Monatsarchive: Oktober 2016

Warum Abgeordneten-Diäten erhöht werden sollten

765667_web_r_k_by_petra-dirscherl_pixelio-deEs gibt schlagkräftige Gründe dafür, die Bezüge der Mitglieder des Abgeordnetenhauses zu erhöhen. Über einen dieser Gründe möchte ich hier berichten.

Strafrecht
Ein Mandant hat mich damit beauftragt, seine Interessen zu vertreten. Wer sich auf unserer Website umsieht, wird feststellen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um eine Strafsache.

Postbote
Dieser Mandant lebte in einer Wohngemeinschaft. Er hat seinen Wohnsitz verlegt und seinen Gemeinschaftern mitgeteilt, daß unsere Kanzlei die für eingehende Post entgegen nehmen wird. Das war Anfang des Jahres 2015. Wir haben seinerzeit ein- oder zweimal solche Post bekommen. Dann war’s das mit der Post.

Miet- und Gesellschaftsrecht
Durch den Auszug des Mandanten hatten die übrig- oder zurückgebliebenen Bewohner irgend ein mietvertragliches Problem. Eine der Bewohnerinnen hat sich ein paar Mal Ende 2015 bei uns gemeldet. Ich habe ihr mitgeteilt, daß ich ihr bei der Problemlösung nicht helfen kann.

Berufsrecht
Vor ein oder zwei Monaten meldete sich ein Rechtsanwalt für diese Bewohnerin bei mir und bat mich um Informationen über meinen Mandanten und Mithilfe bei der Lösung des miet-/gesellschaftsrechtlichen Problems. In zwei oder drei eMails habe ich den Anwalt auf die einschlägigen Vorschriften hingewiesen, die Anwälten das Plaudern aus Mandantsverhältenissen verbietet. Und ich bin davon ausgegangen, daß die Sache damit ihr Bewenden hat.

Pustekuchen
Trotz der Hinweise auf § 43 a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA und § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB gibt der „Kollege“ nicht auf. Jetzt schreibt er nicht nur eMails, sondern verlangt hartnäckig ein Telefonat.

Abgeordneten-Diäten
Was hat das nun alles mit den Bezügen der Abgeordneten zu tun?

Dazu kurz ein Zitat aus dem Abgeordnetenhaus:

Die Ausübung eines Abgeordnetenmandats nimmt mitunter viel Zeit in Anspruch, so dass es den Abgeordneten unter Umständen nicht mehr möglich ist, nebenbei noch einen Beruf auszuüben. Damit sich nicht wie früher nur Wohlhabende einen Sitz im Parlament leisten können, bekommen die Abgeordneten für ihre Aufwendungen eine Entschädigung, die sogenannten Diäten.

Der „Kollege“, für den berufsrechtlichen Vorschriften offenbar nur unverbindlichen Empfehlungscharakter zu haben scheinen, ist ein solcher Abgeordneter, der sich u.a. für „Pflanzkübel bis Milieuschutz“ in der Kommunalpolitik engagiert. Auf seiner Seite proklamiert er, daß er „eine offene, progressive Gesellschaft“ will.

Nebeneinkünfte
Dazu teilt er mit:

Im Zeitraum 1. Januar – 31. Dezember 2014 hatte ich monatlich zu versteuernde Einkünfte der Stufe 1 (0 bis 1000 EUR brutto), zweimal der Stufe 2 (1.000 bis 3.500 EUR brutto). Die anwaltliche Tätigkeit bezog sich auf Sachverhalte aus dem Recht des gewerblichen Rechtsschutzes und dem Urheberrecht, dem Vertragsrecht sowie dem Verkehrs-, Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht.

Erhöhung der Diäten
Wenn man diesem abgeordneten Nebenberufsrechtsanwalt … sagen wir mal … das Doppelte an Abgeordnetendiäten zahlen würde, wäre die Wahrscheinlichkeit sicher deutlich größer, daß er als Berufsrechtsträger sich und andere Anwälte nicht weiter bis auf die Knochen blamieren würde. Und damit die Basis unseres Berufs gefährdet.

Wachtansage
Lieber für die moderne Verkehrsentwicklung Berlins engagierter „Kollege“,

hier nochmal zu Mitschreiben: Berufs- und Strafrecht verbieten es – mit großen Recht – einem Rechtsanwalt, Informationen aus einem Mandatsverhältnis Dritten gegenüber preiszugeben. Da es Ihnen offenbar nicht gelungen ist, die Ihnen bereits mitgeteilten Hinweise und Begründungen zu durchdringen, starte ich einen weiteren, jetzt aber wirklich letzten Versuch (vgl. dazu ausführlich: RAK München):

Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht ist tragender Pfeiler des Vertrauens des Mandanten in die Anwaltschaft. Jeder Mandant muss sich darauf verlassen können, dass das, was er dem Anwalt anvertrauen wird, von diesem nicht weitergetragen wird. Es ist – neben der Verpflichtung, keine widerstreitenden Interessen zu vertreten – die wichtigste Grundpflicht des Anwalts und hat für das anwaltliche Berufsbild konstitutive Bedeutung (Henssler in: Henssler/Prütting, BRAO §, 43 a Rn. 41). Die Berufsverschwiegenheit ist wesentliches Markenzeichen der Anwaltschaft. Mit ihr darf nicht großzügig umgegangen werden. Der berufsrechtliche Schutzbereich ist weitergefasst als der strafrechtliche: Er umfasst alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufes bekannt wird; der strafrechtliche Schutz des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB bezieht sich dagegen nur auf den Schutz von „fremden Geheimnissen“. Der Herr des Schweigerechts und der Schweigepflicht des Rechtsanwalts ist der Mandant; zu seinem Schutz besteht die Verschwiegenheitspflicht, nur er kann hiervon entbinden.
[…]
Die Verschwiegenheit bezieht sich auf alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist …

Kümmern Sie sich weiter um „die soziale Mischung in den Berliner Kiezen mit günstigen Wohnungen auch im Innenstadt-Bereich“. Davon verstehen Sie etwas und das machen Sie gut. Wenn Sie daneben einmal eine Inititative zur Erhöhung der Abgeordnetendiäten starten möchten: Meine Unterstützung haben Sie; versprochen! Aber lassen Sie die Finger von Sachen, die Sie nicht überblicken, gefährden Sie nicht weiter den ohnehin lädierten Ruf von Rechtsanwälten und Strafverteidigern und – gaaaanz wichtig: Stehlen Sie mir nicht meine Zeit.

Obiter Interrogatum:
Sind Nebenberufsanwälte eigentlich sowas Ähnliches wir Nebenberufslandwirte?

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Bild: © Petra Dirscherl / pixelio.de

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