Monatsarchive: April 2016

Ein altes Schlachtroß

745591_web_R_by_Kai und Kristin Fotografie_pixelio.deAm liebsten sind mir Staatsanwälte, wenn sie kurz vor der Pensionierung stehen. Erfahrene Schlachtrösser, die sich nicht mehr aus der Ruhe bringen lassen.

In der vergangenen Woche hatte ich das Vergnügen mit einem solchen Exemplar.

Meinem Mandanten mißfiel die nicht bewährungsfähige Freiheitsstrafe, die er sich in der ersten Instanz gefangen hatte. Deswegen standen wir nun vor der kleinen Strafkammer und kämpften in der Berufung um die maximalen zwei Jahre. Und um die „besonderen Umstände“ (§ 56 II StGB), die ihm nochmal eine Chance geben sollten.

Sein Problem waren aber (unter anderem) die reichlichen Vorstrafen, die er in den vergangenen Jahren abgeräumt hatte. Dazu hatte ich mir ein – wie ich meinte – schlagkräftiges Argument einfallen lassen.

In meinem Schlußvortrag habe ich darauf hingewiesen, daß die abgeurteilten Taten – bis auf eine kleine – schon lange Jahre her sind. Und nun ist er ja aus Berlin weggezogen, trinkt keinen Alkohol mehr und lebt getrennt von den Kreisen, mit denen er die neuerliche Tat begangen hat. Auf dem platten Brandenburger Land habe er gar keine Möglichkeit mehr, sich zu neuen Straftaten hinreißen zu lassen.

Völlig unaufgeregt und im breiten Berliner Dialekt erwiderte der Oberstaatsanwalt. In seinem ausführlichen Plädoyer wies er, in sich selbst ruhend, darauf hin: Nur die eine kleine Sache sei vom Amtsgericht Tiergarten abgeurteilt worden. Alle anderen Taten sind in dem Sprengel passiert, in den er sich nun zurück gezogen hat. Die Vergangenheit habe also deutlich gezeigt: Das platte Land hält ihn von den Straftaten nicht ab.

Ich hatte gehofft, daß der Staatsanwalt sich den Strafregisterauszug nicht so genau anschaut. Vergeblich. Aber so schön und souverän hat mir Esel noch kein Staatsanwalt die Beine unter dem Hintern weggezogen.

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Bild: © Kai und Kristin Fotografie / pixelio.de

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Presseerklärung zu Staatsanwalt Roman Reusch

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. wendet sich – meiner Ansicht nach zu Recht – gegen die Beförderung des Roman Reusch zum Leitenden Oberstaatsanwalt, der damit bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin die Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale Rechtshilfe“ als Chef übernimmt.

Hier die Presseerklärung des Vorstands vom 19.04.2016 (Verlinkungen durch den Blogautor):

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger protestiert gegen die Beförderung von Staatsanwalt Reusch zum Leiter der Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale Rechtshilfe“

Der Tagesspiegel berichtete in seiner Ausgabe vom 19.04.2016, dass Staatsanwalt Roman Reusch zum leitenden Oberstaatsanwalt befördert wurde und bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin die Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale Rechtshilfe“ als Leiter übernommen hat.

Dieser war im Januar 2008 von seinen Aufgaben als Leiter der „Intensivtäterabteilung“ entbunden worden, nachdem er in einem Spiegel-Interview ein dem geltenden Jugendstrafrecht widersprechendes, fremdenfeindlich durchsetztes Interview gegeben hatte. Die damaligen Besorgnisse einer xenophoben Einstellung von Herrn Reusch werden durch seine Vorstandstätigkeit in dem von Herrn Gauland geführten Landesverband der AfD in Brandenburg eindrucksvoll und aktuell bestätigt.

Vor diesem hinlänglich bekannten Hintergrund der Einstellungen von Herrn Reusch ist die Entscheidung, ihn in verantwortlicher Position staatsanwaltschaftliche Entscheidungen über Auslieferungen treffen zu lassen, vollkommen unverständlich.

Auslieferungsentscheidungen betreffen notwendigerweise auch ausländische Staatsbürger. Ein Beamter, der sich im Spiegel u.a. mit der Äußerung hervorgetan hat, 80% der von ihm betreuten Täter hätten einen Migrationshintergrund und „in diesem Land nicht das Geringste verloren“, ist nach Auffassung der Vereinigung der Berliner Strafverteidiger ungeeignet. Die Beförderung von Staatsanwaltschaft Reusch lässt im Falle ihrer Umsetzung besorgen, dass die Staatsanwaltschaft es billigend in Kauf nimmt, sich in Auslieferungsfragen zum justiziellen Arm der AfD machen zu lassen. Sie beschädigt damit jedwedes potentielle Vertrauen in die Neutralität ihrer Entscheidungen.

In einem kommentierenden Bericht auf Spiegel Online Politik wird die Berliner Senatsverwaltung zitiert:

Doch dürfe die politische Orientierung oder Weltanschauung bei Einstellungen keine Rolle spielen, solange sich diese „im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen“.

Wenn sich jemand aus der Senatsverwaltung einmal mit dem Parteiprogramm, den Ideen und den Äußerungen dieser AfD-Politgrößen auseinander gesetzt hätte, wäre die Entscheidung – gemessen an diesem Grundsatz – sicherlich anders ausgefallen.

An dieser Stelle erinnere ich mich an die Folgen seiner DKP-Mitgliedschaft des Posthauptschaffner Bastian, der für die DKP im Marburger Stadtparlament saß: Das allein reichte, um ihn aus dem Dienst zu katapultieren.

Mit rechtsradikalen Beamten geht man in unserem Staat aus traditionellen Gründen schon seit 70 Jahren anders um.

Update 1:

Aus den Tiefen des Internets soeben ans Tageslicht gehoben:

BVerwG, 10.03.1960 – BVerwG II C 51/56
Amtlicher Leitsatz:

1. Ein Beamter auf Widerruf darf nach § 61 DBG entlassen werden, wenn er durch sein Verhalten Anlaß gegeben hat, an seiner persönlichen oder fachlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu zweifeln.

2. Die politische Betätigung des Beamten kann solche Zweifel rechtfertigen, wenn sie die Besorgnis begründet, der Beamte werde seine Verpflichtung nicht erfüllen, sich durch sein gesamtes Verhalten zur demokratischen Staatsauffassung zu bekennen.

Eine in diesem Zusammenhang lesenswerte Entscheidung, auch wenn sie schon etwas angestaubt ist.

Update 2

Newsbuzzters: Den Bock zum Gärtner gemacht.

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Erbärmliche und unredliche Staatsanwaltschaft

Deutsche BankDas Wirtschaftsstrafverfahren vor dem Landgericht München zieht sich ja nun schon eine ganze Weile.

Nun befinden sich die fünf angeklagten Banker mit ihren Verteidigern auf der Zielgeraden. Allerdings hatte die Staatsanwaltschaft vorher noch ein paar Hürden aufgestellt. Sie wollte sich doch noch einmal in der Bank umsehen.

Das Gericht lehnte aber den beantragten Erlaß eines Durchsuchungsbeschlusses ab. Ein paar Terrier bei der Staatsanwaltschaft haben sich allerdings festgebissen und Beschwerde gegen die Ablehnung erhoben.

Bis nun das OLG München über das Rechtsmittel der Strafverfolgloser entscheidet, hat das Gericht schon einmal vorsorglich die Beweisaufnahme geschlossen. Es folgten die Schlußvorträge der Staatsanwaltschaft und nun auch der Verteidiger der Angeklagten.

Die Tendenz des Gerichts zum Freispruch hatte sich seit einigen Wochen schon bemerkbar gemacht: Mit scharfer Kritik schickte der Vorsitzende Richter Peter Noll klare Botschaften in Richtung der Anklagebehörde.

Entsprechend mutig fielen dann auch die Schlußvorträge der Verteidigung aus. Wer nun meint, nur im ruppigen Berliner Kriminalgericht gibt es deutliche an Ermittler und Ankläger gerichtete Worte, hat sich getäuscht. Auch in München müssen sich die Kavalleristen der Justiz einiges anhören.

Der Verteidiger des Co-Chefs der Deutschen Bank Jürgen Fitschen, Rechtsanwalt Hanns Feigen, eigentlich ein eher zurückhaltender Wirtschaftsstrafrechtler, machte seinem Ärger am Dienstag Luft.

In seinem Plädoyer vor dem Landgericht München stellt Kollege Feigen fest: Die Staatsanwaltschaft stehe vor dem „Scherbenhaufen ihrer Anklage, will ihr Fiasko aber nicht wahr haben.“ Die Vorwürfe gegen Fitschen seien „erbärmlich und unredlich“.

Auch von außen betrachtet ist der Eindruck entstanden, daß das Pferd, das die Ankläger immer noch reiten, schon längst das Zeitliche gesegnet hat. Aber irgendwie wollen die Reiter noch nicht aus dem Sattel kommen. Es ist aber auch schwierig, aus einem Steile-Karriere-Traum aufzuwachen und feststellen zu müssen, daß die Realität anders aussieht.

Die Aktionäre der Deutschen Bank freut’s einstweilen.

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Haftgrund: Erheiterung der Staatsanwaltschaft

Manche Staatsanwälte sollte man besser in den Tagebau schicken, da wären sie vielleicht besser aufgehoben.

Der Berliner Tagesspiegel berichtete über den gewaltigen Einsatz der Polizei, mit dem in dieser Woche eine „arabische Großfamilie“ aufgemischt wurde.

Die Journalistin Fatina Keilani stellte die an einen (leider nicht namentlich benannten) Staatsanwalt gerichtete Frage nach dem Fortgang des Verfahrens. Schließlich habe man jetzt ja acht Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen.

Zutreffend schildert der Ermittler zunächst, daß jetzt erst einmal die Auswertung der bei den Durchsuchungsmaßnahmen sichergestellten Beweise erfolgen muß. Und dann fängt für den befragten Staatsanwalt die Lästigkeit an:

… dann bekämen die Beschuldigten rechtliches Gehör. Und dann sei es denkbar, dass man als Staatsanwaltschaft am Ende froh sein könne, wenn man die Männer mal für ein paar Monate in Untersuchungshaft hatte – weil sie am Ende vielleicht nicht mal verurteilt werden könnten.

Was ist das für eine unprofessionelle Einstellung? Die „objektivste Behörde der Welt“, wie sich die Ermittler gern selbst bezeichnen, macht Party, wenn man Verdächtige in Untersuchungshaft genommen hat. Es gibt im Gesetz (§§ 112 ff StPO) keinen Haftgrund „zur Erheiterung der Staatsanwaltschaft“.

Ich möchte mich der Frage der Journalistin anschließen:

Wie bitte?

Wenn ein „anderer Staatsanwalt“ reklamiert …

Meist beschäftigen die arabischen Clans die besten Strafverteidiger, die fürstlich bezahlt werden und die dafür alle Register der Strafprozessordnung ziehen.

… ist der Zweifel nach der Herkunft (Jahrmarktsbude? Hinterhofdruckerei?) des Abiturzeugnisses dieses Ermittlers berechtigt. Das Recht, „sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen“, scheint dem zitierten Kirmesjuristen eher unbekannt zu sein. Aber vielleicht ist es auch der blanke Sozialneid, der dem Beamten das Hirn vernebelt.

Was wäre denn die Alternative? Wie stellt sich so einer die Verteidigung von inhaftierten Beschuldigten vor? Oder vielleicht gar keine Verteidigung? Das hatten wir ja schon einmal. Vielleicht sollte man es dieses Mal ohne (solche) Staatsanwälte versuchen.

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Avantgarde und Vorposten

Zur Vorbereitung der neuen Woche steht die Wanne schon an der richtigen Stelle:

Wanne in der Wilsnacker

Dazu schreibt Carl von Clausewitz in „Vom Kriege“, V. Buch 7. Kapitel: Avantgarde und Vorposten

Die Wirkungen solcher Vorhut gehen also von der bloßen Beobachtung zum Widerstand über, und dieser Widerstand ist nicht nur geeignet, dem Strafverteidiger die Zeit zu verschaffen, welche er braucht, um sich schlachtfertig zu machen, sondern auch des Feindes Maßregeln und Absichten zu einer früheren Entwicklung zu bringen, folglich die Beobachtung bedeutend zu steigern.

Am Dienstag kommt dann der Antrag der Verteidigung, die Polizeizeugen nach § 55 StPO zu belehren, weil sie sich durch jedes Wort, was sie über ihre Angaben zur Person hinaus machen, der Gefahr einer Strafverfolgung wegen falscher uneidliche Aussage (§ 153 StGB) aussetzen könnte. Der Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), die falsche Verdächtigung (§ 164 StGB), das Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB) und die Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB) werden dann später noch ein Thema sein, das zum Bremsklotz für die Karriere werden könnte. #PolizistenDieKeinMenschBraucht

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„Maskenmann“-Urteil rechtskräftig

648654_web_R_by_Ingo Büsing_pixelio.deVor dem Landgericht Frankfurt (Oder) fand 2015 ein Schwurgerichtsverfahren statt, daß u.a. wegen mangelhafter Ermittlungen der zuständigen Mordkommission in der Kritik stand. Das Ergebnis lautete „LL“.

Der 5. Senat des Bundesgerichtshofs hat sich das Verfahren nochmal genauer angeschaut und zumindest das Urteil für richtig erachtet.

Die Pressestelle des Bundesgerichtshofs teilte am 8. April 2016 in der Presseerklärung Nr. 069/2016 mit, daß die Verurteilung u.a. wegen versuchten Mordes im Fall des „Maskenmanns“ durch das Landgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 5. April 2016 – 5 StR 18/16 rechtskräftig geworden sei.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat einen Dachdecker aus Berlin u.a. wegen versuchten Mordes und wegen erpresserischen Menschenraubes schuldig gesprochen, ihn zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und einem Geschädigten Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 € zugesprochen.

Nach den Feststellungen der Schwurgerichtskammer hatte sich der Angeklagte entschlossen, durch die Entführung wohlhabender Opfer Lösegeld in Millionenhöhe zu erpressen. Im Gebiet um den Scharmützelsee hatte der Angeklagte zunächst die Bewohnerin einer Villa in Bad Saarow niedergeschlagen und schwer verletzt. Einige Wochen später hatte er bei dem Versuch, deren Tochter zu entführen, einen Wachmann niedergeschossen, der infolge seiner lebensgefährlichen Verletzungen querschnittsgelähmt ist. Schließlich hatte der Angeklagte in Storkow einen Manager eines Finanzinvestment-Unternehmens zum Zwecke der Lösegelderpressung entführt und ihn auf einer kaum zugänglichen Insel in einem Sumpfgebiet gefesselt festgehalten. Das Opfer hatte sich nach eineinhalb Tagen befreien und fliehen können.

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen des Angeklagten und zweier Nebenklägerinnen entsprechend den Anträgen des Generalbundesanwalts als offensichtlich unbegründet verworfen. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) ist damit rechtskräftig.

Diese „offensichtlich-unbegründet-Beschlüsse“ sind unbefriedigend. Ich bin sehr sicher, daß zumindest die Verteidigung des Verurteilten eine qualitativ hochwertige Revisionsbegründung abgeliefert hat. So eine Arbeit dann mit einem „O-U“ und ohne weitere Begründung zu disqualifizieren, trägt den Geruch von Arroganz der Macht. Nicht gut.

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Vorverurteilung durch die JGH?

245071_web_R_K_B_by_Stephanie Hofschlaeger_pixelio.deDie Jugendgerichtshilfe (JGH) ist ja von der Idee her eine sinnvolle Einrichtung. Wenn nun diese Idee auch noch mit Verstand gefüttert würde, wäre es perfekt. Die JGH Berlin arbeitet noch daran.

Meinem sehr jugendlichen Mandanten wird der Vorwurf gemacht, einen schweren Raub (§ 250 StGB) begangen zu haben. Er bestreitet die ihm zur Last gelegte Tat. Die Staatsanwaltschaft hat dennoch Anklage zum Jugendschöffengericht erhoben.

Nun schickt die JGH der Mutter meines Mandanten eine Ein-/Vor-/Ladung.

Straffällige JGH

Die Mutter bittet mich um Rat, was zu tun sei.

  • Soll ich ihr raten, zu einem Sozialarbeiter des Bezirksamtes zu gehen, der die elementaren Grundsätze eines fairen Strafverfahrens nicht verstanden zu haben scheint?
  • Oder ist es vielleicht sinnvoller, darauf zu verzichten, sich noch vor Beginn der Hauptverhandlung schon mal vorsorglich als „straffällig geworden“ disqualifizieren zu lassen? Woher weiß dieser Sozialarbeiter, daß es eine Gerichtsverhandlung mit einen „eventuellen Ausgang (Urteil)“ geben wird?
  • In wessen Lager stehen die Mitarbeiter der JGH eigentlich? Wessen Interessen vertreten sie mit dieser vorurteilsbehafteten Einstellung zu einem Beschuldigten?

All diese Fragen gehen mir durch den Kopf, wenn ich solche – hoffentlich nur gedankenlose – Schreiben dieser Einrichtung lese.

Ich habe noch nicht sehr viele Verteidigungen in Jugendstrafsachen gemacht. Aber in den Fällen, in denen meinen Mandanten das Angebot der JGH angenommen hatten, bin ich regelmäßig enttäuscht worden von der sogenannten Hilfe des Jugendgerichts. Eine Hilfe für den Jugendlichen wäre in diesen Fällen die sinnvollere Alternative gewesen.

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Bild: © Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

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Sibylle von der Strafvollstreckungsstelle

DelphicSibylByMichelangeloManchmal reichen auch zwei juristische Staatsexamen und knapp zwei Jahrzehnte Berufserfahrung als Strafverteidiger nicht, um die Justiz zu verstehen.

Und so geht der Weg, der am Ende zur sibyllinischen Erkenntnis führt:

Ermittlung
Nach einem von der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahren landen die Strafsachen beim Gericht.

Erkenntnis
Nach einem mal längeren, mal kürzeren Verfahren spricht das Gericht ein Urteil, das im Anschluß daran (und selbstverständlich erst nach Rechtskraft) vollstreckt werden soll.

Vollstreckung
Dazu werden die Akten vom Gericht wieder zurück an die Staatsanwaltschaft geschickt. Aber nicht an die Ermittlungsbehörde, sondern an die Vollstreckungsstelle der Staatsanwaltschaft.

Überblick
Unserer Mandant hatte sich mehrere Urteile gefangen und den Überblick darüber verloren. Kann ja mal passieren. Deswegen haben wir uns an die Vollstrecker gewandt, und zwar mit einer – wie ich meine – überschaubaren Frage:

In welcher der uns zur Einsicht angebotenen Akten ist die Vollsteckung der Freiheitsstrafe(n) dokumentiert?

Das hier ist die freundliche Antwort der Strafvollstreckungsstelle:

Vollstreckung

Kann mir das jemand mal eben erklären?
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Bild: Wikimedia Commons. Delphische Sibylle (Ausschnitt aus einem Fresko von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle, 1510)

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Staatsanwaltschaftlicher Vorsorgehinweis

AnonymisierungEs gibt nicht nur richterliche Hinweise, sondern manchmal auch hilfreiche Fingerzeige seitens der Staatsanwaltschaft.

Das Leserpublikum unseres Weblogs besteht nicht nur aus Groupies, die den Blogautoren Blumen auf die Bühne werfen. Nicht wenige Leser sind Staatsdiener, also – ebenso wie Strafverteidiger – Träger der schwarzen Umhänge. Und wenn man denen an die Kittel geht, kutschen sie auch gerne auch mal retour.

Als gebranntes Kind bemühe ich mich daher grundsätzlich, Rückschlüsse auf konkrete Verfahren zu vermeiden. (Oder eben nicht, wenn ich bewußt provozieren will und das Risiko nicht fürchte.) Das funktioniert ganz gut, indem ich Namen und Aktenzeichen weiterstgehend verpixelt oder zur Explosion bringe.

Nun hatte ich hier ein Verfahren, in dem es mir daran gelegen war, die zuständigen Abteilungen der Justiz nicht zu outen. Deswegen hatte ich sowohl das staatsanwaltschaftliche als auch das gerichtliche Aktenzeichen bis auf die Buchstaben „Js“ und „Ds“ unkenntlich gemacht.

BarcodeEin aufmerksamer Staatsanwalt, mit dem ich über das Verfahren später telefoniert habe, frohlockte: Er habe „seinen“ Aktendeckel dennoch erkannt. Als ich ihn nach markanten Erkennungsmerkmalen wie Eselsohren, Beschädigungen und Klebestreifen fragte, verneinte er. Es sei der Barcode auf dem Aktendeckel, den er vom Bildschirm eingescannt habe.

Ok, vorsichtig wie ich bin, wenn ich wieder einmal die Justizarbeiter zu Ermittlungen wegen § 353d StGB gegen mich motiviere, berücksichtige ich beim Anonymisieren künftig auch die HighTech-Klebchen auf den Aktendeckeln.

Auf diesem Wege besten Dank an den staatsanwaltschaftlichen Hinweisgeber.

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Sie ist wieder da

Frisch aus dem Winterlager:

Wanne2016 Sonnenallee

Geputzt und getüvt. Wenn auch der TÜV-Prüfer wieder mal was zu nörgeln hatte. Nicht an der Technik, sondern an dem Kultugut. Die alljährliche Diskussion über den Erhaltungszustand fand wieder einmal statt.

Damit ein Fahrzeug in den Genuss eines H-Kennzeichens kommt und bleibt, muß es unter anderem sein

  • mindestens 30 Jahre alt sein – Die Wanne ist Baujahr 1983
  • möglichst im Originalzustand erhalten – Ein schnörkelloser GruKraW
  • nicht unbedingt tadellos, aber keine Unfallschäden, große Dellen, Lackschäden und vor allem keinen Rost haben.

Und zwar immer wieder auf’s Neue.

Die Dellen waren in den vergangenen Jahren schon einmal ein Thema. Nachdem ich dem Gutachter aber erklärt habe, daß die Beulen in den 80er Jahren in mühsamer Kreuzberger Handarbeit angebracht worden, mithin historisch wertvoll sind, gab er sich überzeugt.

Diesmal waren es ein paar Rostbeulen, die zu dem hohen und heiligen Versprechen Anlaß gaben, sie bis zum nächsten Jahr zu beseitigen. Wo einmal der Rost drin ist, ist er eben drin. Da muß man eben immer wieder mal Hand anlegen.

Das ist wie mit alten Männern – die brauchen Pflege. Besten Dank einmal mehr an KFZ-Meister Peter Jaekel und seine Mannen, die der Wanne genau diese fürsorgliche Pflege zukommen lassen.

Noch steht sie in der Sonnenallee, knapp auf Westberliner Gebiet. Am Wochenende sind die alten Stammplätze wieder frei …

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