Respektvolle Entschuldigung

Es wäre nicht erwähnenswert, wenn es zwischenzeitlich nicht zu einer außergewöhnlichen Umgangsform geworden wäre: Die Entschuldigung einer Behörde für ihren Fehler.

Nicht selbstverständlich – leider – ist das Verhalten einer Amtsanwältin. Meiner Mandantin wurde eine kleine Sache vorgeworfen. Man hatte sie bei einer Schwarzfahrt mit der U-Bahn erwischt angetroffen. Sie hat mich mit ihrer Verteidigung beauftragt, weil sie eine Erklärung für den abgelaufenen Fahrschein hatte. Ich habe mich also bei der Ermittlungsbehörde als Verteidiger gemeldet und Akteneinsicht beantragt. Das war erstmal alles.

Ein paar Wochen später meldete sich meine Mandantin bei mir. Sie hatte Post bekommen von der Amtsanwaltschaft.

Einstellung an Mdt

Das Ergebnis geht in Ordnung. Nicht gut ist aber, daß sich die Amtsanwältin über meine Verteidigungsanzeige hinwegsetzt, meine Mandantin direkt anschreibt und mich in meiner Funktion als Verteidiger komplett übergeht.

Sicher, in dieser Sache hier wurde damit kein Porzellan zerschlagen. Es sind aber durchaus Konstellationen denkbar – und leider in der Praxis auch nicht sooo unüblich, in denen auf diesem direkten Weg die Rechte eines Beschuldigten zumindest verkürzt, jedenfalls gefährdet werden. Wenn ein Verteidiger sich für einen Beschuldigten gemeldet hat, dann ist er grundsätzlich der einzige Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörde; auf jeden Fall ist er zu informieren.

Selbstverständlich habe ich das Verhalten der Amtswältin reklamiert:

Reklamierung

Die Fristsetzung in diesem Schreiben ist natürlich heiße Luft. Aber für Menschen, die in Behörden sitzen, hat das dann doch eine gewisse Signalwirkung. Mehr wollte ich gar nicht erreichen. Ich hatte eigentlich die Akte schon in Richtung Ablage geschickt, da erreichte mich folgendes Fax:

Entschuldigung an Verteidiger

Ich finde, das hat Größe. Deswegen habe ich mich auch bei der Amtsanwältin handschriftlich bedankt. Ein kleiner Fehler, der an sich kein Problem darstellt; sich aber dafür in dieser Form zu entschuldigen, zeigt Respekt und hat Respekt verdient.

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft, Verteidigung veröffentlicht.

12 Antworten auf Respektvolle Entschuldigung

  1. 1
    Denny Crane says:

    Klingt für mich eher ironisch, zumal der Hinweis auf die Möglichkeit der Akteneinsicht in eine 10-seitige Akte auf der Geschäftsstelle…

    Es geschieht sehr häufig, gerade bei „Kleinkram“, das sofort eine Einstellungsentscheidung nach § 153 StPO gefällt wird, ohne dem Verteidiger zuvor Akteneinsicht gewährt zu haben. Kann mir nicht vorstellen, daß das alles Versehen sind.

  2. 2
    Purzel says:

    Klingt für mich nicht respektvoll. Möglicherweise bedeutet „Hochachtungsvoll“ zwischen Juristen etwas anderes, als bei Nichtjuristen und da bedeutet das so ungefähr das Gegenteil von Respekt.
    Andererseits könnte natürlich auch Herr Hoenig mit
    „in dieser Form zu entschuldigen, zeigt Respekt und hat Respekt verdient.“
    der Amtsanwältin den Krieg erklärt haben. Fragen über Fragen.

  3. 3
    Max says:

    Auch ich halte die Antwort der Amtsanwältin eher für triefenden Sarkasmus.
    – Eine Amtsanwältin sollte wissen, dass die gesetzte Frist gegenstandslos ist,
    – der weinerliche Duktus („Oder gibt es einen anderen Grund…“) mit dem Herr Hoenig seine eigene Annahme, es sei ein Versehen, in Zweifel zieht (sprich: der Amtsanwältin einen Vorwurf macht),
    – die Frechheit die Ansprechpartnerin nicht namentlich anzusprechen,
    – gefolgt von dem wunderschönen Konter „Berufsbezeichnung + Name + ‚geplenktes‘ Ausrufezeichen“ (vielleicht unabsichtlich, vielleicht als dezenter Hinweis – jedenfalls ist es das einzige Satzzeichen mit einem voranstehenden Leerzeichen),

    erwecken in der Summe den Eindruck, dass in der Amtsanwaltschaft jemand seine Antwort schmunzelnd verfasst hat. In jedem Fall wünsche ich der Betroffenen, dass sie diesen Blog liest. Sie kann nur gewonnen haben.

  4. 4
    Fry says:

    Schreibt man „richtigstellender Weise“ wirklich so?

  5. 5
    Thomas B. says:

    Ich sehe darin kein Sarkasmus

    • Ich auch nicht. crh

    „Hochachtungsvoll“ wird in Justizkreisen standardmäßig verwendet.

    • Yup. crh

    Auch der Verweis auf die Geschäftsstelle ist keine solche Seltenheit, dass man sofort an eine „billige Retourkutsche“ denken muss.

    • Das ist in den kleinen Strafsachen mittlerweile üblich. crh

    Mag sein, dass ich mich irre, aber man kann es mit der Interpretation auch übertreiben

    • Nein, Sie irren nicht. Die Blog-Leser sind es eben nicht gewohnt, daß ich mal was Positives über die Ermittlungsbehörde berichte. 8-) crh
  6. 6
    Thomas R. says:

    Geplenkte Ausrufezeichen mögen ja schlechter Stil sein, aber verbrämte Beleidigungen, nein, diese Interpretation geht mir dann doch zu weit.
    Man kann auch in jede Entschuldigung eine Beleidigung hineinlesen.

  7. 7
    Anno Nüm says:

    „Mit der Ihnen gebührenden Hochachtung“ wäre sarkastisch.

  8. 8
    Non Nomen says:

    „Mit der Ihnen gebührenden Hochachtung“ wäre sarkastisch.

    „Mit gesetztlich gerade noch zulässigen Grüßen“
    sicher auch.

  9. 9
    matthiasausk says:

    „Mit Grüßen“ würde doch völlig unsarkastisch ausreichen, wenn man denn mangelnde Hochachtung ausdrücken möchte. Ans Amt reicht ein „Untertänigst“.

  10. 10
    RA Lößel says:

    Pfff.

    Ich hätte dem Kollegen Hoenig die Akte geschickt und 12,00 EUR verlangt ;-)

  11. 11
    Ref. iur. says:

    @Max, Purzel: Wenn in Berlin verfügt wird „Schreiben an RA, freundlich: …“ dann kommt dabei (fast) immer raus:

    „Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Foo Bar !

    […]

    Hochachtungsvoll,
    […]“

    Die Anrede, das Geplenke und das „Hochachtungsvoll“ gehören zum Muster. Daraus kann man also nichts Negatives schlussfolgern.

  12. 12