, dass der Laborant nicht valide Messungen durchgeführt hat, führt das dazu, dass ein Produkt nicht zugelassen wird. Sowas würde zu einem immensen Schaden für meine Firma führen und hätte für den Laboranten, der die Messung durchgeführt hat, sicher ernsthafte Konsequenzen.
Mich wundert, dass es für einen Polizisten keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen hat, wenn er regelmäßig nicht valide Messungen durchführt, die jurisitisch angreifbar sind.
Meine eigentliche Argumentation ging aber eher in die Richtung, dass ich selbst bei bisher fast allen meinen „Strafzetteln“ eingesehen habe, dass ich da einen Fehler begangen habe. Persönliche Kritikfähigkeit finde ich wichtig. Zwei „Strafzettel“ waren bisher unberechtigt: Man hatte mir zwei Tickets für Falschparken gegeben, obwohl die Verlängerung des Anwohnerparkausweises schon länger beantragt war und auf der Behörde verbummelt wurde (Berlin!). Ich habe es trotzdem gezahlt, da die zweimal 10 Euro den Arbeitsaufwand nicht lohnen (allerdings verdiene ich auch gut).
Mit der gleichen Argumentation würde ich wahrscheinlich auch einen Bussgeldbescheid über 160 Euro begleichen. Es lohnt sich alleine durch die Arbeitszeit betrachtet der Gang zu einem Anwalt nicht. Meine Rechtsschutzversicherung habe ich eher für Fälle abgeschlossen, die existenzbedrohend sind.
Oder kurz: Ich verstehe diese „Hansel“ nicht, die wegen jedem simplen Ticket gleich mal ein richtiges Fass aufmachen müssen. Wenn man zu schnell gefahren ist, dann war es natürlich der Polizist, der falsch gemessen hat.
Und nochmal: Den Anwalt, der so einen Fall bearbeitet, verstehe ich vollkommen. Der bekommt alleine für die Erstberatung von einer Stunde etwa 200 Euro. Das ist ein Gehalt, welches ich in meinem Beruf trotz naturwissenschaftlicher Promotion nicht habe.
@Kerstin
Eine falsche Anwendung oder fehlende Kalibrierung macht das Ergebnis null und nichtig.
Wenn in ihrem Labor dreckige Reagenzgläser verwendet werden, haben sie am Ende ein Ergebnis, was auch nichts aussagt.
Daran ändern auch nichts ihre Herabwürdigungen (Hansel) und auch nicht ihr Neid bezüglich der 200 Euro.
Damit haben sie sich nur selber disqualifiziert.
@Alles Wuscht:
Als „Streithansel“ wird in Süddeutschland umgangssprachlich eine Person bezeichnet, die wegen jeder Kleinigkeit ein Riesenfass aufmacht. Das ist in Bayern ein wirklich gängiger Begriff.
Was die 200 Euro für die Erstberatung betrifft: Es sei einem Anwalt gegönnt, zumal er davon ja auch noch sein Personal bezahlen muss. Jura ist ein schweres Studium. Ich verdiene ja selbst gut. Ca. 20% der Leute in D verdienen besser als ich, ca. 80% der Leute verdienen weniger. Da ist kein Neid vorhanden.