Strafmaßerwägungen aus der Schießbude

Der Oberstaatsanwalt plädiert.

Für den Angeklagten spricht, daß der Auszug aus dem Bundeszentralregister keine Eintragungen enthält.

Gleichwohl darf die schwere Tat nicht vergessen werden, die er [vor einem Vierteljahrhundert. crh] begangen hat.

In diesem Zusammenhang darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Angeklagte sich lange Zeit im Ausland aufgehalten hat und deswegen keine Straftaten von ihm registriert werden konnten.

Ich werde den Oberstaatsanwalt irgendwann einmal fragen, auf welcher Kirmes er sein Staatsexamen geschossen hat.

Dieser Beitrag wurde unter Potsdam, Prozeßbericht (www.prozessbericht.de), Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

16 Antworten auf Strafmaßerwägungen aus der Schießbude

  1. 1
    Waldorffsmama says:

    Gleichfalls darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Staatsanwalt Dinge getan hat, die im Ausland strafbar wären, aber dort nicht registriert werden konnten, weil dieser sich in Deutschland aufgehalten hat.

    Denkbar wäre, dass der IS ihm Rechtsbeugung und Strafvereitelung (der Schar??a) vorwerfe, schließlich plädiert er ja immer noch auf Haft- und Geldstrafen, anstatt Auspeitschung und Steinigung.

  2. 2
    Spormann says:

    Waldorffsmama, alle Achtung. Die Dame hat Judiz.

  3. 3
    Jenny says:

    Bei Ausländern, die nie in Deutschland gelebt haben, wäre doch auch klar, dass einem eintragungsfreien deutschen Strafregister keinerlei Aussagewert zukommt. Und der Staatsanwalt sagt jetzt völlig zu Recht, dass das bei einer in Deutschland wohnhaften Person, die sich zwischenzeitlich lange ausschließlich im Ausland aufgehalten hat, genauso ist.

  4. 4
    RA Bimmel says:

    @Jenny

    Achso… Und ich dachte, diese Erwägung enthielte die durch die Unschuldvermutung verbotene Unterstellung, daß Straftaten, die nicht nachgewiesen sind, nein, für die es nicht einmal den geringsten Anhaltspunkt gibt, dem Angeklagten nicht vorgehalten werden dürfen.

    Sonst heißt es demnächst noch in den Plädoyers der Staatsanwaltschaft: „Der Angeklagte ist zwar bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, bei so einem Typen ist aber davon auszugehen, daß er viele Straftaten begangen hat, die nur nicht bekannt geworden sind. Das muß sich straferschwerend auswirken!“

  5. 5
    BV says:

    Selbst wenn sich der Angeklagte nicht lange Zeit im Ausland aufgehalten hätte, müsste der Staatsanwalt doch auch die zahlreichen vom Angeklagten begangenen Straftaten berücksichtigen, die bislang nicht entdeckt bzw. ihm (noch) nicht nachgewiesen werden konnten…

  6. 6
    Lexus says:

    Ich sehe es hier tatsächlich etwas anders.

    Der Staatsanwalt hat !strafmildernd! angeführt, dass keine Eintragungen im BZR vorliegen. Dies geht ja einher mit der Rechtsprechung des BGH, dass „keine Vorstrafen“ tatsächlich nicht der „Normalzustand“ sein müssen, sondern strafmildernd berücksichtigt werden können.

    Wenn sich jemand jedoch lange Zeit im Ausland aufgehalten hat, dann ist ein eintragungsfreier BZR-Auszug aber kein Indiz mehr für eine Straffreiheit. Der Angeklagte hatte gar nicht die Gelegenheit eintragungsfähige Straftaten zu begehen und deswegen hat der BZR-Auszug keinerlei indizwirkung.

    Von daher kann dieser Umstand tatsächlich rechtsfehlerfrei genutzt werden, um den Strafmilderungsgrund der Eintragungsfreiheit aufzuheben.

    Denn es wird ja gerade nicht als strafschärfender Grund herangezogen, sondern lediglich zur Ablehnung des Strafmilderungsgrundes.

  7. 7
    Der wahre T1000 says:

    @Lexus: Ihre Argumentation ist eigentlich schlüssig, nur das Ergebnis nicht.

    „Denn es wird ja gerade nicht als strafschärfender Grund herangezogen, sondern lediglich zur Ablehnung des Strafmilderungsgrundes.“

    Und führt damit unterm Strich zu einer höheren (=weniger milden) Strafe. Man kann ja argumentieren wie man will, aber damit letztlich nicht den Sachverhalt verändern.

    Ob die höhere Strafe aufgrund eines Auflandaufenthaltes richtig ist, mag jeder selbst beurteilen.

  8. 8
    T.H., RiLG says:

    Gerüchten zufolge soll es ja nicht völlig unmöglich sein, einmal einen Blick in ein ausländisches Strafregister zu werfen…

  9. 9
    Lexus says:

    @Der wahre T1000:

    So kann man es aber nicht sehen. Wenn man jede Ablehnung eines Strafmilderungsgrunde als Strafschärfungsgrund sehen würde, dann hätte man ein Problem.

    Es ist allgemein anerkannt, dass „ein Mensch ist gestorben“ kein Strafschärfungsgrund beim Totschlag sein darf, denn das Unrecht ist im Straftatbestand enthalten.

    Gleichzeitig wird aber der Versuch milder bestraft.

    Wenn man deiner Argumentation folgt, wäre das Verweigern des Milderungsgrundes „nur versucht“ ein Strafschärfungsgrund. Und damit wäre jede Verurteilung wegen vollendetem Totschlags rechtswidrig.

    So funktioniert es aber nicht. Es ist ein gewaltiger Unterschied ob man einen Strafmilderungsgrund ablehnt oder etwas strafschärfend berücksichtigt.

  10. 10
    Bert says:

    Sie haben Recht: Ein blanker BZR-Auszug ist selbstverständlich kein strafmildernder Umstand.

  11. 11
    Roland B. says:

    Sehe ich genauso. Sonst müsste man jedem ausländischen Profikiller, der mal schnell eingeflogen wurde, auch maximale Strafmilderung zubilligen.

  12. 12
    Roland B. says:

    Gut, daß ich den Kommentar nochmal durchgelesen habe vor dem Senden. Ich hatte mich tatsächlich vertippt und „ausländischem Politiker“ geschrieben…

  13. 13
    OG says:

    Zunächst einmal sollte wohl der Herr Oberstaatsanwalt eine Gesetzesausgabe geschenkt bekommen, in dem § 51 BZRG nicht fehlt.

  14. 14
    Niemand hoch 2 says:

    Und auch der § 54 Abs. 1 Nr. 1 BZRG sollte nicht fehlen.

    Bei Deutschen werden ausländische Verurteilungen auch in das deutsche BZRG eingetragen.

    Diese Vorschrift ist allerdings weitgehend unbekannt.

  15. 15
    Engywuck says:

    @Niemand hoch zwei: §54 (1) BZRG ist ja schön und gut, aber nach §55 (1) wird eingetragen, wenn „die Verurteilung von einer Behörde des Staates, der sie ausgesprochen hat, mitgeteilt worden ist“. Das muss der verurteilende Staat bzw. dessen zuständige Behörde erstmal machen. Je nachdem wo der hier Angeklagte seinen Aufenthaltsort im Ausland hatte würde ich mich darauf nicht unbedingt verlassen – oder auch nur, dass die Verurteilung zeitnah mitgeteilt wird. Natürlich könnte man dann dort anfragen, aber ob manche Staaten sowas zentralisiert haben ist dann eine andere Frage, was ggf. den Aufwand drastisch erhöht.

    Die uralte Verurteilung, die längst aus dem Register gelöscht ist, auch nur zu erwähnen ist dagegen *sicher* fehl am Platze. Jedenfalls solange es sich hier nicht um etwas handelt, was unter §52 BZRG fällt (Sicherheit der Bundesrepublik, Führerschein(!) etc.).

    Da crh sich allerdings so empört hat werden diese beiden Varianten wohl nicht zutreffen und der Staatsanwalt hat wohl Mist gebaut.

  16. 16

    Toller Blogbeitrag. Hier lernt man etwas.
    ¥54 BZRG kannte ich auch nicht.