Verschobenes Urteil in Potsdam

VerschobenVor dem Landgericht Potsdam war heute großer Bahnhof. In dem abgetrennten Teil des so genannten „Pillendienst-Verfahrens“ gegen vier Angeklagte aus dem ersten Durchgang hatte das Gericht für heute einen (letzten) Termin angesetzt. Die Angeklagten sollten Gelegenheit bekommen, einer frischen und aufmerksamen Kammer die „letzten Worte“ mit in die Urteilsberatung zu geben. Danach sollte die Urteilsverkündung erfolgen – ein knappes Jahr nach dem (ersten) Start dieses Verfahrens.

Entsprechend dieser Vorankündigung waren zahlreiche Medienvertreter erschienen, teils mit schwerem Gerät zur Berichterstattung in der Abendschau. Auch Verteidiger, die in weiteren Verfahren aktiv sind, waren erschienen, um sich neue Munition für Ihre Mandanten abzuholen. Und dann das!

Das Gericht teilte mit, die zur Verfügung stehende Zeit habe nicht ausgereicht für die Vorberatung. Man stecke noch mittendrin in der Urteilsberatung und brauche noch etwas. Ursache sei aber nicht eine zu engagierte Terminsplanung gewesen. Sondern unerwartete Probleme (meint wohl: Anträge) aus der Verteidigerriege des Parallelverfahrens, in dem am morgigen Dienstag weiter verhandelt werden soll. Deswegen findet die Urteilsverkündung nun doch nicht heute, sondern erst am 14. Januar statt.

Selbstverständlich gab es enttäuschte Gesichter bei den Öffentlichkeitsarbeitern. Auch die Parallel-Verteidiger wären sicher nicht angereist, um sich die Reue-Vorträge der geständigen Angeklagten anzuhören. Aber auf diese Interessen muß eine Strafkammer keine Rücksicht nehmen.

Bedauernswert sind die Angeklagten. Seit einem Jahr leben sie mit der Ungewissheit, was am Ende aus der Justiz hinten rauskommt. Auch die – weit angereisten – Familienmitglieder hatten sich für ihre Partnerschaften Gewissheit erhofft. Nicht der Knast ist das Schlimmste, was die Jungs erwartet. Sondern die quälende Ungewissheit, die seit Monaten offene Frage, ob es doch noch eine bedingte Freiheitsstrafe gibt bzw. wie lange sie einfahren müssen.

Deswegen war der Beschluß, mit dem die Verhandlung ohne Urteilsverkündung unterbrochen wurde, das schlimmste aller denkbaren Ergebnisse des heutigen Tages. Das hätte das Gericht anders organsieren können, wenn es sich ein paar Gedanken über die Konzenquenzen einer solchen Entscheidung gemacht hätte.

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Bild: © Peter Smola / pixelio.de

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7 Antworten auf Verschobenes Urteil in Potsdam

  1. 1
    Daarin says:

    Damit war ja nunmal nicht zu rechnen, dass die Verteidiger in dem anderen Verfahren nicht nur in der Nase bohren sondern tatsächlich auch Anträge stellen? Und hätte man dann nicht das Verfahren verzögern können das eh noch etwas länger dauert?

  2. 2
    Anonym says:

    @Daarin
    nicht wenn man fristenmässig immer auf Kante näht. So ein 20 Minuten Tag (für einige tausend Euro Kosten) ist vermutlich immernoch besser, als wenn der andere Prozess platzt. Dort sitzen ja auch Angeklagte, denen es nicht besser geht und zudem haben die auch noch Konfliktverteidiger. Da möchte man nicht (wie schonmal) von Null anfangen.

  3. 3
    K75 S says:

    Also ich bin da ja ein blutiger Laie aber … ist es normal, dass wegen eines (sicherlich nicht unbegründeten) Antrages in einem anderen Verfahren hier alles stehen und liegen gelassen wird?

    Irgendwie kommt mir dabei wieder die Frage 2 aus der Umfrage (wo isse nur?) in den Sinn:
    >Zitat<
    Können die Angeklagten erwarten, daß der Richter die weiteren parallelen Beweisaufnahmen auseinander halten kann.

  4. 4
    Leser says:

    „Deswegen war der Beschluß, mit dem die Verhandlung ohne Urteilsverkündung unterbrochen wurde, das schlimmste aller denkbaren Ergebnisse des heutigen Tages.“

    Wäre bspw. eine Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe ohne Bewährung nicht zumindest für die Angeklagten schlimmer gewesen? Die Unsicherheit ist sicherlich unbefriedigend und ein Problem für sich, aber das „schlimmste aller denkbaren Ergebnisse“… naja.

  5. 5
    Anonym says:

    Sehe ich eigentlich auch so. Die Ungewissheit besteht ja nicht seit Prozessbeginn, sondern bereits seit fast 4 Jahren. Da kommts auf eine Woche mehr nun auch nicht mehr an. Ärgerlich ist lediglich die Fahrt, die je nach Angeklagten inkl. Verdienstausfall ja einige hundert Euro kostet. (Verteidigervergütung kommt noch hinzu) Solange sich diese Faktoren aber zumindest ein klein wenig auf ein milderes Urteil auswirken, „passt das schon.“

  6. 6

    Die armen, armen Straftäter.

  7. 7

    Hoffentlich wird aus dem Verschobenen nichts Verschrobenes.