In einer Bußgeldsache wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung bekam der Halter des Fahrzeugs einen Fragebogen, mit dem er als Zeuge schriftlich vernommen werden soll.
Ziel dieses Fragebogen ist es, den Halter zu einer Aussage zu bewegen und der Bußgeldbehörde die Arbeit zu erleichtern. Bei der Verwirklichung des Ziels bleiben die Rechte des Zeugen auf der Strecke.
Hier erst einmal der Fragebogen zur gefälligen Ansicht (klick aufs Bild liefert die vollständige Datei als PDF); die schlimmen Stellen habe ich in der PDF-Datei markiert:
Die Überschrift ist der Aufhänger: Es geht hier um die Aussage eines Zeugen gegenüber der Polizeibehörde.
Daraus ergibt ganz zuerst die folgende Rechtslage:
Niemand ist verpflichtet, sich gegenüber der Polizei zu äußern. Nicht nur, wenn man möglicherweise sich selbst oder nahe Verwandte belastet, muß man nichts zur Sache sagen. Sondern gegenüber der Polizei ist jede Aussage freiwillig.
Deswegen sind diese Hinweise falsch; sie täuschen den Bürger über seine Rechte und seine Pflichten:
Zur Rücksendung des Fragebogens ist der Zeuge nicht verpflichtet. Egal ob er ihn ausfüllt oder nicht.
Zutreffend ist, daß bei ausbleibender Rückmeldung eine Vorladung des Zeugen durch die Verwaltungsbehörde kommen könnte. Aber auch dieser Vorladung muß der Zeuge nicht folgen.
Nur wenn ein Richter vorlädt, muß der Zeuge antanzen. Eine richterliche Ladung im Ermittlungsverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung habe ich in den knapp zwei Jahrzehnten meiner Tätigkeit als Strafverteidiger noch nicht erlebt. Man verbrennt nicht die Arbeit eines Richters wegen der Ermittlung eines 6-km/h-zu-schnell-Fahrers.
Richtig ist auch, das die Zeugnisverweigerung ohne gesetzliche Gründe ein Ordnungsgeld nach sich ziehen kann. Die Weigerung des Zeugen, vor der Polizei- oder Verwaltungsbehörde auszusagen, aber nicht.
Auch die vermeintlich empfindlich üble Fahrtenbuchandrohung ist lauwarme Luft. Nur mal eben so geht auch eine Fahrtenbuchauflage nicht. Dazu gehört wesentlich mehr als nur die Wahrnehmung eines Zeugnisverweigerungsrechts.
Weiter:
Die Weigerung, Angaben zur Person zu machen, wenn diese Angaben bereits (wie in den meisten Fällen) zutreffend auf dem Zettel stehen, den man ausfüllen soll, zieht mit Sicherheit kein Bußgeld nach sich.
Und zuletzt:
Wer keine Angaben zur Sache machen möchte, muß weder mitteilen, daß er gefahren ist, noch den Verstoß zugeben oder den Verstoß nicht zugeben. Er muß einfach NICHTS machen. Und begründen muß er das schon mal gar nicht.
Ich frage mich stets, warum solche Falschbelehrungen immer wieder verteilt werden. In den Behörden sitzen doch Juristen, die sich irgendwann einmal mit der StPO und dem OWiG beschäftigt haben. Die wissen doch ganz genau, zu was der Zeuge verpflichtet ist und zu was nicht.
Warum versuchen diese Behörden den Bürger über den Löffel zu balbieren? Diejenigen, die sich solchen Tricksereien einfallen lassen, müssen sich nicht wundern, wenn der Bürger zunehmend das Vertrauen in das rechtsstaatliche Handeln der Staatsgewaltigen verliert.
Meine knackige Empfehlung daher:
In solche Schreiben gehören maximal zwei Löcher gemacht und dann ab damit in einen ganz dunklen Ordner. Oder mit der Nummer des Rechtsschutzversicherungs-Vertrags zum Fachanwalt für Straf- und Verkehrsrecht. 8-)
„Eine richterliche Ladung im Ermittlungsverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung habe ich in den knapp zwei Jahrzehnten meiner Tätigkeit als Strafverteidiger noch nicht erlebt. Man verbrennt nicht die Arbeit eines Richters wegen der Ermittlung eines 6-km/h-zu-schnell-Fahrers.“
Solche Vernehmungen sind in der Tat eher selten, aber so ca. 2 mal im Jahr kommen sie doch vor.
Immer als Verkehrs-OWis von der Polizei (andere Behörden, die von Natur aus weniger mit dem Gericht zu tun haben, scheinen diese Möglichkeit nicht so sehr auf dem Schirm zu haben). Und immer beschweren sich die Leute dann, dass sie „wegen dem Scheiß“ jetzt einen halben Tag frei nehmen und zu Gericht kommen mussten. Und schauen mich groß an, wenn ich ihnen sage, dass sie das ganz einfach hätten vermeiden können.
(Im Übrigen: Ich fürchte, dass in den Augen der zuständigen Behörden Richter im Zweifelsfall eher faule Säcke sind, die ruhig auch mal was arbeiten können. Die Schonung unserer Ressourcen kommt ihnen daher eher selten in den Sinn.)
In meinem Bekanntenkreis sehe ich immer wieder diese kritiklose Hörigkeit gegenüber Behörden. Was geschrieben ist, wird geglaubt, das ist Gott gegeben. Und genau darauf bauen diese Winkeladvokaten in den Behörden auf.
Ich persönlich empfinde das als Betrug. Glasklare Aufklärung sollten selbstverständlich sein.
Der Beitrag ist in sich nicht schlüssig. Eine Falschbelehrung wird nicht nachgewiesen. Dort wo moniert wird, dass nicht über Rechte aufgeklärt werde, werden weiche Formulierungen benutzt („bitte“, „können“).
Was mich aber interessieren würde, wäre, inwiefern sich die Rückläuferquote ändern würde, wenn deutlicher gemacht würde, dass keine Verpflichtung zur Antwort besteht, dies jedoch mit einem deutlicherem Appell zur Hilfeleistung verbunden würde.
Was Herr Hoenig meines Erachtens nonchalant übergeht ist die Generalermittlungsklausel der Polizei im Strafprozessrecht die ja über das OWiG auch im Bußgeldverfahren gilt.
Auch die Pflicht vor der Staatsanwaltschaft oder dem Richter auszusagen ist nur die halbe Wahrheit. Es ist zwar zutreffend dass dem bislang so ist, im Schrifttum gibt es aber Anklänge die Erscheinenspflixht für Zeuen bei der Polizei zu normieren. Hintergrund dafür ist die deutsche Winkeladovkatur, die immer gern darauf hinweist, dass ein solche Erscheinenspflicht nicht besteht.
Infolgedessen erscheinen weniger Zeugen bei Polizeibehörden. Kudlich weist schon seit 2013 daraufhin, dass ein weiteres Sinken der Quote eine Änderung der StPO nach sich ziehen wird, da sonst eine effektive Strafrechtspflege nicht mehr gewährleistet ist.
Was mich zum schmunzeln bringt: der Verteidiget sägt an dem Ast auf dem sein Mandant sitzt und weitet dazu -ohne Not?- die Rechte der Polizei aus.
Chapeau!!
„Zutreffend ist, daß bei ausbleibender Rückmeldung eine Vorladung des Zeugen durch die Verwaltungsbehörde kommen könnte. Aber auch dieser Vorladung muß der Zeuge nicht folgen.“
Woraus ziehen Sie diesen Schluss? § 46 Abs. 5 OWiG, der – abweichend von § 161a Abs. 2 StPO – die Anordnung der Vorführung dem Richter vorbehält, legt das Gegenteil nahe, denn eine Vorführung macht nur Sinn, wenn eine Pflicht zur Aussage vor der Verwaltungsbehörde besteht. Ich sehe auch bei flüchtiger Durchsicht der Literatur nicht, dass die Befugnis der Verwaltungsbehörde zur Zeugenvorladung und Vernehmung und die Pflicht des Zeugen, dort zu erscheinen, streitig wären (vgl. bspw. Lutz in KK-OWiG, 4. Aufl. 2014, § 59 Rn. 4).
Auch ansonsten sehe ich keinen inhaltliche Fehler in den Belehrungen. Wo eine Pflicht dargestellt, besteht sie; die Äußerung einer „Bitte“ ist keine falsche Belehrung.
Dass es nicht im Interesse der Ermittlungsbehörden liegen kann, Zeugen zu vermitteln, eine Äußerung oder ein Erscheinen zur Vernehmung sei vollkommen optional, liegt auf der Hand; wie „Beobachter“ richtig dargestellt hat, liegt das auch nicht im besten Interesse der Strafverteidiger oder der Zeugen selbst. Denn tatsächlich wurde auch seitens des Gesetzgebers bereits mehrfach erwogen, eine Pflicht zum Erscheinen von Zeugen vor der Polizei gesetzlich festzuschreiben, ggf. nur dann, wenn dies auf Weisung der Staatsanwaltschaft erfolgt.
Und eine solche Gesetzesänderung wird zwingend erfolgen, wenn die Weigerung der Zeugen, zu erscheinen oder Angaben zu machen, einen mehr als marginalen Umfang erreicht. Es ist nämlich naheliegenderweise schlicht nicht annähernd möglich, alle oder auch nur einen wesentlichen Anteil der Zeugenvernehmungen staatsanwaltschaftlich durchzuführen, jedenfalls nicht, ohne die Staatsanwaltschaft personell um den Faktor 5-10 zu vergrößern (bei gleichzeitigem Abbau der Kriminalpolizei). Das wäre nicht nur nicht zu bezahlen, sondern auch völlig unsinnig; weder ist es erforderlich, für die Durchführung einer Vernehmung Volljurist zu sein, noch ist Vernehmungslehre ein relevanter Bestandteil der juristischen Ausbildung.
@Beobachter:
Schönes theoretisches BlaBla (mit diversen Schreibfehlern).
Die „Generalermittlungsklausel“ – wohl gemeint § 163 StPO – steht den Ausführungen des Kollegen nicht entgegen, bedarf aber auch keiner besonderen Erwähnung, sondern ist schlicht die Grundlage der Ermittlungstätigkeit.
Und „Anklänge“ einer Erscheinenspflicht im Schrifttum – na und? Dort wird auch diverser anderer Unsinn verzapft. Es ist auch keine „Winkeladvokatur, die immer gern darauf hinweist, dass ein solche Erscheinenspflicht nicht besteht“ – sondern einfach ordentliche Rechtsberatung nach geltendem (!) Recht.
Auch der Rest ist bloße Theorie – was soll das also?
Worüber die Polizei zu belehren hat, steht in § 163 Absatz 3 StPO, nämlich über genau die Dinge, über die in den polizeilichen Fragebogen auch tatsächlich belehrt wird.
Soweit – wie offenbar hier – die Verwaltungsbehörde tätig wird (und nicht die Polizei), hat diese im Übrigen im Bußgeldverfahren nach § 46 Abs. 2 OWiG die nach der StPO der Staatsanwaltsanwaltschaft zustehenden Befugnisse, d.h. es besteht sehr wohl eine Pflicht zum Erscheinen (§ 161a StPO).
Alle Organisationen neigen dazu, sich selbstständig zu machen und ihren eigenen Interessen zu dienen. So auch unsere Behören, die ja eigentlich uns allen dienen und helfen sollen.
@crh:
Nachdem der Tenor Ihres Artikels ja ohnehin ist, dass es sowieso keine Erscheinenspflicht gibt:
Was genau würden Sie denn einem Mandanten empfehlen, wenn ein aus Ihrer Sicht korrektes Anhörungsschreiben eingeht? Doch genau dasselbe. Abheften, weil man ja eh nicht aussagen muss.
Abgesehen davon, dass in dem Schreiben außer der Adresse noch einige der in § 111 OWiG aufgezählten Angaben fehlen dürften.
Nicht so einfach, das. 8-) crh
@Beobachter:
Ein Recht besteht also nur solange, wie es nicht genutzt wird? Und sobald das Recht genutzt wird / werden soll ist das die Begründung, das Recht als nicht vorhanden anzusehen? „Interessante“ Logik…
Also ich verstehe Bohnert, OWiG, 3. Aufl. 2010, § 46 Rn. 53 so, dass eine Erscheinenspflicht für den Zeugen besteht.
Bei der Polizei muss man nicht erscheinen, das ist klar. Aber weshalb muss man bei der Bußgeldbehörde nicht erscheinen? Die Ausführungen von T.H. wurden bisher nicht widerlegt und klingen schlüssig.
@ Thomas Hochstein:
„die Anordnung der Vorführung dem Richter vorbehält, legt das Gegenteil nahe, denn eine Vorführung macht nur Sinn, wenn eine Pflicht zur Aussage vor der Verwaltungsbehörde besteht.“
Diese Logik ist nicht schlüssig. Denn wenn sie bestand hätte, ware ein Beschuldigter (bzw ein zur Aussageverweigerung berechtigter Verwandter / Berufsangehöriger) zur Aussage vor dem Staatsanwalt verpflichtet – oder umgekehrt, der Staatsanwalt könnte dieser Logik nach einen Beschuldigten nicht verpflichtend vorladen.
Dem ist aber nicht so, da eine Erscheinungspflicht nichts mit einer Aussagepflicht zu tun hat.
Ob es sich hierbei um eine wirkliche „Falschbelehrung“ handelt oder nicht, ist mir persönlich piep-egal. Die Formulierungen suggerieren mir empfindliches Übel, wenn ich nicht tue, was von mir verlangt wird.
Über meine Rechte nach geltendem Recht werde ich jedenfalls durch diese Formulierungen nicht aufgeklärt. Es werden im Gegenteil Pflichten formuliert.
Das halte ich gelinde gesagt für einen bewussten Versuch, bei dem ein oder anderen Bürger den Verzicht auf seine Rechte zu fördern. Eventuelle Nichtübereinstimmungen mit geltendem Recht werden billigend in Kauf genommen.
warum soll eine Ermittlungsbehörde nicht dürfen, was Anwälte für sich und hre mandanten auch beanspruchen: durch selektives Zitieren von Rechtstexten und Formulierungen, die nach mehr klingen als sie tatsächlich aussagen (ohne dabei eine Falschaussage zu treffen!) den „Gegner“ zum Handeln im Interesse des Briefschreibers zu veranlassen.
Zudem: würde – zum Beispiel – die Zeile mit dem Fahrtenbuch weggelassen könnten findige Anwälte auf die Idee kommen „das wurde meinem Mandanten ja nicht vorher gesagt, also können wir *deshalb* gegen die Auflage klagen“.
@Beobachter
Also: Man soll ein Recht nicht wahrnehmen, denn wenn man es wahrnimmt, könnte es abgeschafft werden?
Ich glaube es ist sinnlos, Ihnen erklären zu wollen, wo da der logische Fehler liegt …
(Ansonsten trifft auch mE zu, dass im Bußgeldverfahren anders als im normalen Strafverfahren wegen § 42 Abs. 2 OWiG eine Pflicht zum Erscheinen vor der Verwaltungsbehörde besteht)
@ pensch
Im Prinzip ist die tatsächlich vorhande Verpflichtung zum Erscheinen ein hohler Zahn. Eine Vorführung von Zeugen kann nur durch den Richter angeordnet werden. Insoweit ist man genauso weit wie vorher.
Allen Juristen sei aufgegeben den Text nochmal zu lesen und *auszulegen*. In der Schule habt ihr doch sicherlich gelernt Fragen an den Text zu stellen?
Es ging überhaupt nicht darum irgendwelche prozessualen Rechte zu entwerten. Vielmehr war es eine Istbeschreibung.
Off topic:
Mir ist die Art der Konflikt- oder Konfrontationsverteidigung nie verständlich gewesen. Ob nun Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde oder Staatsanwalt, wenn man ersteinmal auf der AL-Liste desjenigen steht, nutzt Krawall überhaupt nichts. Dann schadet man durch sein schriftliches Gebahren oder seinem krawalligen Auftreten bei Gericht nur den eigenen Mandanten, dennplötzlich 153 a StPO verstellt wird.
Zur Lektüre empfehle ich noch ein Polizeihandbuch: der Polizeibeamte als Zeuge vor Gericht. Dort wird diese Art der Verteidigung als Krawall- oder Klamaukverteidung bezeichnet.
Als einer von diesen Krawallern mal bei mir die 7-Sek.-Methode und danach die „selbst Sie sollten wissen, dass“ Methode ausprobiert hat, hab ich mich innerlich köstlich amüsiert.
@Dieter, #14:
Danke, so sehe ich das auch. „Der Staat“ erzieht seine Bürger, ihm *grundsätzlich* zu misstrauen, dies unabhängig davon, ob/dass der einzelne Beamte „ja auch nur ein ‚Mensch‘ ist“.
@Diederich Hessling, #18
Kriech nur, unterwirf Dich. In der Firma nennen wir Solche Kollegenschwein, im RL [freiwillige Selbstzensur].
Aber Du stehst wohl eher auf der Salärliste der Abzocker und Bürgerfeinde, bist so ein grüner (inzwischen blauer?) Feigling, der sich nur gegen den einfachen Bürger ‚traut‘, bei Aggressiven den Schwanz einzieht und lieber wegschaut.
Dann verstehe ich auch deine Stimmungsmache gegen Bürgerrechte.
Ich würde mich viel lieber als „Prügler“ aus Kafkas Process charakterisiert sehen wollen.
Aber ansonsten richtig! Ich arbeite in einer Einsatzhunderschaft, habe bei Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe weggeschaut (Dank Tino Brandt, Holger Gerlach und Carsten Szepanski), hab aber letzte Woche in Frankfurt ordentlich eingeknüppelt.
Ich bin Prügeler, als prügel ich.