Monatsarchive: Februar 2016

Das Glücksspiel mit der Pflichtverteidigung

Der Mandant hat ein großes Problem. Er soll die Qualität eines Strafverteidigers beurteilen, bevor der Verteidiger für ihn tätig wird. Aber erst in der Rückschau, also nach der Einstellung des Verfahrens, nach dem Freispruch oder nach der Verurteilung weiß der Mandant, ob sein Anwalt gut war. Oder eben nicht. Im letzteren Fall ist es zu spät.

Es gibt aber ein paar Kriterien, anhand derer der Mandant vorhersehen kann, ob „sein“ (Pflicht-)Verteidiger etwas taugen wird oder nicht. Ich will nicht zu viel versprechen: Es bleibt schwierig, insoweit in die Zukunft zu blicken.

Wie es jedoch auf keinen Fall funktionieren sollte, darüber berichte ich auf www.JVA-Moabit.de.

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Die Pauschalen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes

Die GmbH ist in Schieflage geraten. Es wurde ein Insolvenzantrag gestellt. Der Insolvenzverwalter vertrat die Ansicht: Viel zu spät!

Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren wegen „Insolvenzverschleppung pp.“ eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft beauftragte den Wirtschaftsreferenten bei der Ermittlungsbehörde mit einem Gutachten.

Es sollte festgestellt werden,

ob und ggf. wann Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung eingetreten ist und, wenn ja, ob bzw. ab wann diese für den Beschuldigten erkennbar war.

Außerdem sollte untersucht werden,

ob die Handelsbücher der GmbH bei Überschuldung oder drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit so geführt wurden, dass die Übersicht über den Vermögenstand der GmbH erschwert wurde.

Der Geschäftsführer beauftragt einen Strafverteidiger, der ihn durch das Strafverfahren begleiten und das Schlimmste verhindern soll.

Es stellt sich die Frage nach der Höhe der Vergütung des Verteidigers.

 

Es wird ein Verfahren werden, das vor dem Amtsgericht geführt werden wird. Die Vergütung nach dem RVG sieht dann so aus (Quelle: Rechtsanwaltsgebuehren.de)

RVG-Gebühren

Netto, also ohne die Umsatzsteuer, sieht das RVG also durchschnittlich rund 800 Euro für den Verteidiger vor. Beim Ansetzen der Maximalgebühr wären das 1.413 Euro. Reicht das?

An dieser Stelle fällt der Blick auf den letzten Satz des Gutachtens des Wirtschaftsreferenten:

Auswertungszeit

Diese Arbeitszeit steht dem Verteidiger ebenfalls bevor, wenn er sich mit dem Papier auseinanderzusetzen hat. Aber das, was der Staatsanwaltschaft vorliegt, ist ja nicht das einzige, was die Verteidigung zu sichten und zu bearbeiten hat. Es sind die Unterlagen der Mandantschaft, die Besprechungen mit Zeugen, Steuerberatern und anderen Informationsquellen; mit Staatsanwälten, Referenten und Richtern. Es müssen Beweisanträge vorbereitet werden, Erklärungen und vielleicht auch noch das Plädoyer.

Was schlägt die Leser-Gemeinde dem Verteidiger und seinem Mandanten vor?

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§ 3 Satz 1 Nr. 13 TierSchG ist verfassungsgemäß

603159_web_R_K_B_by_daniel stricker_pixelio.deDer Schutz des Wohlbefindens von Tieren durch einen Schutz vor artwidrigen sexuellen Übergriffen sei ein legitimes Ziel. Das haben diese Richter kurz nach dem Nikolaustag festgestellt.

Dazu und zum Thema: „Eine Verfassungs-beschwerde, die man nicht erwarten konnte.“ gibt es aus Karlsruhe die Pressemitteilung Nr. 11/2016 vom 18.02.2016 des Bundesverfassungsgerichts.

Die Mitteilung in Kürze:

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen einen Ordnungswidrigkeitentatbestand im Tierschutzgesetz nicht zur Entscheidung angenommen. Danach können sexuelle Handlungen mit Tieren, durch die sie zu einem artwidrigen Verhalten gezwungen werden, mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet werden. Die zwei Beschwerdeführer fühlen sich zu Tieren sexuell hingezogen. In Anbetracht des vom Gesetzgeber verfolgten Schutzzwecks ist der durch das Verbot bewirkte Eingriff in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführer verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Ordnungswidrigkeitentatbestand genügt darüber hinaus den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots.

Wer sich weiter mit dieser Problematik des Ordnungswidrigkeitenrechts beschäftigen möchte, mag sich die Langfassung der Mitteilung zum Beschluss (1 BvR 1864/14) vom 08. Dezember 2015 hier anschauen.

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Bild: © daniel stricker / pixelio.de

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Beschleunigte Bearbeitung

Die Rechtsnormen, die den bedauernswerten Jurastudenten die meisten schlaflosen Nächte bereiten, sind Gegenstand einer Wirtschaftsstrafsache, in der ich seit vergangem Jahr unterwegs bin: Untreue, Unterschlagung, Betrug und Urkundenfälschung.

Anno Domini 2013
Es begann mit einer Strafanzeige, die eine zivilrechtlich ausgerichtete Kanzlei für zwei angeblich Geschädigte geschrieben hat. Das sauber geschnürte Paket mit Anlagen und allem Pipapo erreichte die Staatsanwaltschaft am 20. des Monats. Den Zivilisten ging es dabei besonders um die Sicherung des extrem flüchtigen Vermögens, also um Bankguthaben und Bargeld.

Acht Tage später, am 28. des Monats, verfügte der zuständige Staatsanwalt die Einleitung des Ermittlungsverfahrens:

Einleitungsvermerk

Weitere sieben Tage später hatte Herr KOK beim LKA die Akte dort angelegt.

Knapp einen Monat nach der Anzeige schrieb die Kanzlei noch einmal an die Staatsanwaltschaft:

Nachschlag

Zwei Monate nach der Anzeige bat der Staatsanwalt die Banken gem. § 161a StPO um allerlei Auskünfte, u.a. über die Kontenstände.

Anno Domini 2014
Es dauerte eine weitere Woche, bis das Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluß erlassen hat. Der aber der Ergänzung bedurfte. Das hat dann weitere zwei Monate später auch geklappt. Mittlerweile waren vier Monate seit der Strafanzeige ins Land gegangen.

Aber dann gings endlich los. Also um ziemlich genau zu sein, drei Monate, nachdem der Durchsuchungsbeschluß ergänzt wurde, sollte es losgehen. Der Beschluß wurde vollstreckt! An der Adresse, die der Anzeigeerstatter gut sieben Monate vorher mitgeteilt hatte. Und die der KOK beim LKA (siehe oben) bestätigen konnte. Damals jedenfalls.

Als die Durchsuchungskommision an der Adresse klingelte, öffneten verdutze Menschen, die zwei Wochen zuvor in die Wohnung eingezogen waren. Sie hatten die gut gepflegte Wohnung von einem befreundeten Paar übernommen, das insgesamt nur zwei, drei Monate dort gewohnt hatte.

Im Protokoll der traurigen Beamten war zu lesen:

Unbekannt verzogen

Nach nur zwei weiteren Monaten fand dann ein weiterer Versuch statt, den erneut geänderten Durchsuchungsbeschluß zu vollstrecken. Diesmal mit Erfolg! Man hatte die richtige Adresse. Und die Durchsuchungsbeamten konnten etwas finden, das so aussah, als könnte man es für das weitere Ermittlungsverfahren gebrauchen:

Beschlagnahmt

Die Ausbeute, neun Monate nach der Strafanzeige: Drei filmdünne Briefumschläge.

Dann war da noch ein Brief der Staatsanwaltschaft an die Kanzlei der Geschädigten:

Urlaub

Anno Domini 2015
Ich hatte bereits einmal Akteneinsicht für den Beschuldigten erhalten. Vor einem halben Jahr. Da waren die Ermittlungen noch nicht soweit fortgeschritten, daß ich eine Verteidigungsschrift hätte zur Akte reichen können.

Anno Domini 2016
Jetzt, 2 1/2 Jahre nach der Strafanzeige, habe ich noch einmal um ergänzende Akteneinsicht nachgesucht. Mal schauen, ob sich zwischenzeitlich etwas Neues ergeben hat.

Liebe Zivilrechtler.
Die Strafanzeige war handwerklich sauber, sachlich fundiert, vollständig und vor allem: vollkommen frei von irgendwelchen übertriebenen Emotionen. Einfach nur gut. Auch aus der Sicht eines Strafverteidigers.

Aber:
Die Staatsanwaltschaft ist in Wirtschaftsstrafsachen der denkbar ungeeigneteste Ansprechpartner, wenn es um die Sicherung von Vermögenswerten geht. Das zu belegen, war der Sinn dieses epischen Blogbeitrags.

Und was passiert jetzt?
Irgendwann – vielleicht noch in diesem Jahrzehnt – wird Anklage erhoben, der Beschuldigte wird dann Jahre später rechtskräftig verurteilt; es ist nicht auszuschließen, daß es sogar eine unbedingte Freiheitsstrafe wird (aber nur, wenn ich als Strafverteidiger nicht aufpasse). Was das für die Vermögenswerte Eurer Mandanten bedeutet, muß ich nicht weiter ausführen.

Laßt Euch einfach etwas anderes einfallen, wenn Ihr im Auftrag Eurer Mandanten veruntreutes oder unterschlagenes Vermögen für sie zurückholen wollt. Vielleicht solltet Ihr dazu mal einen Strafverteidiger fragen, wie deren Mandanten so einen Job erfolgreich erledigen … Strafanzeigen jedenfalls gehören nicht zu deren Repertoire.

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Massenhaft Knöllchen in Berlin

Blitzer an der BundesalleeWir kennen sie alle: Die Blitzer, die an 14 Stellen der Hauptstadt den Fahrzeugverkehr beobachten. Mehr als eine Viertelmillion Mal (250.000) hat es in 2015 unangenehme Photos gegeben, die der Herr Polizeipräsident den Auto- und manchmal auch den Motorradfahrern geschickt hat.

Es gibt auch ein Ranking zwischen den festinstallierten Meßgeräten, berichtet der Berliner Tagesspiegel.

  1. Im Blitzer Britzer Tunnel (A100) hat der Schwarzblitzer fast 300 mal täglich gezuckt.
  2. Am Siemensdamm, kurz vor dem Jakob-Kaiser-Platz, gab es immerhin noch 120 freundliche Frontphotos pro Tag.
  3. Die Bronzemedaille geht an die Säule in der Schildhornstraße, dort druckte der PolPräs 75 mal das wenig beliebte Ticket.

Auch wenn man genau weiß, wo diese Dinger stehen, passiert es selbst ortskundigen Fahrern immer mal wieder, an ihnen vorbei zu semmeln. Das nachfolgende Bußgeld-Verfahren läuft dann größtenteils automatisiert ab.

Man kann dann ebenso automatisch ins Portemonnaie greifen und zahlen – solange mit dem Bußgeld keine Punkte ins Flensburger Register oder gar ein Fahrverbot verbunden sind. Spätestens dann tut’s weh und es ist sinnvoll, sich die Sache genauer anzuschauen.

  • Steht wirklich fest, wer gefahren ist?
  • War die Technik der Geräte in Ordnung?
  • Sind die Verfahrensvorschriften eingehalten worden?
  • Kann man mit Einsicht und Reue die Standard-Folgen abmildern?

Alles Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind. Und dann gibt es noch den Richter, bei dem man – ähnlich wie bei einem Betrunkenen – nie vorhersagen kann, in welche Richtung er torkelt. Was es sonst noch für Möglichkeiten gibt, steht hier.

Und schaden kann’s auch nicht, denn schlimmer als im Bußgeldbescheid vorgesehen, kann es eigentlich nicht werden. Solange der Verteidiger ein bisschen Routine hat und aufpaßt. Und wenn ein Routinier am Werk ist, gibt es immer mal wieder positive Überraschungen.

Versuch macht kluch, diese Lebensweisheit gilt auch und gerade im Bußgeldrecht.

Nebenbei:
Wer meint, er brauche in Bußgeldsachen keinen Verteidiger, oder wer sich keinen leisten möchte – der kann sich ja mal zu unserem kostenlosen eMail-Kurs anmelden: Selbstverteidigung in Bußgeldsachen. Mit ein bisschen Glück geht’s auch ohne Verteidiger.

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Bild: Sebastian RittauEigenes Werk, CC-BY 4.0

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Mahlzeit!

Ich bin mir nicht sicher, ob ich jetzt noch Appetit für die bevorstehende Mittagspause habe. Nach dieser Pressemeldung Nr. 038/2016 vom 15.02.2016 der Pressestelle des Bundesgerichtshofs:

Das Landgericht Dresden hat einen Beamten des Landeskriminalamts Sachsen wegen Mordes in Tateinheit mit Störung der Totenruhe zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt (Urteil vom 1. April 2015 – 1 Ks 140 Js 56327/13).

Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der voll schuldfähige Angeklagte einen 59-jährigen Mann, um die anschließende Zerstückelung des Körpers zu ermöglichen, von der er sich sexuellen Lustgewinn versprach. Das Tatopfer war mit dem Handeln des Angeklagten einverstanden. Es hatte den Wunsch, von ihm geschlachtet und verspeist zu werden.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Tat zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und zur Ermöglichung einer Straftat begangen worden ist. Von der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe hat es abgesehen, da das Tatopfer mit der Tötung durch den Angeklagten nicht nur einverstanden war, sondern diese aufgrund eines seit mehreren Jahren stabil bestehenden Wunsches auch unbedingt wollte.

Gegen das Urteil haben der Angeklagte mit dem Ziel des Freispruchs und die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, dass gegen den Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe hätte verhängt werden müssen.

In der Beweisaufnahme dieses Schwurgerichtsverfahren werden bestimmt ein paar leckere bunte Bildchen Gegenstand der Inaugenscheinnahme gewesen sein. Ich bedauere aufrichtig die insoweit hilflosen Schöffen, die in der Regel nicht das dicke Fell der schwarzberobten Beteiligten gehabt haben dürften.

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Der Konjunktiv und die Videoüberwachung

Eine gute Idee, die Herr Senator Heilmann via FAZ/dpa verbreitet:

Mehr Video

Das entlastet die Geschädigten. Und ist grundsätzlich zu befürworten (solange dabei auch die Rechte des Beschuldigten berücksichtigt würden).

Wenn dann das Gerät endlich auch noch in ausreichender Zahl bei den Landeskriminalämtern vorhanden wäre und die Beamten in der Bedienung des Aufzeichnungsgerätes geschult worden wären, dann könnten auch die Vernehmungen der Beschuldigten aufgezeichnet werden.

Damit wären die meisten Auseinandersetzungen zwischen Anklägern und Verteidigern hinfällig, wenn es um Fragen der richtigen Belehrung, verbotener Vernehmungsmethoden, Suggestivfragen, Beeinflussungen … durch Polizeibeamte geht.

Man wird ja mal träumen dürfen …

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Der Reflektor bei der Staatsanwaltschaft Berlin

Ich habe gerade eine simple Sachstandsanfrage an die größte deutsche Staatsanwaltschaft geschickt. Offenbar habe ich jemanden erschreckt. Denn anders ist diese Reaktion kaum zu erklären:

Reflektor der StA

Vielleicht ist es besser, beim Fax zu bleiben. Daran ist man in Moabit ja zwischenzeitlich gewöhnt.

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Getrennte Haltung

Thema eines weiteren Blogbeitrages auf unserer Seite www.JVA-Moabit.de sind die

Haftgrundbezogenen Beschränkungen während der Untersuchungshaft„.

Das ist auch die Überschrift des § 119 StPO, der unter anderem die Einzelhaft regelt. Welche erheblichen Konsequenzen damit verbunden sein können, darüber habe ich heute unter dem Titel Tätertrennung und die Gegenmittel auf unserer Seite  berichtet .

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Bild: © Peter Reinäcker / pixelio.de

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Hartnäckig, aber dumm

Schon ein unterdurchschnittlich begabter Rechnungsempfänger wird sich bei dieser „Mahnung“ am Kopf kratzen:

Branchenregister

Es sei mir die Frage gestattet, welcher Blödmannsgehilfe diesen Text entworfen hat.

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