Wer steht da eigentlich vor Gericht?

Ist das nur der greise Buchhalter? Oder auch die Justiz, die sich drei Generationen Zeit ließ, um die Vorschriften zur Beihilfe zum Mord zu entdecken? Oder gibt es die §§ 211, 27 StGB erst seit dem 12.05.2011?

Dieser Beitrag wurde unter Justiz veröffentlicht.

12 Antworten auf Wer steht da eigentlich vor Gericht?

  1. 1
    RA Schepers says:

    Ich kann mir schon denken, welches Verfahren Sie meinen. Aber ein kleiner Hinweis (Konkretisierung, Link) wäre nett ;-)

  2. 2
    Spargeltarzan says:

    „Der Prozess gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning in Lüneburg ist nur durch eine veränderte Rechtsauffassung möglich geworden. Diese betrifft die Bewertung des Straftatbestands der Beihilfe zum Mord. Die Justiz besteht seit 2011 nicht mehr darauf, eine direkte Beteiligung an den Mordtaten in Vernichtungslagern nachzuweisen. Seitdem können also solche NS-Helfer belangt werden, die nicht aktiv an Verbrechen beteiligt waren – also jeder, der in einem KZ gedient hat, beispielsweise auch Köche oder medizinisches Personal.“
    Quelle: http://goo.gl/mX89Hg

  3. 3
    jj preston says:

    Die Frage ist: Cui bono? 70 Jahre später.

    Es ist schon ein reichlich absurdes Spektakel: Auf der einen Seite stellt man Gröning, Demjanjuk und Co. drei Generationen nach ihren Taten vor Gericht, und auf der anderen Seite tut man alles, um die Beteiligung der Verfassungsschutzämter und ihrer Bediensteten an der NSU-Mordserie zu verschleiern, erfreut sich der Tatenlosigkeit der Polizei gegen rechte Straftäter und lächelt beim Zusammenknüppeln der Linken.

    Manchmal bin ich versucht, mit ausgestrecktem rechten Arm zu grüßen und zwei bestimmte Erkennungsworte zu sprechen, nur um in diesem Land nicht aufzufallen…

  4. 4
    Mitlesender says:

    [Entbehrliche Angriffe gegen die Person gelöscht. crh] Gewalt gegen Linke entstammt dem linken Märchenbuch genauso, wie die angebliche Tatenlosigkeit gegen das rechte Spektrum.

    Es ist doch seit Jahren so, dass die Polizeien angehalten sind, gegen Rechte mit der niedrigsten Hemmschwelle vorzugehen, was z.B. nach der Rechtsauffassung gewisser Polizeiführer, die auch in der DDR höchste Offiziersgrade innehatten, die Ingewahrsamnahme von Personen des rechten Sprektrums selbst bei Bagatellen (Parolen rufen) als gerechtfertigt ansieht, gleichzeitig aber das Auflösen linker Geburtstagsfeiern nach mehrfachen Einsätzen wegen Ruhestörungen verurteilt. Polizisten, die konsequent gegen Linksextreme vorgehen, so wie es Recht und Gesetz vorsehen, sehen sich Gewaltexzessen nicht nur im Dienst, sondern auch im privaten Umfeld gegenüber. Gedeckelt von feiger Politik. Links ist die grössere Gefahr in diesem Staat, brutaler, selbstgerecht, hemmungslos und tabulos. Das ist die Realität der Strasse.

    • Bitte bleiben Sie künftig wieder einigermaßen sachlich. crh
  5. 5
    nogidu says:

    Es haben auch Juden Dienste verrichtet.

    Jüdischen Polizisten wurde nach dem Kriege von Überlebenden oftmals Fehlverhalten vorgeworfen. In Israel wurden mehrere Polizisten aufgrund des Gesetzes zur Bestrafung von Nazis und Nazihelfern angeklagt. Die meisten wurden freigesprochen, weil die Gerichte die außerordentlichen Umstände berücksichtigten.

  6. 6
    RA Tatouille says:

    Die Behauptung der Staatsanwaltschaften, erst durch die (nicht rechtskräftig gewordene) „neue“ juristische Bewertung durch das Landgericht München I im Fall Demjanjuk sei den Verfolgungsbehörden ein Licht aufgegangen und die Möglichkeit gegeben worden, solche Fälle anzuklagen, schwankt zwischen lächerlich, peinlich und absurd.

    Diese juristische Bewertung lag ja nicht erst dem nicht rechtskräftigen Urteil eines einzelnen Landgerichts zugrunde, sondern schon der Anklage und dem Eröffnungsbeschluß. Abgesehen davon hätten die Staatsanwaltschaften – wenn es gewollt gewesen wäre – die Auffassung schon in den vergangenen 70 Jahren vertreten und immer wieder versuchen können, ihr bei den jeweils zuständigen Landgerichten und beim BGH Geltung zu verschaffen.

    Es war aber in den vergangenen Jahrzehnten rechtspolitisch nicht gewollt, jeden „kleinen Gehilfen“ anzuklagen, weil sich dann ein „halbes Volk“ gegenseitig selbst vor Gericht hätte stellen müssen, angefangen bei den damaligen Staatsanwälten und Richtern, die nicht nur im Strafrecht kräftig mitgewirkt haben, die nationalsozialistische Rechtsauffassung in allen Lebensbereichen – auch im Zivil- und Verwaltungsrecht – durchzusetzen.

    Da die Mehrzahl eben jener Staatsanwälte und Richter nicht nur unbehelligt blieben und weiter Dienst taten, sondern auch die Ausbilder und Vorgesetzten der nachfolgenden 2-3 Richtergenerationen waren, ist die frühere Rücksichtnahme auf die „kleinen Räder im Getriebe“ kam verwunderlich.

    P.S. In vielen Landgerichten und Staatsanwaltschaften hängt ja noch die „Ahnengalerie“ alter Fotos früherer Behördenleiter. Über manche Namen und Fotos kann man sich nur wundern.

  7. 7
    klausi says:

    ist wohl mal wieder die überlastete justiz. wieso auch immer man 70 jahre später einen buchhalter vor gericht zerrt

  8. 8
    nogidu says:

    Gröning bat um seine Versetzung, die schließlich im Oktober 1944 bewilligt wurde. Er kämpfte dann an der Westfront, wurde verwundet und nach dem Krieg bis 1948 in verschiedenen Lagern interniert.

    Was hätte er mehr tun können ?

    • Diese Frage wird Ihnen ganz bestimmt das gerichtliche Urteil beantworten. crh
  9. 9
    Redakteurin says:

    @ nogidu,

    worauf wollen sie mit Ihrem Hinweis hinaus? Soweit ich weiß, wurden in Auschwitz Gefangene vor die Wahl gestellt, entweder Mittäter zu werden oder selbst zu sterben. Vor dieser Wahl stand Gröning nicht. Er hat sich freiwillig zur SS gemeldet.

    • Ob der Angeklagte eine Wahl hatte oder nicht, ob er seinerzeit im Alter von 20(?) Jahren schon soweit war, „freiwillig“ entscheiden zu können, möchte ich gern der Beweisaufnahme des Gerichts überlassen. Und nicht vorschnell im Chorus mit der vox populi (und dem Boulevard) eine Entscheidung treffen. Die Frage von „Nachdenklich“ ist berechtigt. Ich war im Alter von 20 Jahren jedenfalls alles andere als unbeeinflußt vom damalige Zeitgeist der ausgehenden 68er … crh
  10. 10
    Nachdenklich says:

    @ Redakteurin:

    Können Sie für sich 100%ig ausschließen, daß Sie damals nicht dem widerlichen Zeitgeist hinterhergerannt wären, wenn Sie in dieser Zeit gelebt hätten und entsprechend erzogen wurden? Falls Sie das können, muß ich mir unbedingt eine Kamera besorgen und Kamele beim Durchqueren von Nadelöhren filmen.

  11. 11
    Carlo says:

    Der Sachverhalt ist ja nicht groß streitig. Insofern können wir uns durchaus schon jetzt Gedanken machen, ob jeder, der im Zusammenhang mit dem massenmörderischen Geschehen untergeordnete Hilfstätigkeiten geleistet hat, damit nicht nur moralisch falsch gehandelt hat, sondern ganz konkret das strafwürdige Unrecht vorsätzlicher Mordbeihilfe verwirklicht hat – der Wachmann, der Buchhalter, der Wertsachenverwalter, aber auch der Küchenjunge, der Zahnarzthelfer, das Bahnpersonal, die Hilfspolizisten am Herkunftsort, Hunderttausende eben. Und wenn wir sicher sind, dass das so ist, können wir Herrn Hoenig in dem Vorwurf recht geben, dass man diese Hunderttausenden schon vor Jahrzehnten hätte anklagen müssen. Aber auch nur dann.

  12. 12
    Martin Schönfeldt says:

    Danke Herr Hoenig.

    Wäre das Potemkinsche Dorf vom menschen – und bürgerrechts warenden Rechtssystem nicht schon längst eingefallen, die wenigen Zeilen hätten für sich schon genügt. Es ist eine Wohltat zu lesen, dass es noch Juristen gibt, die nicht alles mitmachen, was ihnen von der herrschenden Meinung so vor die Nase gesetzt wird. Dazu gehört in diesen Zeiten längst wieder eine gehörige Portion Mut.

    An diesem Verfahren jedenfalls kann man die ganze Boshaftigkeit und Verlogenheit des Justizsystems ablesen. Einerseits war nicht nur den unmittelbaren Kammergehilfen eines Freislers nicht beizukommen, weil die unmittelbar von diesen Richtern festgestellten Todesurteile auf recht und Gesetz beruhten! Andererseits werden jetzt diese aufseheneregenden Beihilfeprozesse gegen jene geführt, die vielleicht einfach nur Geld verdienen wollten. Auch die Einweisung in ein KZ beruhte auf Recht und Gesetz! Merkwürdige Argumentation. Es beruhte auf Recht, dass der Füher höchstselbst in Kraft setzte. Dass dabei alles rechtens war, kann man daran erkennen, dass noch ganz viele dieser Regelungen, die auf die selbe Weise zustande kamen in Kraft sind. Das Rechtsberatungsgesetz; die Jugendämter, die Maßregeln der Sicherung und Besserung, die Sicherungsverwahrung, das Jugendstrafrecht zähle ich auch dazu. Der zweigleisige Vollzug wird gar als riesen Fortschritt gehandelt.

    Man erklärt den Studenten, wir haben uns die Dinge im Wege teleologischer Auslegung und nachträglicher demokratischer Legitimation zueigen gemacht, weil das alles so ungalublich sinnvoll sei.

    Nein, nicht wir haben uns das zu eigen gemacht. Die Kammerkollegen von Freisler, ihre Helfershelfer, ihre Freunde bei anderen Gerichten und später die Politiker, Kinder dieser Zeit, die alle sagten :“ Na ja, war doch nicht alles schlecht …“

    Wer also einen 93 jährigen Mann vor Gericht zerrt und seine Menschenrechte mit Füssen tritt, sollte sich immer die Frage stellen, warum er das eigentlich genauso tut.

    Vielleicht einfach nur um den schönen Schein weiter am Leben zu lassen. Die Freunde von Freisler oder wie der Volksmund sie nennt die „Großen“ sind längst tot. Jetzt lässt man Unbeteiligte über die Schippe springen, nur damit nicht auffällt, dass es unter den Roben nach wie vor stinkt!