Mittwochs-OWi: Seltenes Absehen vom Fahrverbot

728187_web_R_K_B_by_E. Kopp_pixelio.deDas klappt fast nie: Absehen vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße. Jedenfalls nicht bei den Gerichten, bei denen massenhaft Verkehrsordnungswidrigkeiten verhandelt werden. Manchmal hat der Betroffene aber Glück.

Der Vorwurf
Geschwindigkeitsübertretung von 31 km/h innerorts.

Das Problem
Der Mandant war kein unbeschriebenes Blatt. Und ab einer Überschreitung von mehr als 30 km/h gibt es – wie eben auch hier – ein Fahrverbot. Aber der Mandant ist selbstständiger Wirtschaftsprüfer mit Einsätzen in ganz Deutschland und kommt ohne Auto nicht in die Kleinstädte mit den mittelständischen Unternehmen.

Obwohl der Mandant finanziell nicht schlecht ausgestattet ist, hat er gespart: Sein Fahrzeug ist nur für ihn als Alleinfahrer versichert. Einen Fahrer einzustellen geht also auch nicht wirklich.

Die Hürde
Die Voraussetzungen für ein Absehen vom Fahrverbot sind zwischenzeitlich absurd geworden; selbst vermögenslosen Rollstuhlfahrern wird zugemutet, sonstwie zum Arzt zu kommen. Das Fahrverbot durchgesetzt. Basta.

Die Verteidigung
Der Richter am kleinen Amtsgericht im großen Lande Brandenburg ließ sich von einigen Krokodilstränen des Verteidigers (sic!) erweichen. Die Fahrt lag über 15 Monate zurück. Die Grenze zum Fahrverbot war nur um 1 km/h überschritten. Gemessen wurde auf einer schnurgeraden Ortsausgangsstraße in Sichtweite des Ortsendeschildes.

Das Ergebnis
Der Richter verdreifachte das Bußgeld, sah von der Verhängung des Fahrverbotes ab und die Staatsanwaltschaft legte kein Rechtsmittel ein. Nicht umsonst macht das Verteidigen in einer Kleinstadt manchmal mehr Spaß als im Moloch Moabit.

Nebenbei:
Wer meint, er brauche in Bußgeldsachen keinen Verteidiger, oder wer sich keinen leisten möchte – der kann sich ja mal zu unserem kostenlosen eMail-Kurs anmelden: Selbstverteidigung in Bußgeldsachen. Mit ein bisschen Glück geht’s auch ohne Verteidiger.

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Bild: © E. Kopp / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Mittwochs-OWi, Ordnungswidrigkeitenrecht veröffentlicht.

9 Antworten auf Mittwochs-OWi: Seltenes Absehen vom Fahrverbot

  1. 1
    Leon Bacher says:

    Hier hatte der Mandat noch Schwein gehabt- noch. Doch ich frage mich was geschehen würde, wenn er demnächst die Geschwindigkeit wieder überschreiten sollte. Müsste der Herr wieder bloß Bußgeld bezahlen?

  2. 2
    Geier says:

    „Sein Fahrzeug ist nur für ihn als Alleinfahrer versichert“ – als wenn sich das nicht kurzfristig ändern ließe…

  3. 3
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Verraten Sie uns das Geheimnis mit den Krokodilstränen?
    Zwiebelringe wie ein Filmstar?
    Oder denken Sie ganz fest an das Justizministerium?

  4. 4
    WPR_bei_WBS says:

    Also es ist ja schön, wenn ein Richter sich den EInzelfall mal genau anguckt (1 km/h über der Grenze, Ortsausgang mit geradem „Anlauf“) – aber das Argument mit der Versicherung ist doch Unsinn. Das ist ja genaus so, als würde man argumentieren „einen eingestellten Fahrer hat er nicht, wer soll ihn fahren?“. DIe Versicherung kann er ganz einfach ändern – kostets halt, aber das trifft ja auch auf einen Fahrer zu.

  5. 5
    K75 S says:

    @Geier: Kurzfristig mag sein … aber rückwirkend?

    Er bräuchte schon einen Fluxkompensator – und der funktioniert bekanntlich nur bei einer Geschwindigkeit von 140 km/h.
    Wenn er da dann eingemessen wird … ach, ein Fass ohne Boden.

  6. 6
    Roland B. says:

    Wieso rückwirkend? Ab dem Zeitpunkt des Fahrverbotes reicht doch.

  7. 7
    Flo says:

    Könnte die Milde evtl auch daherkommen das zwischen Tat und Urteil 15 Monate liegen und der Mandant in der Zeit nicht weiter negativ aufgefallen ist?
    Punkte gibt’s ja schon früher und ein notorischer Raser dürfte in der Zwischenzeit sicher mindestens einen weiteren Punkt „gesammelt“ haben.

  8. 8
    HerrWurst says:

    „Die Voraussetzungen für ein Absehen vom Fahrverbot sind zwischenzeitlich absurd geworden; selbst vermögenslosen Rollstuhlfahrern wird zugemutet, sonstwie zum Arzt zu kommen. Das Fahrverbot durchgesetzt. Basta.“

    Kann das nicht nachvollziehen. Absurd dass gleiches Recht für alle gilt? Auch ein Rollstuhlfahrer kann mit seinem Auto jemanden umbringen. Wenn er weiß er verliert deinen Führerschein nicht oder nicht so schnell verleitet dass doch noch mehr zum zu schnell fahren.

  9. 9
    Der wahre T1000 says:

    Mir hatte mal ein Anwalt gesagt, dass es klüger wäre, wenn ich ohne Anwalt in solchen Fällen beim Richter erscheine. Ich solle darlegen, dass ich das Auto beruflich brauche und bei meinem ländlichen Wohnsitz ohne Auto nicht einmal Lebensmittel kaufen könne. Dazu aufrichtige Reue und die höfliche Bitte vom Fahrverbot abzusehen. Er würde das gleiche vortragen, aber dann wäre der Mitleids-Bonus – weil vom Anwalt vorgetragen – eher weniger.

    Der Rat war gut. Ich bin zweimal mit doppelter Geldstrafe davongekommen. Allerdings habe ich in beiden Fällen auch darauf verweisen können, dass ich keine Punkte hatte und in der Zeit vom Blitzen/Filmen bis zur Verhandlung auch nichts vorlag.

    Manchmal ist ohne Anwalt besser, zumindest wenn die Messung passt und sich kaum angreifen lässt.