Prozeßkostenhilfe in der Schweiz

Ich lese und staune: Auf der Swisslawlist, der „aeltesten und groessten Mailingliste fuer Schweizer Recht“, erkundigte sich ein Kollege nach dem Stundensatz in Zivilverfahren in Kanton Basel Land, wenn das Verfahren in der unentgeltlichen Rechtspflege geführt wird.

Die unentgeltliche Rechtspflege in der Schweiz ist in etwa vergleichbar mit der deutschen Prozeßkosten- und/oder Beratungshilfe (die vor gar nicht so langer Zeit mal unter der Überschrift „Armenrecht“ gelaufen ist).

Die Antwort lautete:

ab 2014: Fr. 200.00 zuzüglich MWST und Ausl.
zuvor: Fr. 180.00

Von diesen Vergütungen kann ein deutscher Zivilrechtler, der die Interessen einer wenig finanzkräftigen Mandantschaft vertritt noch nicht einmal träumen. Offenbar hat die Schweizer Justiz eine andere Wertschätzung der Arbeit ihrer Rechtsanwälte.

Dieser Beitrag wurde unter Justiz, Rechtsanwälte, Zivilrecht veröffentlicht.

6 Antworten auf Prozeßkostenhilfe in der Schweiz

  1. 1
    Peter Meyer says:

    Wertschätzung? Im Gegenteil!

    In der Schweiz resultiert bei einem solchen Stundensatz für einen Strafverteidiger ein Stundenlohn, wie ihn kein Praktikant in einem Supermarkt akzeptieren würde, wenn überhaupt noch ein Stundenlohn resultiert … wobei der Praktikant für jede Stunde bezahlt wird, der Strafverteidiger hingegen nur einen Teil seiner Arbeit vom Staat entschädigt bekommt – früher oder später, denn Strafverteidiger müssen die Kosten erst einmal selbst und zinslos tragen.

    Für einen realistisches Bild empfehle ich die Lektüre von strafprozess.ch, zum Beispiel http://www.strafprozess.ch/geringschaetzung-der-verteidigung/

    Dito übrigens bei der unentgeltlichen Rechtspflege.

    Auf der Swisslawlist sind halt viele Sozialromantiker unterwegs, die sich am freien Anwaltsmarkt nicht behaupten können. Beschuldigten kann ich nur wünschen, dass sie von einem erbetenen Verteidiger vertreten werden, den sie selbst bezahlen können.

  2. 2
    WPR_bei_WBS says:

    Nun ja, man sollte aber auch die Schweizer Lebsnshaltungskosten ebrücksichtigen, um einen fairen Vergleich zu haben. Um mal einen anderen Vergleich heranzuziehen (und dann kann man den Dreisatz machen): Eine normale (Kassierer etc.) volle Stelle bei Lidl bringt in der Schweiz 4000 im Monat.

  3. 3
    Steffen says:

    Schon mal in der Schweiz einkaufen gewesen Herr Anwalt? ;)

  4. 4
    Olaf Johannes says:

    Schon in der Bezeichnung „erbetener“ Verteidiger statt „Wahlverteidiger“, kommt eine besondere Wertschätzung zum Ausdruck, denke ich.

  5. 5
    leser says:

    Der Sprachgebrauch im Süden ist manchmal einfach schöner.

    „Zu Ihrer gefälligen Kenntnisnahme erlauben wir uns, … zu übersenden.“

    vs.

    „In der Anlage übersende ich zur Kenntnisnahme…“

    Aber schöne Worte ersetzen keine Brötchen auf dem Frühstücksstisch.

  6. 6
    RA Hermann says:

    Österreichische Anwälte melden sich gerne mit dem Satz: „…. zeigen wir die rechtsfreundliche Vertretung der Frau X an.“

    Ist das aus Sicht der Gegenpartei dann eine „rechtsfeindliche“ Vertretung oder ist lediglich eine „recht freundliche“ Vertretung gemeint…? :-)