Vergleichende Staatsanwälte und respektable Richter

4710_web_R_by_Jens Goetzke_pixelio.deDas Potsdamer Pillendienst-Verfahren war in vielerlei Hinsicht etwas ganz Besonderes. Einen Punkt möchte ich hier mal herausgreifen und damit auch ein Versprechen einlösen, das ich dem Vorsitzenden Richter und der Beisitzenden Richterin gegeben habe.

Daß eine Staatsanwaltschaft keinerlei Sympathien für Angeklagte hegt, wundert niemanden. Auch wenn man dieser Behörde schier grenzenlose Objektivität unterstellt, sind die Dezernenten spätestens beim Schlußvortrag – meist aber bereits mit Anlage der Akte – felsenfest davon überzeugt, es auf der anderen Seite des Saales mit strafwürdigen Menschen zu tun zu haben. Das kann man hinnehmen. Für das notwendige Gegengewicht hat das Strafprozeßrecht den Strafverteidiger installiert.

Nicht akzeptabel – jedenfalls nicht für mich – und brandgefährlich ist es aber, wenn ein Staatsanwalt Angeklagte in einer Wirtschaftsstrafsache mit Massenmördern in einen Sack steckt. Was sich Herr Staatsanwalt Alexander Roth und sein Aufpasser, Herr Oberstaatsanwalt Kurz, mit dem Nazivergleich – sanktionslos! – herausgenommen haben, empfinde ich als eine niveaulose Ungeheuerlichkeit. Die Einzelheiten dazu hatte ich hier in einem Blogbeitrag beschrieben. Hier noch einmal knackig zusammen gefaßt:

Herr Alexander Roth soll sinngemäß vorgetragen haben, so wurde mir von Beoabachtern aus dem Parallel-Prozeß berichtet, daß sich die Abfertiger der Züge, in denen bis 1945 über 5 Millionen europäische Juden zum Vergasen in die östlichen Vernichtungslager transportiert wurden, mit denselben Argumentationsmustern aus ihrer Verantwortung hätten stehlen wollen, wie nun die angeklagten Webmaster in dem Pillendienst-Verfahren.

Dieser Staatsanwalt war in „unserem“ Verfahren glücklicherweise nicht der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft. Und das war auch gut so, nicht nur für das Klima im Saal 6 des Landgerichts Potsdam.

Aber die dortige Staatsanwaltschaft hat auch noch andere Vertreter. Damit meine ich jetzt nicht den Supporter des Nazivergleichers. Sondern Herrn Staatsanwalt Dr. Nolte. Auch er bemühte – wiederum im Plädoyer – einen Vergleich, um die – aus seiner Sicht – besondere Verwerflichkeit des Tuns meines Mandanten und der anderen Angeklagten zu illustrieren. Und griff damit an einer anderen Stelle ins Klo.

Ich habe die Ausführungen des Herrn Staatsanwalt Dr. Nolte in meinem Schlußvortrag gewürdigt. Aus meinem Manuskript:

Herr Staatsanwalt Dr. Nolte stellte in seinem Vortrag einen Kontext her zu

  • Aids-Präparaten, die von bewaffneten Räubern in Südafrika geraubt werden, um sie gewinnbringend auf dem europäischen Markt zu verkaufen.
  • Krebsmitteln mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum, die statt zur Entsorgung gebracht wieder an Patienten verabreicht werden

Der Staatsanwalt grenzt den Pillendienst zu diesen Machenschaften zwar ab und anerkennt, daß es hier nicht um lebenserhaltende Medizin geht und die Live-Style-Produkte [gemeint waren die Potenz- und Schlankheitsmittel] nicht in den legalen Wirtschaftskreislauf eingeführt wurden.

Dennoch bezeichnen Sie, Herr Dr. Nolte, meinen Mandanten als Teil dieser „Arzneimittel- und Medikamenten-Mafia“

Ich zitiere aus Wikipedia:

„Mafia war ursprünglich die Bezeichnung für einen streng hierarchischen Geheimbund, der seine Macht durch Erpressung, Gewalt und politische Einflussnahme zu festigen und auszubauen versucht und seine Wurzeln in Sizilien hatte.“

Mein Mandant (und auch die anderen Mitglieder des Pillendiensts) haben zu keiner Zeit Gewalt ausgeübt, niemanden erpresst, keinen Einfluß auf die Politik genommen.

Der Pillendienst hat mit der neapolitanischen Camorra oder mit der kalabrischen ’Ndrangheta nichts gemein.

Keiner der drei Köpfe der Gruppierung ist mit einem Don Vito Corleone vergleichbar.

Und mein Mandant heißt auch nicht Michaele.

Wikipedia zum status quo: „Heute ist „Mafia” ein internationales Synonym für organisierte Kriminalität. „Mafia” wird gleichgesetzt mit gewalttätigen und verschworenen Geheimgesellschaften und kriminellen Klans, die sich in der Prostitution, dem Menschenhandel, dem Drogenhandel betätigen und die ihre Einkünfte aus Erpressung, insbesondere der Schutzgelderpressung, dem illegalen Glücksspiel und Subventionserschleichung bzw. Subventionsbetrug bestreitet.“

Mit Verlaub: Der Vergleich des Pillendiensts mit der Mafia ist nicht akzeptabel!

Aber zur Ehrenrettung: Für Sie, Herr Dr. Nolte, spricht aber, daß Sie sich nicht soweit aus dem Fenster gelehnt haben wie Ihr Kollege Alexander Roth, der es sich nicht verkneifen konnte in seinem Schlußvortrag in einem der anderen Pillendienst-Verfahren sogar einen unsäglichen Nazivergleich anzustellen. (der im Übrigen von OStA Kurz für völlig in Ordnung gehalten wurde!)

Ich kann es nachvollziehen, wenn Sie sich freuen und auch ein wenig stolz darauf sind, diesen großen Tatkomplex durchermittelt und zur Anklage gebracht zu haben. Hängen Sie sich dafür so viele Jagdtrophäen wie sie möchten in Ihren Dienstzimmern an die Wände.

Aber verschonen Sie uns und die Öffentlichkeit mit dieser Art von unsäglichen Gleichsetzungen und Vergleichen.

Natürlich habe ich die Verbindung zu der „umgangssprachlich verständlichen“ Qualifizierung von Mitgliedern des Pillendiensts als „krimineller Haufen“ durch den Voritzenden Richter hergestellt, sie aber im Verhältnis zu jenen Nazi- und Mafiavergleichen durch die beiden Staatsanwälte als fast schon sympathisch, zumindest aber ziemlich niedlich bezeichnet.

Ich vertrete die Ansicht, daß solchen Menschen, wie diesen drei Staatsanwälten Roth, Nolte und Kurz, keinerlei Respekt gebührt. Auf diesem Niveau eine Anklage zu führen und Menschen gegenüber zu treten, die einen Fehler gemacht haben, den sie – wie mein Mandant – bereuen und dafür die Verantwortung zu übernehmen bereit sind, ist widerlich. Sie sollten sich schämen, Strafverfolger!

Es war nicht zu erwarten, daß der Vorsitzende Richter bei der Begründung des Urteils der Strafkammer genauso kräftig ins Horn blasen würde wie ich es hier in dem Blogbeitrag und in meinem Plädoyer getan habe. Aber immerhin machte der Vorsitzende – sicherlich gut beraten von seiner Beisitzerin und seinem Berichterstatter – ganz deutlich, daß zwischen den verwerflichen Taten der Verurteilten und einer Mafia Welten liegen. Noch nicht einmal „mafiöse Strukturen“ attestierte das Gericht der Pillenbande. Es sei Ihnen „nur“ um’s Geld gegangen, nicht um Erpressung, nicht um Mord und Totschlag und auch nicht um den Versuch politischer Einflußnahme. Nix Camorra, keine ’Ndrangheta.

Für diese deutlichen Worte in die Richtung der Staatsanwaltschaft möchte ich mich bei den Richtern bedanken, die in einer angemessenen (sic!) Form über das Verhalten meines Mandanten geurteilt haben. Auch wenn ich mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden sein kann, die Begründung des Urteils jedenfalls in diesem Punkt verdient Respekt.

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Bild: © Jens Goetzke / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Potsdam, Prozeßbericht (www.prozessbericht.de), Richter, Staatsanwaltschaft, Wirtschaftsstrafrecht veröffentlicht.

12 Antworten auf Vergleichende Staatsanwälte und respektable Richter

  1. 1
    Anonym says:

    Gratulation zu den offenen und richtigen Worten! Und auch zum Ergebnis, andere wären darüber froh, wenn man bedenkt,dass ein Webmaster letzten Oktober über 3 Jahre bekommen hat.

  2. 2
    Leser says:

    In der Sache stimme ich persönlich Ihnen wohl zu, aber einen Punkt finde ich kommentierungswürdig:

    „Ich vertrete die Ansicht, daß solchen Menschen, wie diesen drei Staatsanwälten Roth, Nolte und Kurz, keinerlei Respekt gebührt. “

    Das schießt meiner bescheidenen Meinung nach etwas über das Ziel hinaus und macht Kritik in der Sache zu Kritik in der Person.

    Man mag die Äußerungen der drei genannten Herren kritisieren, sogar für verwerflich halten, und das auch mit mindestens vertretbaren Gründen. Aber ihnen als Person gebührt nach wie vor mindestens derselbe Respekt, den wir auch jedem anderen Menschen schulden. Mag der Eifer der Strafverfolger hier etwas zu groß gewesen sein – ist er zu gering, stößt das ebenfalls auf wenig Gegenliebe, und auf dem dünnen Brett zwischen Lasschheit und Besessenheit zu balancieren, gelingt nun einmal nicht immer – und misslingt manchmal auch deutlich. Das aber sollte nicht jeden Respekt vor dem Strauchelnden entfallen lassen.

    Eine Formulierung im Sinne von „gebührt kein Respekt für ihre Form der Dienstausübung“ o. ä. mag treffender sein.

    Aber vielleicht ist die Anmerkung auch zu haarspalterisch. Mit Ihrem Text machen Sie ja deutlich, dass sie aus Einzeltaten, auch wenn sie nicht zu billigen sind, keine so weitgehenden Urteile wie eine Gleichsetzung mit KZ-Wärtern o. ä. akzeptieren. Vielleicht ist nur der Wortlaut etwas überschießend, der Rest des Beitrags setzt ihn wieder in einen vertretbaren Kontext.

  3. 3
    Zuschauer says:

    Das ist billiges Nachtreten, in dem Wissen, dass die Angegriffenen sich nicht verteidigen werden.

  4. 4
    Billig ist der neue Trend says:

    Billiges Nachtreten wäre es, wenn die Angegriffenen sich nicht verteidigen könnten.

  5. 5
    Karl says:

    „Nachtreten“? Bei solchen Staatsanwälten – ausnahmsweise – durchaus legitim und angebracht!

  6. 6
    Miraculix says:

    Heutzutage haben viele Menschen mehr Angst vor der Justiz als vor der Mafia. Und aus gutem Grund!

  7. 7
    RA Bert Handschumacher says:

    Wieso billiges Nachtreten?

    Kollege Hoenig hat es der Kavallerie der Justiz im Schlußvortrag doch ins Gesicht gesagt. Das hat Stil und verdient Respekt!

    Ansonsten habe ich gelernt, daß GröStaZ H. kein Name, sondern eine Einstellung ist!

  8. 8
    Jurist says:

    Maßlose Beleidigungen gegenüber Staatsanwälten sind kein Ausweis von juristischer Qualifikation, sondern sprechen eher für das Gegenteil.

    • Ich habe den Kommentar die Maßlosigkeit von Bambino gelöscht. crh
  9. 9
    Thorsten says:

    Ich wundere mich immer wieder, wie hochemotional Staatsanwälte werden, wenn es „nur“ um Geld geht. Wenn es um missbrauchte Kinder ginge, könnte ich das menschlich voll und ganz verstehen. Aber hier kann man doch absolut sachlich bleiben. Stattdessen wird jedoch hoffnungslos und teilweise unerträglich übertrieben!

    Kompliment an Sie, Herr Kollege, und auch ans Gericht für das „ob“ und das „wie“ beim „Runterholen“ der Staatsanwaltschaft.

  10. 10
    Joachim Breu says:

    Ich meine: Je übertrieben die wertende Beschreibung im Schlussvortrag, desto dünner die sachliche Grundlage. Starke Worte verdecken häufig schwache Argumente. Ich muss grinsen, wenn ich das vom Gegenüber höre.

    Aber das friert einem auf der Stelle ein, wenn da zu historischen Superlativen gegriffen wird. Und Nachtreten – mit Verlaub – verstehen die Strafverfolger sehr, sehr gut. Es werden nach unbefriedigendem Ausgang neue Ermittlungsverfahren aus der Versenkung geholt, die man just über §§ 153, 154 StPO losgeworden war. Plötzlich tauchen neue Fahndungen oder Anhörungen wegen Sachverhalten auf, die eigentlich einbezogen gehört hätten. Und von den ‚anonymen‘ Kontroll- oder ‚Nur-Mal-So‘-Mitteilungen an andere interessierte Stellen wie Finanz-, Arbeitsbehörden u.a.m. will ich gar nicht erst anfangen. Dergleichen ist – ich bin ja höflich – noch weniger hanseatisch als das, was Carsten hier zu Recht an den Pranger stellt.

  11. 11
    Horst says:

    Die öffentlichen Drohungen Ihres Mandanten (aus der als sicher geglaubten Zuflucht) gegen die Staatsanwälte lassen Sie leider unerwähnt.

    • Selbst wenn die als Drohungen verstandenen Veröffentlichungen, auf die Sie sich beziehen, von meinem Mandant zu verantworten wären (er war nicht der Urheber, sondern hatte hingegen mittelbar darunter zu „leiden“), rechtfertigten diese keinesfalls das Verhalten jener Staatsanwälte: Der Autor ist ein verurteilter Straftäter, die Staatsanwälte sind Organe der Rechtspflege. crh
  12. 12
    WebmasterPND says:

    Staatsanwalt Alexander Roth holt gerne die „Nazi-Keule“ hervor, wenn er keine Argumente hat.