Mohamed und der besserwissende Investigativist

Es geht um den Fall „Mohamed“, das getötete Flüchtlingskind. Die Ermittlungen der Mordkommission, eine hochqualifizierte Ermittlertruppe des Berliner Landeskriminalamts, führten zur Festnahme und wenig später zu Geständnissen eines Beschuldigten.

Und dann gibt es diesen Peter Rossberg (@PRossberg), ein BILD-„Zeitungs“-Reporter, Ressort Investigative Recherche, der „alles mit Kriminalität“ macht – so sein Twitter-Profil.

Dieses Mitglied des größten Fußballvereins in der Stadt Offenbach (wo liegt’n das Nest eigentlich?) zieht nun die Ermittlungen an sich, weil: Die ausgebildeten und teils studierten Kriminalisten aus der Keithstraße schaffen das nicht ohne ihn.

Rossberg

Da fällt mir ein bekannter Kolumnist der Zeit ein, der am 22.09.2015 diesem (und anderen) selbsternannten Investigativisten ins Gesangbuch schrieb:

Daher gehen der heute üblich gewordene „Empörungs-Journalismus“ vielfach an der Sache vorbei. Nicht weil er die (Straf-)Justiz wegen ihrer manchmal bornierten Blindheit gegenüber Fehlerquellen kritisiert, die zweifellos vorhanden sind. Sondern weil er ebenso oft mit einer Attitüde der Besserwisserei auftritt, die durch nichts nicht gerechtfertigt ist. Vor wenigen Tagen erst traf der Kolumnist bei einer Podiumsdiskussion über Fehlurteile im Strafrecht auf einen bekannten Journalisten, der mit empörter Gewissheit von zahllosen Fehlurteilen zu berichten wusste, deren „Falschheit“ sich allein ihm enthüllt hatte: Nach geheimen Regeln und Kriterien, oder, besonders beeindruckend, nach „gesundem Menschenverstand“. Das gilt als „kritisch“, ist es aber nicht. Denn anders als der Schimpf-Mainstream meint, setzt Kritik nicht ein laienhaftes Sich-Empören, sondern vertieftes Verständnis voraus. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet Journalisten wissen, was die Wahrheit und was ein „Fehlurteil“ ist, ist ähnlich groß wie die, dass ein Sozialpädagoge die im Einzelfall beste Methode der Krebstherapie kennt.

Die Arroganz dieser BILD-„Zeitungs“-Proleten und deren Produkte sind für ein funktionierendes Rechtssystem entbehrlich. Gibt es für diese Leute nicht Sinnvolleres? Fußballgucken bei Bier und Chips zum Beispiel?

Dieser Beitrag wurde unter Medien, Strafrecht veröffentlicht.

12 Antworten auf Mohamed und der besserwissende Investigativist

  1. 1
    matthiasausk says:

    Warum immer auf BILD herumhacken … die Auflage geht doch eh zurück, im Internet kann man sie (AdBlocker sei Dank) gar nicht mehr lesen … und die nachwachsende Zielgruppe kann selbst kurze Sätze mit großen Buchstaben gar nicht mehr intellektuell erfassen.

  2. 2
    Theo says:

    Es mag nicht korrekt sein, wie sich manche Journalisten aufspielen. Ich selbst bin Rechtsanwalt und kenne einen Justizfall ziemlich genau, in dem unfassbar viel richtig schief gelaufen ist – bis hin zur Kumpelei zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei. Es war zu einem nicht unerheblichen Teil die Presse, die mit ihrer Penetranz diesen Alptraum beendet hat: Nur, weil Journalisten nachgebohrt haben und seltsame Fakten aufgedeckt haben, haben Freunde des Verurteilten neuen Mut geschöpft und Geld in einen Anwalt und in ein Wiederaufnahmeverfahren gesteckt. Ergebnis: Der ursprünglich Verurteilte wurde mit Glanz und Gloria freigesprochen.
    Die Justiz arbeitet toll, aber natürlich leider nicht fehlerfrei. Da ist es aber manchmal gut, wenn Journalisten wenigstens ab und zu hier mal genauer hinschauen und den einen oder anderen menschlichen Fehler womöglich wieder einzunorden helfen.

  3. 3
    Alles Wuscht says:

    @Theo
    Sie sind genauso wenig RA wie ich Bundeskanzler bin.

    Des Weiteren „bohren“ solche Investigativisten nicht nach, sondern suchen ausschließlich nach dem Seelenerhitzer in einer Nachricht um die Schrift zu vergrößern und zu verfetten. Danach wird schnell gedruckt und sich gut gefühlt.

  4. 4
    Hilmar Steinhauer says:

    „Sondern weil er ebenso oft mit einer Attitüde der Besserwisserei auftritt, die durch nichts nicht gerechtfertigt ist.“

    Ist da wohl ein „nicht“ zu viel?

  5. 5
    GA says:

    Ich begrüße es, wenn Pressorgane ihren Job machen. Aber Hybris ist immer ein schlechter Ratgeber. Immerhin werden am Ende eines Verfahrens Schlussfolgerungen gezogen, die für alle Beteiligten „richtig“ oder „falsch“ sein werden … Was ich sehr schlecht finde, ist die Tatsache, dass ohne Kenntnis der Akten einfach Diskussionen geführt werden.

  6. 6
    Wattihrvolt says:

    „,…. die durch nichts nicht gerechtfertigt ist. “

    erinnert ein wenig an Karl Valentin „niemanden niemals nie nicht!“ ;-)

  7. 7
    Anne Jeziorski says:

    wer das „Fischeinwickelblatt“ kauft, der sorgt für eine gute Bilanz und einer hohen Auflage.

    Wiglaf Droste:
    In einem Land, in dem die BILD als Zeitung durchgeht, da gelten Friseure als Hirnforscher.

  8. 8
    BV says:

    Ich glaube, niemand hat etwas gegen kritische Presse, selbst wenn sie die Betroffenen im Einzelfall auch (ganz menschlich) nervt. Die Frage ist doch, wie recherchiert und berichtet wird. Diesbezüglich tut sich die BILD nun nicht besonders positiv hervor.

    Daher auch meine Frage an Theo (# 2):
    Waren die dortigen Journalisten von der BILD oder haben zumindest in deren Stil gearbeitet?

  9. 9
    HugoHabicht says:

    Für die Springerpresse ist der Fall natürlich ein Fest. Endlich mal wieder ein anständiger Kinderfänger. Gab’s seit fünf Jahren keinen Boulevardtauglichen Fall mehr.

    Die BZ (Springers Blatt in Berlin) ist am Samstag mit „sechs Sonderseiten“ erschienen. Sechs Sonderseiten gibt’s sonst bei ner Fußball WM oder ner Bundestagswahl. Das muss man sich mal reinziehen.

  10. 10
    Dieter says:

    Offenbach? Das liegt neben Sachsenhausen…

  11. 11
    Engywuck says:

    zwischen Sachsenhausen und Offenbach liegt immer noch Oberrad – ich „durfte“ dort mal einige Monate wohnen. Im Lokalradio FFM (war das Radio X? Lange her) haben die Moderatoren mal überlegt, dass sie ja Piratensender werden könnten – man müsse dazu nur südlich von Fechenheim den Main breit genug ausbaggern, dass man auf hoher See senden könne…

  12. 12
    tacheles says:

    Wie in jedem Berufsstand gibt es solche und solche. Im Berufsstand der Rechtsanwälte gibt es z.B. solche, die sich bei der Mutter eines der beiden Opfer ungebeten als Nebenklägervertreter anbiedern, mit dem Hinweis, in sensationellen Fällen für andere Opfer tätig gewesen zu sein. Genau wie bei gewissen Jounalisten dürfte hier eine gewissen Profelierungsneurose vorliegen.