Zeugenaussagen bei der Polizei: Wie geht das?

Uris Library StacksBekanntlich ist niemand verpflichtet, gegenüber der Polizei eine Aussage zu machen. Kommt also eine polizeiliche Ladung zur Zeugenvernehmung ins Haus, kann man es sich aussuchen, ob man ihr folgt oder nicht. Erst wenn ein Staatsanwalt oder ein Richter zur Vernehmung lädt, ist es ratsam seiner Ladung zu folgen. Sonst gibt’s mindestens finanziellen Ärger.

Nun gibt es gute Gründe dafür, sich als Zeuge den Fragen der Ermittler zu stellen. Zum Beispiel, weil man als vorbildlicher Bürger den Beamten bei der Arbeit behilflich sein möchte. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden.

Es ist aber immer ein gewisses Prickeln dabei, wenn man eine Zeugenaussage zu machen hat. Die strafbewehrte Wahrheitspflicht verursacht meist dieses eigenartige Gefühl in der Magengegend. Denn „Wahrheit“ ist ein verflixt dehnbarer Begriff, der je nach Perspektive und Position unterschiedlich interpretiert werden kann.

Diese Magenverstimmung hat wohl auch der „Mitleser„, ein kommentarorischer Stammgast hier im Blog. Er stellte die folgende Frage:

Man ist als „Zeuge“ ja verpflichtet auszusagen. Ist man aber auch verpflichtet, etwas zu unterschreiben (bei meinen diversen Zeugenaussagen ist mir regelmässig das Wort im Munde umgedreht worden – zumindest nach meinem Sprachverständnis. Jedenfalls wurde *nie* die wörtliche Rede wiedergegeben.)

Also, erstens:
Verpflichtet ist man nicht zur Zeugenaussage bei der Polizei. Das hatten wir ja gerade schon.

Und zweitens:
Allein deswegen ist auch man nicht verpflichtet, irgendwas zu unterschreiben. Egal, was auf den Formblättern da steht.

Aber:
Die verweigerte Unterschrift nützt am Ende gar nichts; denn der Vernehmungsbeamte wird im Zweifel irgendwann befragt werden, ob der Zeuge denn das so ausgesagt hat, was da nicht unterschrieben wurde. Und schon ist der Sack zu.

Und jetzt?
Was kann der vorsichtige Zeuge also tun? Wenn er sicher stellen will, daß nur das in die Akte kommt, was er in seinem Kopf zu Worten geformt hat. Und nicht das, was sich der Vernehmungsbeamte (aus-)gedacht hat?

 
Ganz einfach:
Der Zeuge schreibt seine Aussage selbst und vorher zuhause auf, bringt einen unterschriebenen Ausdruck mit zur Vernehmung und gibt diesen dann zur Akte. Falls notwendig, kann der Zeuge vorher telefonisch das Beweisthema erfragen. Ergänzende Fragen kann der Zeuge beantworten, muß er aber nicht.

  • Und was passiert, wenn der Beamte nicht mitspielt? Dann gibt es eben keine Aussage. Punkt.

Etwas schwieriger:
Der Zeuge verlangt die wörtliche Protokollierung, also er diktiert seine Antworten dem Polizeibeamten ins Zweifingersuchsystem.

  • Und was passiert, wenn der Beamte nicht mitschreibt? Dann gibt es eben keine Aussage. Punkt.

Für Erwachsene:
Der Zeuge verlangt die audio-visuelle Aufzeichnung seiner Vernehmung. Das muß er vorher allerdings ankündigen, sonst fehlt es bei dem Vernehmungstermin an der notwendigen Technik.

  • Und was passiert, wenn der Beamte kein Gerät hat oder es nicht einschaltet? Dann gibt es eben keine Aussage. Punkt.

Für Fortgeschrittene:
Der Zeuge wendet sich an einen erfahrenen Strafverteidiger und bittet darum, ihn als Zeugenbeistand zu beraten und zu begleiten. Das ist besonders dann eine schlaue Idee, wenn man nicht weiß, ob man wirklich (noch) Zeuge oder (schon) Beschuldigter ist.

Noch zur Abrundung:
Das oben beschriebene Prickeln sollte sich nicht nur auf den Polizeibeamten und später auf den Staatsanwalt und das Gericht beziehen. Besonders Belastungszeugen sollten auch den Verteidiger des Belasteten im Focus behalten, denn der wird den Zeugen auch noch befragen. Und nichts regt die Phantasie eines Strafverteidigers so an wie ein Zeuge, der seinen Mandanten belastet.

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Bild: © Alex, „Uris Library Stacks“ / www.piqs.de * Some rights reserved.

Dieser Beitrag wurde unter Zeugen veröffentlicht.

7 Antworten auf Zeugenaussagen bei der Polizei: Wie geht das?

  1. 1
    Alex says:

    ist der Sack zu, nicht in.

    • Thx! crh
  2. 2
    Tealk says:

    Erst wenn ein Staatsanwalt oder ein Richter zur Vernehmung lädt, ist es ratsam seiner Ladung zu folgen. Sonst gibt’s mindestens finanziellen Ärger.

    Das heißt was genau? Was passiert wenn man dort der Einladung nicht folgt? Wäre auch ganz interessant zu wissen. :)

  3. 3
    Rene says:

    Wenn der Zeuge mit Zeugenbeistand kommt, könnte es dann nicht eventuell für den Polizeibeamten der Tipp sein in diese Richtung etwas tiefer zu graben?

    Mir fehlt die Erfahrung in der Hinsicht, aber kann mir vorstellen, dass es unter gewissen Umständen – obwohl es das gute Recht eines jeden Zeugen ist – kontraproduktiv sein könnte. Oder sagt die Erfahrung (erfreulicherweise) etwas anderes?

    • Wenn Sie in dieser Hinsicht solche Bedenken haben, sollten Sie AUF GAR KEINEN FALL ohne Beistand zur Vernehmung gehen! crh
  4. 4
    BV says:

    @ Tealk, # 2:

    Die Folgen für einen ordnungsgemäß geladenen und unentschuldigt ferngebliebenen Zeugen können Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, bzw. die Vorführung sein (§§ 161 a II, 51 StPO).

  5. 5
    Draalo says:

    „Allein deswegen ist auch man nicht verpflichtet, irgendwas zu unterschreiben. Egal, was auf den Formblättern da steht.

    Aber:
    Die verweigerte Unterschrift nützt am Ende gar nichts; denn der Vernehmungsbeamte wird im Zweifel irgendwann befragt werden, ob der Zeuge denn das so ausgesagt hat, was da nicht unterschrieben wurde. Und schon ist der Sack zu. “

    Was passiert denn wenn der Beschuldigte in der Verhandlung aussagt das er seine Unterschrift verweigert hat weil der Beamte seine Aussagen nicht so zu Protokoll nehmen wollte wie Ausgesagt sondern „die Richtung“ der Aussage eigenmächtig vorgeben wollte? Das die Aussageverweigerung (u.a.) deswegen vorgenommen wurde um sich nicht das Wort im Mund rumdrehen zu lassen?

    Schutzbehauptung?

  6. 6
    WPR_bei_WBS says:

    Dank der derzeitigen technologischen Möglichkeiten: Was ist mit der Variante, die Aussage einfach selbst mit dem Handy / Diktiergerät aufzunehmen? Natürlich nachdem man den Polizisten vorher informiert / gefragt hat (beim nein gibt’s halt keine Aussage). Hat den Vorteil, dass so ein Band nicht ganz so einfach verschwinden kann.

    Weitere Alternative / Frage: Welchen Wert hat ein eigenes Gedächtnisprotokol (falls das Kind schon in den Brunnen gefallen ist), direkt nach der Vernehmung geschrieben (und am besten irgendwie zeitgestempelt).

    Und (sorry, bin gerade in Fahrt) Frage drei: Was bringt es, auf dem falschen Protokoll des Polizisten die Punkte einfach handschriftlich zu korrigieren bzw. „Falsch“ drauf zu schreiben?

  7. 7
    Meuchelpuffer says:

    Wer Dreck am Stecken hat, muss halt abwägen, ob er lieber das Risiko eingeht, sich ohne anwaltlichen Beistand zu verplappern, oder ob er lieber einen Verteidiger mitnimmt und dadurch quasi ein Schild um den Hals trägt: „Ich habe Dreck am Stecken“.

    • Das ist nicht stets das Problem. Unangenehm wird es immer dann, wenn man ohne Schild zur Vernehmung geht und dieses Schild dann vom Vernehmungsbeamten erst umgehängt bekommt (obwohl man es nicht verdient hat). Nein, im übrigen sind die meisten Kriminalbeamten gescheit genug, die Vertretung eines Zeugen durch einen Anwalt zu akzeptieren, nicht selten sind sie auch froh darüber, daß er ihnen auf die Finger guckt – dann kann der Anwalt zumindest hinterher nicht rummeckern. crh