Monatsarchive: Oktober 2016

Mengenrabatt per Gesamtstrafe

216358_web_r_b_by_gabi-schoenemann_pixelio-deDie Gesamtstrafenbildung lebt zu Unrecht ein Schattendasein im Gewächshaus der Strafverteidigung. Wie man seinem Mandanten mit der praktischen Anwendung der §§ 53, 54 StGB unter die Arme greifen kann, zeigt folgender Fall.

Zunächst aber mal ein paar Grundlagen.

Was ist – grob gesagt – eine Gesamtstrafenbildung?
Wenn ein Straftäter zwei Straftaten begeht, die in einem engeren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, wird aus beiden Strafen eine einzige „gemacht“. Es erfolgt aber keine Addition der beiden Strafen, sondern die höhere der beiden Strafen wird angemessen erhöht.

Variante: Gesamtstrafe mit einer bereits rechtskräftigen Vorstrafe
Am besten erklärt an einem Beispiel.
Der Mandant wird am 01.05.2015 rechtskräftig verurteilt für eine Tat, die er am 01.05.2014 begangen hat; sagen wir mal zu 6 Monaten Freiheitsstrafe.

Dann wird er angeklagt wegen einer Tat, die er am 01.12.2014 begangen hat. In dem nun anstehenden Urteil hält das Gericht im Sommer 2016 nochmal 6 Monate für angemessen.

Aus der alten Geschichte und der neuen Sache wird nun eine Gesamtstrafe gebildet: Statt addiert 12 Monate werden daraus 9 Monate gemacht. Das ist der klassischen Mengenrabatt, den der Gesetzgeber in § 54 StGB gewährt.

Es könnte alles so einfach sein, isses aber nicht.
Mein konkreter Fall: Der Mandant wurde in 1. Instanz zu 6 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Dagegen haben wir Berufung eingelegt mit dem Ziel der Strafaussetzung zur Bewährung. Ein Ziel, das mit 10 (sic) einschlägigen Vorstrafen eher nicht zu erreichen war – auch nicht mit dem Spiel auf Zeit.

Zuvor hatte er sich aber schon eine Geldstrafe gefangen: 180 Tagessätze. Davon hatte er aber zwei Drittel (120 Tagessätze) schon bezahlt.

Beide Urteile waren gesamtstrafenfähig.

Mein Antrag
Nachdem in einem Rechtsgespräch geklärt war, daß eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht in Betracht kam, habe ich die Gesamtstrafenbildung beantragt:
6 Monate + 180 Tagessätze = 8 Monate. Eine solchen Mischung ist nach § 54 Abs. 3 StGB möglich. Das Urteil erging entsprechend.

Netto-Ergebnis
Da der Mandant bereits einen Teil der Strafe verbüßt (also einen Teil der Geldstrafe bezahlt) hat, bleiben von den 8 Monaten der Gesamtstrafe  nur noch 4 Monate übrig, die er absitzen müßte.

Bonus
Wenn der Mandant jetzt die Zeit bis zur Rechtskraft der Gesamtstrafe bzw. zur Ladung zum Strafantritt nutzt, um noch weiter die Geldstrafe zu bezahlen, kann es ihm gelingen, die Haftzeit auf nur noch 2 Monate zu reduzieren.

Noch ein Versuch
Und wenn man dann immer noch nicht alle Hoffnung fahren läßt, kann man sich für diese Kurzzeithaft noch einen Gnadenantrag einfallen lassen …

Das war mal wieder eine Verteidigung einer Kleinigkeit, die richtig Spaß gemacht hat. Am Ende war selbst der Staatsanwalt von dieser Variante der Strafmaßverteidigung überrascht. Ich aber auch. ;-)

__
Bild: © Gabi Schoenemann / pixelio.de

5 Kommentare

Verräterische Akteneinsicht

Der Mandant hatte uns vor einiger Zeit bereits mit seiner Verteidigung beauftragt. Nun ist endlich die Ermittlungsakte gekommen. Es sind ein paar dicke Aktenbände, aber immer noch überschaubar. Jedenfall für einen einigermaßen routinierten Strafverteidiger in Wirtschaftssachen.

Unter anderem enthielt das Aktenkonvolut auch einen mehr oder minder aktuellen Auzug aus dem Bundeszentralregister. Dort werden nicht nur die Vorstrafen notiert, sondern das BZR beinhaltet auch ein paar andere wertvolle Informationen.

bzr-hb
Den roten Zettel (Szenejargon für Haftbefehl) hatte die Staatsanwaltschaft aus den Akten entfernt, ebenso wie alles weitere, was auf ihn hinweisen könnte. Nur den Registerauszug hat man vergessen.

Noch einmal die Frage in die Runde: Was mache ich jetzt damit?

Soll oder darf der Strafverteidiger seinen Mandanten warnen?


     

 

Ergebnis anschauen

Wird geladen ... Wird geladen ...

 

Was passiert eigentlich dem Strafverteidiger, der seinen Mandanten auf den Haftbefehl hinweist, und dieser dann wirklich abhaut?

23 Kommentare

Presseerklärung: „Kriminelles Netzwerk in Berliner JVA?“

Das Magazin „Frontal21“ berichtete am 13.09.2016 im ZDF über Timo F. und das „Kriminelle Netzwerk in Berliner JVA“:

In Deutschlands größter Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel soll der Schmuggel von Waren in und aus der Haftanstalt an der Tagesordnung gewesen sein. Involviert in den Schwarzhandel seien angeblich mehrere Justizbeamte, berichten Gefangene.

Der Bericht hat für Reaktionen gesorgt, allerdings (noch) nicht für die gewünschten. Der Bremer Kollege Rechtsanwalt Dr. iur. habil. Helmut Pollähne, mit dem ich gemeinsam Timo F. verteidige, hat anläßlich einer Pressekonferenz am heutigen Donnerstag eine Presseerklärung herausgegeben, die ich hier vollständig wiedergeben möchte:

„Kriminelles Netzwerk in Berliner JVA?“

Mein Mandant, Timo F., hat wesentlich dazu beigetragen, illegale Vorgänge in der JVA Tegel aufzudecken, die vom ZDF treffend als „kriminelles Netzwerk in Berliner JVA?“ betitelt wurden – nach den mir vorliegenden Erkenntnissen kann man das Fragezeichen allerdings getrost weglassen und durch ein Ausrufezeichen er-setzen!

Wie hat die JVA darauf reagiert? Sicherlich nicht so, wie es von einer staatlichen Behörde zu erwarten wäre, die Kenntnis darüber erhält, dass einige ihrer Mitarbeiter seit längerer Zeit in größerem Umfang in kriminelle Machenschaften verstrickt sind: Einschmuggeln von Waren in die JVA und illegaler Handel mit Waren aus der JVA, um nur die gravierendsten Vorwürfe zu nennen. Man muss dies nicht zuletzt des-halb einen Justizskandal nennen, weil die JVA bekanntlich den Auftrag hat, die Gefangenen dazu zu befähigen, künftig „in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“ (§ 2 Satz 1 StVollzG). Dieser Auftrag wurde offenbar in großem Stil in sein Gegenteil verkehrt.

Von der JVA, dem schließlich doch noch eingeschalteten LKA und der senatorischen Aufsichtsbehörde wurde bisher wider besseren Wissens der Eindruck vermit-telt, es handele sich – wenn überhaupt – um einen Einzelfall. Mögen andere Juristen entscheiden, wo die Schwelle vom Justizskandal zur Strafvereitelung überschritten ist, vom Organisationsverschulden ganz zu schweigen.

Mein Mandant durfte mit Recht für sich beanspruchen, vor Repressalien und Mobbing infolge der Enthüllungen geschützt zu werden, insbesondere indem man ihn in eine andere JVA verlegt. Fehlanzeige: Er befindet sich nach wie vor am selben Ort, wie die von ihm schwer belasteten Beamten. Das ist das Gegenteil von staatlicher Fürsorgepflicht. Auch meine Versuche, diesbezüglich zu einer Vereinbarung mit der JVA zu kommen, scheiterten: An mündliche Zusagen fühlte sich später nie-mand mehr gebunden, schließlich wurde der Kontakt zu mir ganz eingestellt, Schreiben einfach nicht mehr beantwortet – auch deshalb wurde eine Beschwerde bei der senatorischen Dienstaufsicht erhoben, zu der ich bisher allerdings noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung erhalten habe.

Wer den Eindruck erhält, er finde innerhalb der zuständigen Stellen kein Gehör, diese wären eher mit Vertuschung befasst, der wendet sich an die Öffentlichkeit: In der Demokratie ein selbstverständlicher Vorgang! Nicht so in der JVA: Herr F. sieht sich infolge der ZDF-Berichterstattung mit Disziplinarmaßnahmen konfrontiert, die bei Gericht angefochten werden mussten; eine Entscheidung steht in seinem Fall noch aus. Es sieht sich auch mit der Drohung konfrontiert, die weitere Voll-zugsplanung auf sog. Vollverbüßung einzustellen.

Nach den absehbaren politischen Veränderungen in Berlin mögen die zukünftig Verantwortlichen unter Beweis stellen, ob eine funktionierende Dienstaufsicht über den Justizvollzug noch möglich ist. Andernfalls wäre die parlamentarische Kontrolle gefragt.

Darauf kann mein Mandant allerdings nicht warten: Er muss jetzt in eine andere JVA verlegt und wieder in seine alte Vollzugsplanung versetzt werden; die Disziplinarmaßnahmen müssen ein Ende haben.

Bleibt schließlich zu hoffen, dass die Aufarbeitung dieses Skandals insgesamt mit dazu beiträgt, den Justizvollzug dazu anzuhalten und die Lage zu versetzen, sei-nem gesetzlichen Auftrag und den Rechten der Gefangenen gerecht zu werden. Hier liegt auch diesseits „krimineller Netzwerke“ vieles im Argen, nicht nur in Berlin.

Dr. iur. habil. Helmut Pollähne
– Rechtsanwalt –

Dem „eingeschalteten LKA“ (es handelt sich um das LKA 3 – Wirtschaftskriminalität, Korruption, Umwelt-/Verbraucherdelikte, Polizeidelikte) liegt ein über 70-seitiges Dokument vor, in dem Timo F. ausführlich und so detailliert, wie es ihm möglich war, die Zustände in der JVA Tegel beschreibt. Zwischenzeitlich haben sich weitere Zeugen sowohl bei den Verteidigern, als auch beim LKA direkt gemeldet, die die von Timo F- formulierten Vorwürfe bestätigen.

Ich gehe davon aus, daß das LKA und die dortigen Beamten jedem Ermittlungsansatz nachgehen werden, um Licht in den dunklen Knastalltag zu bringen. Es ist schon einmal begrüßenswert, daß die Ermittlungen von einer Spezialabteilung für Korruptions- und Polizeidelikte geführt werden. Und wir gehen davon aus, daß das LKA – unabhängig von theoretisch denkbaren Einflußnahmeversuchen der Verwaltungsspitze – „seinen Job macht“. Und die Ermittler gehen davon aus, daß wir ihnen dabei auf die Finger schauen.

5 Kommentare

SOKO Wismar: Die Bananen und das Kokain sind online

sokoDie Episode „Schnee aus Kolumbien“ ist nun in der Mediathek zu finden.

Auch das anschließende Rechtsgespräch SOKO+ Wismar ist online.

1 Kommentar

SOKO Wismar heute: Bananen, Backpulver und GPS

kokaintesterDie SOKO Wismar klärt heute nicht nur ein Delikt am Menschen auf. Das Ermittlerteam profiliert sich auch noch als Drogenfahnder.

Der Sachverhalt:
Neben der – obligatorischen – Leiche finden die Ermittler kokainsuspekte Substanzen im Kilobereich. Es besteht der dringende Verdacht, daß das Pulver im Zusammenhang mit dem Handel von Bananen steht, die in extravaganten Steinwaschbecken gewachsen sind. Ein GPS-Sender bringt Kai Timmermann auf die richtige Spur.

Das Strafrecht:
Es geht wie immer um ein Tötungsdelikt, aber welches? Vermögensdelikte kommen vor, ein paar Verstöße gegen das BtMG, die zur Vermögensabschöpfung führen werden, und eine Dunkelnorm aus dem BDSG; ein besserwissender Jurastudiumsabbrecher spielt eine strafprozessuale Nebenrolle. Und ein Problem, das wir aus Dresden kennen, wird thematisiert: Die großflächige Funkzellenabfrage. Daneben noch ein paar Kleinigkeiten aus dem StGB-AT und der StPO.

Die Aufgabe:
Jetzt die Frage aus dem Jura-Examen:

  • Wie haben sich die Beteiligten strafbar gemacht?
  •  
    Die gutachterlichen Stellungnahmen der geschätzten Leser- und Seherschaft können im Kommentarfeld abgegeben werden.

    Und: Wer entdeckt einen klassischen Subsumtionsfehler der Polizei, der auch schon so manchem meiner Mandanten übelst überrascht hat?

    Save the date:

    sokoDas Filmchen startet um 18 Uhr im ZDF. Das von Dr. Hendrik Wieduwilt moderierte Expertengespräch führen Oberstaatsanwältin Claudia Lange und meine Wenigkeit nach der nächtlichen Wiederholung der Sendung. Die Episode und das Rechtsgespräch werden sich dann aber auch in der Mediathek finden.
    __
    Bildquelle: Screenshot aus dem Trailer / © ZDF

    8 Kommentare

    SOKO Wismar und das Plus

    Im Frühjahr 2016 kamen Katinka Seidt, studierte Film- und Fernsehproduzentin, und der Filmwissenschaftler Jakob Krebs mit einer ungewöhnlichen Idee auf mich zu. Ich sollte Fernsehgucken. Und anschließend darüber sprechen. Im Fernsehen. Gemeinsam mit einer Staatsanwältin und moderiert von einem Journalisten.

    Die beiden Fernsehmacher sind Mitglieder des (Berliner) Teams von Cinecentrum, die

    hochwertige Fiction-Programme und Dokumentationen für die verschiedenen deutschen Fernsehsender

    produzieren. Unter anderem seit 2004 die Vorabend-Kriminalserie „SOKO Wismar“.

    Oberstaatsanwältin Claudia Lange, Pressesprecherin der Schweriner Staatsanwaltschaft, und Dr. iur. Hendik Wieduwilt, Korrespondent für den Wirtschaftsteil der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ konnten von Cinecentrum als weitere Juristen für dieses neue Fernsehformat gewonnen werden.

    Unsere Aufgabe besteht darin, die Episoden der SOKO Wismar unter die juristische Lupe zu nehmen. In von Hendrik Wieduwilt moderierten Gesprächen diskutieren Claudia Lange und ich die Frage: Was hätten die von den SOKO Wismar Ermittlern überführten Täter im realen Leben von der Strafjusitz zu erwarten?

    „SOKO+ Wismar“ ist Unterhaltung auf juristischer Grundlage: Keine Scripted Reality, sondern wirkliche Juristen stellen sich der Frage nach Schuld und Strafe, nach Recht und Gerechtigkeit. Der Zuschauer erhält einen spannenden, abwechslungsreichen und authentischen Nachschlag zu seinem beliebten Format.

    Claudia Lange, Hendrik Wieduwilt und meine Wenigkeit sind also fortan das Plus der SOKO.

    Ich möchte an dieser Stelle den Juristen unter den Lesern empfehlen, die Folgen einmal durch die Strafrechtsbrille anzuschauen. Bei den Vorbereitungen auf die „Talkrunde“ habe ich mich nicht selten vor rechtliche Probleme gestellt gesehen, mit denen ich seinerzeit im Examen schon zu kämpfen hatte. Bei Lichte betrachtet sind die Fälle alles andere als trivial.

    Am vergangenen Mittwoch ging es los mit der ersten Folge der SOKO+ Wismar Serie:
     
    soko-stille-wasser

    Anschließend die Unterhaltung auf juristischer Grundlage unter dem Titel, den sich eigentlich nur Nichtjuristen ausgedacht haben können ;-) :

    Fragen nach Schuld und Strafe, nach Recht und Gerechtigkeit.

    soko-stille-wasser

    To be continued …

    10 Kommentare

    Warum macht man sowas?

    proesterchenÜber den Hochmutfall von Richter K., über den ich am Freitag berichtet habe, möchte ich hier nochmal laut nachdenken.

    Worum ging es?

    Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, mit einem PKW innerorts die Grenze der erlaubten 30 km/h fahrlässig um 22 km/h überschritten zu haben. Das Fahrzeug war nicht auf den Betroffenen zugelassen. Die Ordnungsbehörde hatte den Fahrer ermittelt: Über das Kennzeichen, dann über das Geschlecht, die Einwohnermeldedaten und schließlich über einen Paßbildvergleich.

    Ansatzpunkte für die Verteidigung in so einem Fall:

    • Fahreridentität
    • Korrekte Messung
    • Subjektive Kenntnis der Geschwindigkeitsbegrenzung

    Nota bene: Der Betroffene muß nicht nachweisen, daß er „unschuldig“ ist; sondern die Beweislast liegt auf der Seite des Gerichts bzw. der Bußdgeldbehörde.

    Das gerichtliche Verfahren bei Richter K.

    Nach dem Einspruchsverfahren bei der Bußgeldstelle geht die Sache über die Staatsanwaltschaft zum Gericht. Dort würfelt man, welche Abteilung für das Verfahren zuständig ist. Hier ist das Glücksrad auf der Nr. 290 stehen geblieben.

    Phase 1:
    Also Richter K. bekommt die Sache auf den Tisch. Er schickt dem Verteidiger einen FETT GEDRUCKTEN Vorsatzhinweis und empfiehlt die Einspruchsrücknahme.

    Wohlwollend übersetzt heißt das:
    Wenn zur Überzeugung des Richter K. feststeht, daß der Betroffene vorsätzlich zu schnell gefahren ist, kann die Geldbuße verdoppelt werden.

    De facto bezweckt Richter K. mit einem solchen Hinweis, daß der Betroffene wegen dieses Risikos auf die richterliche Überprüfung der behördlichen Maßnahme verzichtet. Zumindest bei einem juristisch unerfahrenen Betroffenen bzw. Verteidiger verfängt sowas oft.

    Bei Richter K. hat das Methode: Er schafft sich auf diesem Wege die Arbeit vom Hals. Deswegen auch das ungewöhnliche Layout mit Großbuchstaben und Fettdruck. Der verwendete Konjunktiv („Es könnte Vorsatz sein.“) und die angebliche Fürsorge ist Mummenschanz.

    Phase 2:

    kuchen-kDer Einspruch wird nicht zurück genommen (das kann man im „Notfall“ später immer noch), also zündet Richter K. die zweite Stufe.

    Er lädt zum Termin. Der Verteidiger gibt an, zu dem Termin urlaubsbedingt verhindert zu sein. Richter K. setzt neue Termine(!) fest: Exakt einen Tag vor Beginn und einen zweiten Termin genau einen Tag nach Ende des Urlaubs. Daß hier der Eindruck der Schikane entstehen muß, liegt auf der Hand. Und gleich zwei Termine für eine kleine Bußgeldsache – das gibt es nur in der Abteilung 290 des Richters K.

    Phase 3:
    Zu dem zweiten Termin lädt Richter K. die Halterin als Zeugin, vorgeblich um die Fahreridentität nachweisen zu können.

    Im Klartext bedeutet das: Richter K. will die Ehefrau(!) eines Strafverteidigers(!) dazu befragen, ob ihr Ehemann das Auto gefahren hat. Daß diese vorgeschobene Zeugenvernehmung wegen § 52 StPO als ein von vornherein untauglicher Versuch (oder ist es ein Wahndelikt?) nur der Schikane dienen kann, um auf diesem Weg erneut zu versuchen, die Rücknahme des Einspruchs durchzusetzen, ist mehr als deutlich erkennbar.

    Befangenheitsantrag
    Das war dann der Punkt, zu dem der Betroffene über seinen Verteidiger mit einem Ablehnungsgesuch reagierte. Ich versichere hier ausdrücklich, daß dieser Befangenheitsantrag zurückhaltend und vollkommen sachlich – also nicht mit der sonst dem Blogleser bekannten Polemik – formuliert wurde. Es erfolgte die eskalierende Reaktion des Richter K.

    Methodik
    Diese Erfahrungen mit den Methoden des Richters K. haben nicht nur die hier beteiligten Rechtsanwälte gemacht. Es ist ein typisches Verhalten dieses Richters, das von vielen anderen Verteidigern bestätigt wird. Und wenn man mal als Verteidiger bei Richter K. auf der Galerie sitzt, um auf den Beginn „seiner“ Verhandlung zu warten, während vorn ein unverteidigter Betroffener oder Angeklagter von diesem Richter gegrillt wird, weiß man, daß die oben beschriebene Vorgehensweise kein Einzelfall ist.

    WS-SlodyczeCS3Rechtsprechung über Richter K.
    Gestützt wird diese Erfahrung von nicht wenigen Entscheidungen des Landgerichts und des Kammergerichts, mit denen in sehr deutlichen Worten die katastrophale Arbeit dieses Verkehrsrichters gegeißelt wird. Einige Beschwerdeentscheidungen erfüllten nach meinem Gefühl mehr als deutlich die Voraussetzungen für die Formulierung eines Anfangsverdachts hinsichtlich einer Rechtsbeugung. (Wobei ich mit diesem Begriff ansonsten sehr zurückhalten bin, aber hier halte ich ihn für durchaus angemessen.)

    Obliegenheit
    Viele der Kollegen trauen sich den Kampf mit diesem Richter nicht zu. Oder er ist ihnen zu aufwändig (was ich gut nachvollziehen kann). Unverteidigte Betroffene oder Angeklagte haben gegen diesen Richter überhaupt keine Chance. Deswegen meine ich, daß es mir als Organ der Rechtspflege auch obliegt, mit den mir zur Verfügung stehenden Mittel immer wieder und bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hinweisen, daß Richter K. völlig ungeeignet ist zum Führen eines Richteramts.

    a maiore ad minus
    Ich denke mir: Wenn sich Richter K. sehenden Auges, was auf ihn zukommt, traut,

    • eine Vorsatzverurteilung anzudrohen,
    • mit der Terminierung zu provozieren,
    • sinnlose Zeugenvernehmungen anzusetzen,
    • Beweiswürdigungen vorwegzunehmen,
    • dummes Zeug in dienstliche Erklärungen zu schreiben,

    was erlaubt er sich dann erst Recht, wenn er keinen Gegenwind zu befürchten hat. Wie verfährt Richter K. erst, wenn er einen unverteidigten Betroffenen oder unerfahrenen Verteidiger vor sich hat?

    Unabhängigkeit ist kein Freilos für Willkür
    Wegen der verfassungsmäßig garantierten Position des Richteramts ist es nun nicht so einfach, diesem Mann in die Katakomben des Kriminalgerichts zu versetzen. Die Grenzen zur Rechtsbeugung sind sehr, sehr weit gesteckt. Um einen solchen schlimmen Juristen wie Richter K. loszuwerden, bedarf es mehr als nur ein „erfolgreiches“ Ablehnungsgesuch. Aber wenn sich die Anzahl der Ablösungen, (Dienstaufsichts- und Rechts-)Beschwerden häufen, wird auch irgendwann einmal ein unabhängiger Richter das Faß zum Überlaufen bringen. Das Befangenheitsgesuch in meinem Fall ist daher ein weiterer, steter Tropfen dazu.

    Deswegen habe ich sowas gemacht. Und ich würde es immer wieder tun.

    20 Kommentare

    Verteidiger sind keine Arschlöcher!

    Das Wort zum Sonntag stammt heute vom geschätzten Kollegen Dr. Bernd Wagner aus Hamburg:

    Deshalb sind die Strafverteidigerin und der Strafverteidiger, die ihr Handeln aus § 1 BORA, aus der StPO, der Verfassung und der EMRK ableiten und sich als Hüter des Rechtsstaats aufspielen keine Arschlöcher, sondern eine Zierde und eine Garantie für die Autorität des Strafrechts und eine Voraussetzung für Gerechtigkeit und den Rechtsstaat, den ihre Handlungen meist schon im Einzelfall, jedenfalls aber im Ganzen behüten.

    Danke, Kollege!

    Darüberhinaus wäre jetzt jedes weitere Wort eines zuviel.

    Quelle: confront

    4 Kommentare

    Richter K. und sein Hochmutsfall

    proesterchenDas Berliner Anwaltsblatt hat in seiner September-Ausgabe 9/2016 auf Seite 308 die Einsendung eines Beschlusses des Amtsgerichts Tiergarten veröffentlich. Einsender war Richter K., ich habe darüber berichtet.

    Die im Anwaltsblatt veröffentlichte Entscheidung bestätigte dem Richter K., daß er u.a. nicht verpflichtet sei, einem Verteidiger mit Papier auszuhelfen. Das hat er gebührend gefeiert. Deswegen ja auch die Veröffentlichung.

    Dazu noch einmal meinen herzlichsten Glückswunsch!

    abgelehntNun habe ich hier schon wieder eine Entscheidung desselben Gerichts. Und sie betrifft denselben Richter. Und es handelt sich um dasselbe rechtliche Problem:

    Ablehnung des Richter K. wegen der Besorgnis seiner Befangenheit.

    Im Wesentlichen ging es um eine Terminsverlegung, einen Vorsatzhinweis und das gespannte Verhältnis zwischen Richter K. und dem Betroffenen sowie seinem Verteidiger. Und – das räume ich gern ein – um den Austausch wechselseitiger Provokationen.

    Ich zitiere zunächst einmal aus den
    dienstlichen Stellungnahmen des Richter K.:

    Mein [Vorsatz-] Hinweis ist im Konjunktiv gehalten, was der Verteidiger des Betroffenen in seiner Raserei bewußt übersieht.

    Mit „Raserei“ meint Richter K. die Begründung des Ablehnungsgesuchs.

    Nach alledem ist zu begrüßen, daß RA Handschumacher […] abermals ein Beispiel für die Methoden liefert, mit der er nach meiner Ansicht nur den gesetzlichen Richter auszuschalten versucht.

    Befangenheitsantrag als Ausschaltungsversuch. Nun ja.

    Das Vorbringen des Verteidigers ist allerdings nachvollziehbar, sein Mandant habe vor dem Hintergrund seines allein der Obstruktion und Verschleppung sowie dem Konflikt dienenden Verteidigungsverhaltens in einer Reihe früher in der von mir versehenen Abteilung 290 des Amtsgerichts Tiergarten anhängig gewesenen Verfahren panische Angst davor, ich würde ihm mal so richtig einen reinwürgen, ihn also nach allen Regeln der Kunst so richtig plattmachen.

    Also: Richter K. unterstellt dem Betroffenen mit blumigen Worten, ein panischer Angsthase zu sein. Ok, eine richterliche Stellungnahme kann man so machen; aber dann isse halt Kacke.

    Denn der Betroffene sieht auf der Basis des bisherigen Akteninhaltes keinen Weg, mit einer sachbezogenen Einlassung den Tatvorwurf abschütteln zu können, er weiß, daß der bisherige Akteninhalt wohl kaum eine Möglichkeit bietet, dem am 23.9.15 gewonnenen Meßergebnis entgegenzutreten.

    Kompetente Strafjuristen werden sie erkennen, die vorweg genommene Beweiswürdigung. Richter K. setzt aber noch einen oben drauf:

    Mag jemand vielleicht bei dem am Steuer sitzenden Mann auf den Belegfotos eine gewisse Ähnlichkeit mit dem türkischen Präsidenten Erdogan zu entdecken meinen; dieser war am 23.9.15 aber nicht in Berlin, und warum sollte er mit dem VW von [der Halterin] aus der [*]straße in Neukölln durch die Straßen dieser Stadt fahren.

    Ist hier irgend jemand, der zwischen dem Betroffenen und Erdogan (der Präsident) eine Ähnlichkeit entdecken mag?

    Noch einmal zur Erinnerung: Das sind Zitate aus einer dienstlichen Erklärung in einem förmlichen Verfahren, nicht im Zusammenhang mit einer Unterhaltung im Bierzelt.

    Der Betroffene weiß wahrscheinlich genau, daß er auf den bei der Akte befindlichen Belegfotos als Fahrer des Tatfahrzeugs, mit dem ihn seine Frau hat fahren lassen, zu identifizieren und somit auch an seiner Fahrereigenschaft nichts zu rütteln ist.

    Noch einmal ein sehr schönes Beispiel für die Beweiswürdigung am heimischen Küchentisch des und durch Richter K.

    Diese Furcht eines verängstigten und verunsicherten Mannes, der nun dem zur Entscheidung berufenen Gericht nicht wie bisher als Verteidiger, sondern als Betroffener gegenübersteht, ist ernstzunehmen und zu akzeptieren, mag sie auch nicht mit dem Bild von einem gestandenen Rechtsanwalt und Strafverteidiger vereinbar sein.

    Nein, ich habe mir diesen Satz (wie alle anderen auch) NICHT ausgedacht. Das schreibt Richter K. über einen Betroffenen, der sich bis dato noch gar nicht persönlich zu Wort gemeldet hat.

    Es mag nun mit diesen Zitaten sein Bewenden haben, es sind einige Highlights aus der auch um übrigen hell leuchtenden dienstlichen Erklärung.

    Das AG Tiergarten schreibt dazu im
    Beschluß vom 28.09.2016 (217c AR 90/16):

    Allerdings liegt mit der dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters vom 5.August 2016 ein Grund im Sinne des § 24 Abs. 2 StPO vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des erkennenden Richters zu rechtfertigen. Zum einen lassen nämlich die Äußerungen in der dienstlichen Stellungnahme – aus Sicht des Betroffenen – befürchten, der abgelehnte Richter gehe nicht unvoreingenommen an die Sache heran
    und sei bereits von der Schuld des Betroffenen endgültig überzeugt. Sinngemäß unterstellt der abgelehnte Richter dem Betroffenen und dessen Verteidiger, dass auf Obstruktion und Verschleppung angelegte Verteidigungsverhalten sei nur so zu erklären, da der Betroffene auf der Basis des bisherigen Akteninhalts keinen Weg sehe, den Tatvorwurf mit einer sachbezogenen Einlassung „abschütteln“ zu können. Dies lässt die Überzeugung des abgelehnten Richters erkennen, er teile insoweit die Einschätzung des Betroffenen. Diese Einschätzung legt jedenfalls nahe, dass der abgelehnte Richter davon ausgeht, eine prozessordnungsgemäße Verteidigung könne nicht zum Erfolg führen. Ebenso kommt die Überzeugung des abgelehnten Richters mit der Äußerung zum Ausdruck, der Betroffene wisse wahrscheinlich genau, „dass er auf den bei der Akte befindlichen Belegfotos als Fahrer des Tatfahrzeugs, mit dem ihn seine Frau hat fahren lassen, zu identifizieren und somit an seiner Fahrereigenschaft nicht zu rütteln ist.“ Dies kann aus Sicht des Betroffenen nur so verstanden werden, auch der abgelehnte Richter gehe davon aus, an der Täterschaft des Betroffenen sei nicht zu rütteln. Die ergänzend eingeholte Stellungnahme des abgelehnten Richters ist demgegenüber nicht geeignet, dass begründete Misstrauen zu beseitigen. Allein die Mitteilung, die Fahrereigenschaft habe für ihn – den erkennenden Richter – bislang nicht festgestanden , reicht insoweit nicht aus.
    Dies gilt nun umso mehr, da der abgelehnte Richter sogleich mitteilt, der Verteidiger hier habe hinsichtlich der Fahrereigenschaft des Betroffenen jetzt Sicherheit hergestellt.

    Daneben begründen auch die verbalen Überspitzungen in der dienstlichen Stellungnahme vom 5. August 2016 in der Gesamtschau -aus Sicht des Betroffenen – Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters. Die Führung des Verfahrens kann nämlich dann einen Ablehnungsgrund darstellen, wenn die richteilichen Handlungen unangemessen oder völlig unsachlich sind. Den Betroffenen, Rechtsanwalt Hoenig, sinngemäß als „verängstigten und verunsicherten Mann“ darzustellen, dient nur dazu, den Betroffenen herab zusetzten. Dies ist unsachlich und unangemessen und lässt -aus Sicht des Betroffenen- befürchten, die innere Haltung des abgelehnten Richters ihm gegenüber könne die Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen. Daneben bedarf es wegen der weiteren verbalen Überspitzungen einer Erörterung nicht.

    Das sind unmißverständliche Worte für das Vorgehen eines Richters, der dem lieben Gott auf Knien für den Art. 97 GG danken sollte.

    19 Kommentare

    Selbstverständlichkeiten beim EGMR und AG Gladbeck

    In seinem Urteil vom 12.11.2015 (2130/10) stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fest:

    Zwischen einer Äußerung, dass jemand verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und einer eindeutigen Erklärung, dass er die Straftat begangen hat, ohne dass er rechtskräftig verurteilt worden ist, muss grundsätzlich unterschieden werden. Die zuletzt genannte Äußerung verletzt die Unschuldsvermutung, während die erste mit Art. 6 II EMRK vereinbar ist. (Leitsatz aus BeckRS 2016, 16668)

    141070_web_r_by_jan-von-broeckel_pixelio-deIn der Sache ging es um Art. 6 II EMRK, Art. 35 III b EMRK und Art. 41 EMRK im Zusammenhang mit dem Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung. Es ist erstaunlich, daß ein Richter am Amtsgericht Gladbeck erst die deutliche Ansage des EGMR braucht, damit an sich völlig Selbstverständliches auch Wirklichkeit im nördlichen Ruhrgebiet werden kann.

    Der vom AG Gladbeck in den Knast Geschickte reklamierte die Verletzung der in Art. 6 Abs. 2 EMRK garantierte Unschuldsvermutung. Die deutschen Gerichte hätten die Aussetzung seiner Strafe mit der Begründung widerrufen, er habe in der Bewährungszeit einen weiteren Einbruchsdiebstahl begangen. Er bestritt jedoch, diese neue Straftat begangen zu haben. Im Zeitpunkt des Widerrufs war er auch noch nicht verurteilt gewesen, schon gar nicht rechtskräftig. Die Gerichte haben sich nur auf sein ursprüngliches Geständnis vor dem Ermittlungsrichter gestützt. Das war jedoch unwirksam, weil er es zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidungen bereits widerrufen habe.

    Das Verfahren (mindestens) zeigt zweierlei:

    • Die Verteidigung vor dem Ermittlungsrichter – z.B. wenn es um die Frage der Haftverschonung geht – darf die Konsequenzen einer (frühen) Einlassung für das bzw. alle weitere(n) Verfahren nicht aus dem Blick verlieren.
    • Wenn eine Staatsanwaltschaft und ein Gericht jemanden in den Knast schicken möchten, schrecken sie im Einzelfall noch nicht einmal vor Menschenrechtsverletzungen zurück.

    __
    Quelle des Leitsatzes: Beck Online (nur für Abonennten einsehbar)

    Bild: © Jan von Bröckel / pixelio.de

    5 Kommentare