Monatsarchive: Mai 2016

Semesterferien im Knast

Einen spannenden Ferienjob bietet das Amt für Justizvollzug Zürich an.

Die Bewährungs- und Vollzugsdienste (BVD) des Amtes für Justizvollzug sind zuständig für den Vollzug von Freiheitsstrafen und gerichtlich angeordnete Massnahmen. Dort sucht man für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 2016 Studenten zur Unterstützung beim Erfassen von Verfügungen im Rechtsinformationssystem.

Das hört sich – jedenfalls für die Ohren eines Strafverteidigers – spannend an.

Ok, Zürich liegt nicht gerade um die Ecke, und ob man dort bereit ist, deutsche Studenten einzustellen, weiß ich nicht. Aber warum nicht einfach mal versuchen?

Weitere Informationen gibt es hier.

Bemerkenswert an der Ausschreibung ist allerdings diese Anforderung:

Bewerbungen per Mail werden nicht berücksichtigt.

Das kann sich auch nur eine Behörde erlauben.

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Das Vogelgezwitscher der Staatsanwaltschaft

746078_web_R_by_CathyUser_pixelio.deManchmal kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt genau eine Audio-Aufnahme angefertigt wurde.

Mit welchen feinsinnigen Methoden der eine oder andere Ornithologe Staatsanwalt arbeitet, ergibt sich aus diesem Vermerk:

Beweismittel - Vogelgezwitscher

Sowas provoziert doch geradezu einen Beweisantrag, daß dieses Vogelgezwitscher von einem Vögelchen stammt, das ausschließlich so Ende September – und gerade nicht im Juli – tiriliert. Oder im Mai, so wie jetzt gerade das Amselchen, das mich beim Schreiben dieses Blogbeitrags unterhält.

Daß es auch Möglichkeiten gibt, das Datum der Aufnahme belastbar zu datieren, ist bei dieser Staatsanwaltschaft scheinbar nicht bekannt. Dort kennt man sich eben besser mit Vögeln aus als mit Sachverstand.

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Bild: © CathyUser / pixelio.de

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Abgestelltes Fundstück

Da haben wir aber nochmal Glück gehabt.

Fundstückskiste

Beim Amtsgericht Tiergarten in der Kirchstraße bekommen Berliner Strafverteidiger die Akten zu Einsicht oft nur mit einer Bitte Aufforderung ausgehändigt. Die Akten sollen müssen nach Einsichtnahme unbedingt(!) persönlich(!) in der Geschäftsstelle auf den Schreibtisch des Sachbearbeiters zurückgelegt werden.

Jetzt weiß ich auch, warum die Akten nicht über die Posteingangsstelle des Gerichts zurück gegeben dürfen sollten (eigentlich). Weil Verteidiger die Arbeit der Wachtmeister zuverlässiger erledigen.

Oder habe ich da etwas flasch verstanden?

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Fußballfan beim BGH: SpVgg Greuther Fürth gegen den 1. FC Nürnberg

Die Pressestelle des Bundesgerichtshofs teilt mit, daß die Verurteilung im Fall des Nürnberger „Feuerlöscher-Werfers“ rechtskräftig sei. So jedenfalls laute der Beschluss vom 28. April 2016 – 4 StR 88/16.

Aus der Pressemitteilung Nr. 082/2016 vom 10.05.2016:

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den 24jährigen Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Beeinträchtigung von Nothilfemitteln, gemeinschädlicher Sachbeschädigung und Störung öffentlicher Betriebe sowie wegen eines weiteren Falls der gemeinschädlichen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und einem Monat verurteilt.

13088_original_R_K_by_Peter Herlitze_pixelio - Ausschnitt.deNach den Feststellungen des Landgerichts schloss sich der alkoholisierte Angeklagte am 11. August 2014 einem sogenannten „Fanmarsch“ von Nürnberg nach Fürth an, um zum Fußballspiel der SpVgg Greuther Fürth gegen den 1. FC Nürnberg zu gelangen. Als die Fußballfans die eingesetzten U-Bahn-Sonderzüge bestiegen hatten, begannen sie zu randalieren. Sie lärmten, überklebten Überwachungskameras und entfernten gewaltsam Scheiben des U-Bahn-Waggons, woran sich der Angeklagte beteiligte. Im Lauf der Fahrt wurde dem Angeklagten ein im Waggon aufbewahrter Feuerlöscher gereicht, den dieser aus dem Waggon-Fenster entleerte. Sodann entschloss sich der Angeklagte, sich des Feuerlöschers zu entledigen. Er sah, dass auf dem Gegengleis ein personengeführter U-Bahn-Zug entgegenkam und warf den entleerten, über 4 kg schweren Feuerlöscher aus einer Entfernung von ungefähr 20 Metern gezielt in Richtung der Frontscheibe dieses Zuges, um die Scheibe zu beschädigen. Dabei nahm er aus Gleichgültigkeit in Kauf, dass der Feuerlöscher die Frontscheibe des entgegenkommenden Zuges durchschlagen und die unmittelbar dahinter sitzende, von dem Angriff völlig überraschte Zugführerin tödliche Verletzungen davontragen würde.

Tatsächlich schlug der Feuerlöscher im Zentrum der Frontscheibe des Zuges ein, die dadurch größtenteils zerstört und nur deshalb nicht durchstoßen wurde, weil es sich um eine um das fast Fünffache über dem internationalen Standard gesicherte Verbundglasscheibe handelte und die Zugführerin durch einen glücklichen Zufall langsamer fuhr, als dies die Richtgeschwindigkeit in dem Streckenabschnitt vorsah. Die Zugführerin wurde durch Glassplitter verletzt. Die U-Bahn- Linie musste infolge der Tat für eine Stunde gesperrt werden.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die gegen dieses Urteil eingelegte Revision des Angeklagten verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Angesichts dessen,

  • daß der Versuch einer Straftat milder bestraft werden KANN (nicht muß) als die vollendete Tat (§ 23 StGB),
  • auch eine Alkoholisierung (§ 21 StGB) nicht zwingend zur Milderung führen muß, und
  • dem Gericht nach § 49 StGB ein Strafrahmen von bis zu 15 Jahren „zur Verfügung“ steht ,

um auf diese Taten zu reagieren, scheint es sich hier um ein recht mildes Ergebnis zu handeln.

Mit etwas erhöhtem Begründungsaufwand wäre da auch mehr als die Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und einem Monat drin gewesen.

Daß der 4. Senat des BGH dann die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth – Urteil vom 26. August 2015 – Az. 5 Ks 102 Js 1002/14 – gehalten hat, ist nichts, was den Kundigen verwundert.

Ich krame jetzt mal die Argumente der Gerichte in dem Bremer Holzklotzfall (4 StR 536/09) heraus

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Bild: © Peter Herlitze / pixelio.de

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Durchlaufankläger: Wie Staatsanwälte arbeiten

Eine etwas überdurchschnittliche, aber dennoch bequem überschaubare Wirtschaftsstrafsache ist in fünf Aktenbänden (Hauptakten) zusammengefaßt worden. Von der Kriminalpolizei. Im fünften Band finde ich diesen Vermerk der zuständigen Staatsanwältin:

Abschlußbericht

Ich reduziere mal die im Gesetz niederlegten Aufgaben der Ermittlungsbehörden auf das Wesentliche:

  • Die Polizei ermittelt den Sachverhalt und legt ihn der Staatsanwaltschaft zur juristischen Einordnung vor.
  • Dann entscheiden die Volljuristen darüber ob die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage geben, § 170 Abs. 1 StPO.
  • Oder ob das Verfahren eingestellt wird, § 170 Abs. 2 StPO.
  • Oder irgendwas dazwischen, §§ 153 ff StPO.

In dieser Sache hier sieht das scheinbar anders aus, wenn ich den Vermerk unter Ziffer 1. richtig verstehe. Danach wünscht sich die Staatsanwältin von der Polizei eine Art Vorlage (Malen nach Zahlen?) für die Anklage, also nicht für die Entscheidung nach § 170 StPO.

Wir haben in unserer Berliner Altbauwohnung so etwas Ähnliches: Aus der Wand kommt kaltes Wasser rein und aus dem Wasserhahn kommt heißes Wasser raus. Meine Aufgabe besteht nur darin, die Wassertemperatur zu bestimmen. Den Rest erledigt der Automat zwischen Wand und Hahn. So ungefähr scheint die Berliner Staatsanwaltschaft in Wirtschaftsstrafsachen auch zu arbeiten.

Und am Ende steht dann ein Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, verliest die Anklageschrift (die de facto von der Polizei geschrieben wurde, siehe oben) und schöpft ohne jede Aktenkenntnis aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung. Wie die Laienrichter beim Schöffengericht.

Wofür brauchen wir eigentlich noch Staatsanwälte?

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Telekomische Sonntagsbeschäftigung

Die VoIP-Umstellung bei der Telekom war nun auch in meinem Home-Office nicht mehr zu verhindern. Es war nicht ganz trivial, die Telefonie einzurichten und die mobilen Geräte wieder ins WLAN zu bringen. Schließlich bin ich nur ein kleiner Strafverteidiger und kein Telekommunikationstechniker.

Hier das Resultat meiner Sonntagsmittagsbeschäftigung:

IP-Umstellung

Dank bunter Kabel, einer bebilderten Einrichtungsanleitung, einem lustigen Video („Ein schöner Tag!„) und meinen Erfahrungen im Umgang mit DOS 4.0 hat’s funktioniert – und zwar, ohne die Geschäftskunden-Hotline bemühen zu müssen.

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Die Wanne unterm Postscheckamt

Wie sich die Sachlage am Großen Stern entwickelt, war nicht vorauszusehen. Ein brauner Rechtspopulisten-Aufzug im Tiergarten ist nicht kalkulierbar, zumal sich auch gleichere mehrere bunte Gegendemos angekündigt hatten.

Deswegen hat die Kanzlei-Wanne weiträumig Platz gemacht für diensthabende Polizeiwannen. Und sich vorsorglich ein ruhiges Plätzchen im ruhigen Kreuzberg gesucht.

Wanne am Tempelhofer Ufer

Mit Blick auf das Postbank-Hochhaus, vormals Postgiroamt Berlin und ursprünglich Postscheckamt Berlin West.

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Für ein Berlin ohne Nazis

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Die RAV-Geschäftsstelle beschwert sich – berechtigt:

Es war desaströs: Am 12. März liefen 2000-3000 Nazis durch Berlin. Die wenigen Gegendemonstrant*innen konnten nur machtlos zuschauen.

Und weist darauf hin:

Morgen, am 7.5.2016 werden wieder tausende Rechtsextreme in Berlin erwartet.

Es wird dazu aufgerufen, an der Demonstration und begleitenden Protestaktionen unter dem Motto „Für ein solidarisches Berlin – Der rassistischen Offensive entgegentreten“ teilzunehmen und klare Positionen zu zeigen.

Treff um 13 h am Hackeschen Markt.

Auch der Flüchtlingsrat Berlin e.V. bittet um Anteilnahme:

Anlass ist ein Aufruf der rechtsextremen Facebook-Seite „Wir für Berlin & Wir für Deutschland“.

Da zu erwarten ist, dass tausende Rechtsextreme dem Aufruf folgen werden, ist es umso wichtiger, dass wir zahlreich vor Ort sind und für Toleranz und Solidarität demonstrieren.

Die Demo-Route im praktischen Westentaschenformat.

Weitere relevante Infos finden sich hier http://nazifrei.berlin/ und unter http://berlin-gegen-nazis.de.

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Freispruch – Verurteilung – Abschiebung

AG Köln TagesschauIn dem vielbeachteten Verfahren vor dem Amtsgericht Köln ging es um die Silvesternacht 2015/2016.

Der 26-jähriger Algerier war u.a. angeklagt, Frauen sexuell belästigt zu haben. Dieser Vorwurf hat sich nach der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Deswegen wurde er insoweit freigesprochen.

Wegen des eingeräumten Ankaufs von gestohlenen Handys (§ 259 StGB) und wegen versuchten (schweren) Diebstahls (§§ 242, 243 StGB) wurden er und sein Bruder zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Und weil sie unerlaubt eingereist sind (und nur deshalb), sollen sie abgeschoben werden.

Viel Rauch um nichts. Aber die Volksseele hatte ja danach verlangt.

Das Video der Tagesschau zum Thema gibt es hier.

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Das Glücksspiel mit der Verteidigung

Im Dezember 2013 ging das Verfahren los. Jedenfalls für den Mandanten. Die Wohnung seiner Familie wurde durchsucht. Die zufällig anwesende Putzfrau hat ein bisschen Elektronik „freiwilig“ herausgegeben.

Auf mein Akteneinsichtsgesuch reagierte eine ganz offensichtlich völlig überforderte Staatsanwaltschaft mit einem sinnentleerten Textbaustein:Versandt

Mit viel Einsatz und teils deutlichen Worten habe ich dann Mitte September 2014 einen Teil der Akten zur Einsicht bekommen. Im Februar 2015 folgte der Rest. Im April 2015 hat die Staatsanwaltschaft nach viel Gezeter die sichergestellten Geräte wieder zurückgeben müssen. Dann tat sich erstmal wieder eine Weile nichts.

Meine Sachstandsanfragen (mit Akteneinsichtsgesuch) im Dezember 2015 und im Januar 2016 quittierte die Ermittlungsbehörde hiermit

Ermittlungen dauern an

Im März, April und schließlich am 2. Mai 2016 habe ich erneut daran erinnert, meinem Mandanten den Stand und das Ergebnis der „andauernden Ermittlungen“ mitzuteilen, damit er sein rechtliches Gehör nutzen kann.

Am 3. Mai 2016 wurde mir dann der Strafbefehl zugestellt.

Glückspiel

Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren: Hat die Staatsanwältin als Gruppenleiterin es darauf angelegt, meinen Mandanten und mich zu verarschen bewußt zu täuschen?

Andauernde Ermittlungen sind nämlich nicht identisch mit dem Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls, ohne zuvor die Gelegenheit zu geben, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen. Oder sind die Rechte der Verteidigung bei der Staatsanwaltschaft in Moabit zum Glücksspiel geworden?

Aber ich gebe nicht auf. Und hoffe, daß der Einspruch und mein erneutes Akteneinsichtsgesuch zumindest beim Gericht sauber bearbeitet werden. Die Staatsanwaltschaft Berlin scheint mit simplen Sachstandsanfragen der Verteidigung an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu geraten.

Aber dazu kann sich die überforderte StAin/GLin (nach meiner Akteneinsicht) bei der Anhörung zu meiner erneuten Dienstaufsichtsbeschwerde ja aller in Ruhe äußern.

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