Monatsarchive: November 2016

Ein Franchisesystem des Terrorismus?

Unter dem Titel „Entgrenzter Terror: Der „Islamische Staat“ als Kalifat und globale Marke“ vermitteln die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags einen groben Überblick über den IS, der Al-Qaeda als Hauptakteur des Terrorismus im Nahen Osten abgelöst haben soll.

Der „Islamische Staat“ (IS, arab. abwertend Daesh) ist eine sunnitische, islamistische Terrormiliz, die versucht, im Irak und in Syrien einen eigenen Staat gemäß ihrer religiösen Vorstellungen zu errichten und letztlich die Ausweitung ihres Herrschaftsbereiches auf die ganze Welt anstrebt.

… heißt es in dem von Ingo Rose verfaßten Bericht, der als PDF hier veröffentlicht wurde und mit dem versucht wird, die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen wie die nigerianische Boko Haram, die philippinische Abu Sayyaf und manche afghanische Taliban Milizen darzustellen.

Keine leichte Kost, aber lesenswert und im gebotenen Umfang informativ.

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Rote Linien bei der Rechtsschutzversicherung

140107_web_r_k_by_henrik-g-vogel_pixelio-deVor vielen Jahren gab es vermehrt Fälle, in denen sich Falschparker kolussiv mit Rechtsanwälten zusammenschlossen, um Rechtsschutzversicherer zu betrügen. Und das ging so.

Geschäftsidee
Wilhelm Brause stellt sein Auto absichtlich in ein Parkverbot. Das Knöllchen hinterm Scheibenwischer bezahlt er nicht. Bulli Bullmann, seines Zeichens robuster Sachberbeiter bei der Bußgeldstelle, schickt dem Brause daraufhin einen Verwarnungsgeldbescheid. Auch in dieses Papier stanzt Brause zwei Löcher und heftet es unbearbeitet ab. Das nimmt Bulli Bullmann zum Anlaß, Wilhelm Brause noch einmal zu schreiben. Diesmal einen Bußgeldbescheid. Inhaltlich bedeutet das: Verwarnungsgeld (z.B. 20 Euro) zuzüglich Verfahrenskosten (etwa 30 Euro), macht bummelige 50 Euro.

Das ist der Startschuß für Brause, um seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Rudolf Ratte, zu beauftragen. Ratte legt für Brause Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und liquidiert seinen Vorschuß in Höhe des vollständigen Honorars beim Rechtsschutzversicherer, mit dem Brause einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen hatte. So eine Vorschußrechnung liegt bei runden 400 Euro.

Nach Eingang der Vorschußzahlung nimmt Ratte den Einspruch gegenüber dem Amtsgericht zurück, bezahlt die 50 Euro und teilt sich den „Rest“ der Versicherungsleistung, also die Anwaltsvergütung, mit Wilhelm Brause.

Nebenfolgen
Diese Praxis der Vermehrung eigenes Vermögens ohne ehrliche Arbeit führte zunächst zu dem einen oder anderen Strafverfahren wegen gemeinschaftlich begangenen gewerbmäßigen Betrugs gegen Leute wie Ratte und Brause.

Einschränkungen
Nur wenig später reagierten die Versicherer mit Änderungen der Versicherungsbedingungen. Die allermeisten Rechtsschutzversicherer übernehmen nun nicht mehr die Kosten der Verteidigung gegen Falschparkvorwürfe. Damit spart sich die Versicherungswirtschaft einen ganz erheblichen Teil der Versicherungsleistungen.

Neue Geschäftsidee
Beim Kollegen Burhoff findet sich nun eine weitere Idee, mit der ein Versicherer (der ohne die Tüttelchen über dem „u“) die Kosten für die Verteidigung sparen möchte. Nicht ein rattiger Rechtsanwalt, sondern der Rechtsschutzversicherer zahlt das Bußgeld und die Verfahrenskosten; er spart sich damit (ganz oder teilweise) die Verteidigervergütung und die Kosten im gerichtlichen Verfahren. Das können im Einzelfall durchaus einmal höherere vierstellige Beträge sein, z.B. wenn Sachverständigengutachten erstellt werden müssen.

Feine Sache?
Allerdings müßte die BAFin die Frage nach dem Sinn eines Versicherungsvertrags zum Zwecke der Bußgeldvermeidung wohl noch einmal genauer und unter neuem Licht betrachten, wenn dieses Regulierungsverhalten zur ständigen Übung der Rechtsschutzversicherer avancieren sollte. Spätestens aber, wenn ein Versicherer seinen Versichererungsnehmern auf diesem Wege eine Einkommensquelle verschafft, dürfte die rote Linie überschritten sein.

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Vorsatzhinweis auf der Heckklappe

Es gibt Sachen, die sind nicht witzig, wenn sie in einen ungewollten Zusammenhang gestellt werden.

vorsatzhinweis

Ich habe nicht selten Richter beim Arbeiten zugeschaut, die solche Stellungnahmen ernst nehmen und dem E-Klasse-Fahrer dann unterstellen, vorsätzlich eine Grenzüberschreitung ausgetestet zu haben. Wenn dann noch das eine oder andere Flens im Register steht, ist rapp-zapp mal eben die Geldbuße verdoppelt.

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Audiatur et altera Wendt?

643967_web_r_b_by_thomas-max-mueller_pixelio-deÜber den Treibjäger Rainer Wendt und was ich von ihm halte, habe ich am vergangenen Mittwoch geschrieben. Es ging um die unsäglichen Äußerungen dieses großmäuligen Chefs einer Kleinstgewerkschaft im Zusammenhang mit dem schlimmen Vorfall in Hameln. Der Populist Wendt beutete das Elend dieser entsetzlichen Tat zu seinen eigenen übergriffigen Propagandazwecken aus.

Es war zu erwarten, daß der vermeintliche Hardliner eigentlich ein Weichei ist. Er ist von der Maus abgerutscht und falsch verstanden worden. Statt zu dem unsäglichen Müll zu stehen, den er zuvor verbreitet hat, versucht er – ähnlich wie die bräunlichen Führer des Gesinnungspöbels in jüngerer Vergangenheit – seine Übergriffe zu relativieren.

In einem Interview mit Ansgar Siemens parfümiert er den zuvor gefüllten verbalen Kathederbeutel:

  • Das habe ich nicht gesagt.
  • Dieser Eindruck ist falsch. Er war von mir nicht beabsichtigt …
  • Die Frage ist immer, wie man Populismus definiert.
  • In diesem Fall aber sind meine Aussagen offenbar von interessierter Seite verzerrt wiedergegeben worden.
  • Darüber muss ich schmunzeln.

Der von mir sehr geschätzte Kollege und Kolumnist Heinrich Schmitz analysiert den notdürftig als Justizkritik getarnten Wendt’sche Abwasserrohrbruch in deutlich sachlicher Form als ich es vermag. Die Samstags-Kolumne über den Störer ist unbedingt lesenswert.

Darin belegt der Strafverteidiger Schmitz die Absurdität der teils völlig falschen Behauptungen des Herrn Wendt. Er lenkt dessen substanzlose und in diesem Fall unberechtigte Kritik an den Richtern um auf die Mängel der Ermittlungsarbeit der Polizei, auch und gerade in dem Fall Hameln. Nicht den Richtern, sondern viel häufiger den Polizeibeamten, fehle es an profunder Ausbildung, die Rainer Wendt als Gewerkschaftler für seine Kollegen eigentlich fordern sollte.

In seiner Kolumne vermutet Schmitz eigene Interessen des Sherrifs Wendt, der durch die überzogenen Thesen seinen zweifelhaften Bestseller promoten möchte.

Mit mir gemeinsam freut sich Heinrich Schmitz darüber, daß Wendt, ein …

… Polizeibeamter, der offenbar innerlich nicht bereit ist, die Gewaltenteilung und gerichtliche Entscheidungen zu akzeptieren und seine eigene, sehr spezielle Auffassung von Recht und Ordnung hat, nicht mehr im aktiven Dienst ist.

Ich bin mir sehr sicher, daß die weitaus überwiegende Zahl der Polizeibeamten sich von den kruden Ideen des ehemaligen Schutzpolizisten distanziert. Und ich freue mich, wenn ich – wie am vergangenen Freitag in einer Beweisaufnahme vor dem Landgericht Berlin – auf Polizisten treffe, die selbst in solchen Problemkiezen wie Wedding, Kreuzberg und Neukölln ihren Job stets mit Augenmaß erledigen. Und die sich für diese Wendt’sche Propaganda schämen.

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Bild: © Thomas Max Müller / pixelio.de

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Strafverschärfung als Politik?

Die Tagesschau berichtete heute morgen, Herr Bundesjustizminister Maas wolle noch vor Weihnachten einen Gesetzesentwurf vorlegen. Ok, das wird er nicht selber machen, dafür hat er ein paar studierte Leute, die ihm der Steuerzahler dafür finanziert.

Thema dieses Tagesschauberichts war einmal mehr eine Strafverschärfung. Heute im Angebot:

Härtere Strafen bei Wohnungseinbrüchen.
Einbrecher sollten mit mindestens sechs Monaten Haft bestraft werden.

 

einbruchsdiebstahlverschaerfung

Justizminister Gnadenlos?
Keineswegs. Denn für den seit dem 1. April 1998 (ich hab’s ausgerechnet: seit 18 Jahren und 7 Monaten) geltenden § 244 Abs. 1 Ziff. 3 StGB war Herr Maas nicht verantwortlich. Seit diesem Datum schon bekommt ein Wohnungseinbrecher mindestens 6 Monate, höchsten 10 Jahre Freiheitsentzug.

Und was hat es genützt?
Gibt es den Junkie vom Kotti, der einen Bruch plant, und sich vorher Gedanken über die Mindeststrafe macht? Die ihn dann davon abhält, in die Kreuzberger Hinterhauswohnung einzusteigen? Oder die Touristen aus dem bettelarmen Osteuropa, die sich wegen der gewerbs- und bandenmäßiger Begehung ihrer Einbrüche ohnehin keine Gedanken über die Mindestfreiheitsstrafe machen müssen, weil für sie eher die Obergrenze in Betracht kommt?

Dazu noch die These,
daß ein eingesperrter Wohnungseinbrecher mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nach professioneller Schulung im Knast die künftigen Brüche qualitativ hochwertiger ausführen können wird.

Was soll das also?
Fischen der Wählerstimmen unter den Dresdner Montagssparziergängern?

Update/Korrektur:

Die Tagesschau hat die Absicht des Herrn Ministers verkürzt dargestellt. Es soll der minder schwere Fall nach § 244 Abs. 3 StGB wegfallen.

kommentierte zutreffend RA Jörg Jendricke

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Wichtig: Der Blick nach hinten

Wenn man auf der Berliner Autobahn unterwegs ist, sollte man ab und an mal kontrollieren, wer so alles hinter einem herfährt. Dieser freundliche Moppedfahrer hat sich ausschließlich nach vorn orientiert. Um auf heranfliegende Multanovas, Traffipaxe und Poliscans zu achten. Und dann passiert sowas:

tatvorwurf

Da folgen zwei Polizisten (mit ihren hochkomplifizierten Berufsbezeichnungen) einem japanischen Zweirad, schalten ihre Dashcam ein und drücken auf die Tasten einer Stopuhr. Die Möglichkeiten, die Richtigkeit der Messung erfolgreich anzugreifen, sind durchaus vorhanden. Mal schauen, was die Meßdiener ins Protokoll geschrieben haben.

Nebenbei.
Für die, die es noch nicht wissen sollten:

Das Fahren auf den Berliner Autobahnen erfolgt innerorts. Mit der üblen Konsequenz, daß eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bereits um mehr als 30 km/h zum Fahrverbot führen kann. Wenn der Verteidiger nicht aufpaßt.

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Rainer Wendt mal wieder

643967_web_r_b_by_thomas-max-mueller_pixelio-deDer Vorfall in Hameln bewegt die Gemüter. Da soll ein Mann seiner ehemaligen Partnerin einen Strick um den Hals gelegt, sie damit an sein Auto gebunden und anschließend durch die Stadt geschleift haben. Die Frau soll dabei lebensgefährlich verletzt worden sein.

Die Ermittlungen dauern an, gegen den Mann wird – wohl gem. § 112 Abs. 3 StPO – die Untersuchungshaft vollstreckt.

Eine grauselige Tat, deren Einzelheiten von den Ermittlungsbehörden weiter aufgeklärt werden muß, bevor die Staatsanwaltschaft voraussichtlich eine Anklage erheben und anschließend eine Schwurgerichtskammer darüber verhandeln wird.

Sehr viel später und nach einem rechtsstaatlichen Verfahren wird dann irgendwann ein rechtskräftiges Urteil stehen. Wie das ausfallen und wie es begründet wird, kann man mit diesem Werkzeug präzise vorhersagen.

So etwas braucht Rainer Wendt nicht! Er ist der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft und weiß jetzt schon, was am Ende hinten rauskommt.

Es wird sich ein Richter finden, der ihm auch jetzt wieder eine positive Sozialprognose geben wird.

zitiert SPON den polizeiverbeamteten Wahrsager. Das ist das hinreichend bekannte dumme Geschwätz dieses Herrn und nicht weiter ernst zu nehmen.

Aber Wendt legt noch eine Schippe drauf und versteigt sich zu dem Ratschlag

die Ausbildung und Berufung von Richtern zu überprüfen.

Was glaubt der Kerl eigentlich von sich selbst? Ich verteidige ja nicht oft die Richterschaft. Aber daß ein beschlipster ehemaliger Schutzpolizist sich anzumaßen versucht, an der Ausbildung von Richtern herumnörgeln zu müssen, geht doch ein erhebliches Stück zu weit.

Die volle Härte des Gesetzes heißt heute oft, wir stellen von Straftätern die Personalien fest, und Richter lassen sie wieder frei.

dreht der populistisierende Politpolizist frei und zeigt damit, daß er das Ding, auf das er einen Eid geschworen hat, trotz seines fortgeschrittenen Alters bis heute nicht begriffen hat. Das Ding? Es nennt sich EMRK, Verfassung, Grundgesetz und Rechtsstaat.

Der juristisch dilettierende Gewerkschaftsboß fabuliert in dem Spiegel Artikel über den Freispruch des Landgerichts Wuppertal – immerhin besetzt u.a. mit drei gestandenen Volljuristen. Ohne Aktenkenntnis, ohne den Verlauf der Hauptverhandlung zu kennen, aus dem Bauch und seinem gesunden Volksempfinden heraus.

Ach was! Ein Polizeihauptkommissar als Dienstgruppenleiter braucht keine Hauptverhandlung, keine Ermittlungsergebnisse, keine kontradiktorische Beweisaufnahme, keine Urteilsberatung, keine Überprüfung durch ein Rechtsmittelgericht. Das macht so einer wie Rainer Wendt, ein deutscher Polizist und seit 2007 Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, vollkommen freihändig.

Gibt es eigentlich keine Vorschriften, die die geistige Bildung eines Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft regulieren?

Dass er [Rainer Wendt] ein gespanntes Verhältnis zu Menschen hat, die ihre demokratischen Grundrechte wahrnehmen, hat er mehrfach zum Ausdruck gebracht.

schrieb Matthias Altenburg bereits 2012. Wird ein „normaler“ Mensch mit zunehmendem Alter weiser, scheint Wendt einen anderen Weg zu gehen. Aber das/der paßt ja gut in die aktuelle Gauland-Trump-Zeit.

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Bild: © Thomas Max Müller / pixelio.de

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Hohe Arbeitsbelastung durch Pornographie

Eine gewissenhafte Mitarbeiterin der Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein ist beim Pornogucken auf einen Verstoß gegen das Abgabeverbot gem. § 41 Abs. 1 OWiG i. V. m. §§ 184 Abs. 1 StGB, 184d StGB gestoßen. Sie reagiert sozialadäquat und schreibt einen Brief an die für Schweinskram zuständige Abteilung bei der Staatsanwaltschaft Hamburg.

pornoauslastung01

Der Hinweis auf die kurzen Verjährungsfristen war notwendig. Die MA HSH verfügt insoweit schon über einschlägige Erfahrungen. Ein notwendiger Hinweis, aber ein nutzloser.

Die Staatsanwaltschaft hat die Akte am 6. Mai angelegt und sie am 12.05.2015 …

mit der Bitte, die Ermittlungen aufzunehmen, insbesondere den/die Beschuldigte(n) zu ermitteln, einen Personalbogen zu erstellen sowie rechtliches Gehör zu gewähren,

… an die ebenfalls mit Schmuddelzeugs beschäftigte Stelle beim Landeskriminalamt (LKA) Hamburg weitergeleitet. Optimistisch, wie Staatsanwältinnen stets sind, hat sich die zuständige Staatsanwältin eine Wiedervorlagefrist von einem Monat gesetzt. Die Post ist am 18.05.2015 beim LKA eingegangen, so steht es auf Blatt 5 der Ermittlungsakte.

Blatt 6 der Akte sieht dann so aus:

pornoauslastung02

Nun gut, das Ganze hier war nicht wirklich eine Sache von oberster Dringlichkeit. Aber ein schlechtes Schlaglicht auf die Arbeit derjenigen, zu deren Aufgabe es gehört, Strafverteidigern das Leben (bzw. die Arbeit) schwer zu machen, wirft es trotzdem.

Die Leute, die publikumswirksam nach immer höheren Strafen und immer mehr Strafgesetzen verlangen, müßten sich ein paar Gedanken darüber machen, wie der dadurch entstehenden Mehraufwand für die Ermittler bewältigt werden soll. Quasi sehenden Auges in die Verjährung hineinzubummeln kann ja nicht die Lösung sein.

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Fortbildungshinweis: Das Recht der Befangenheit

772540_web_r_by_birgith_pixelio-deEs gibt ja immer mal wieder was Neues. Diesmal sollen es ein paar Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sein, die für die Verteidigung nützlich sein können.

Um welche es sich handelt und wie man sie im Zusammenhang mit Ablehnungsgesuchen (§ 24 StPO) im Strafverfahren „fruchtbar“ machen kann – darüber referiert am morgigen Samstag, den 19.11.2017, der geschätzte Kollege Stefan Conen auf dem GLS-Campus in Berlin Prenzlauer Berg.

Veranstalter ist der RAV. Wer sich am Samstag also nicht über das Novemberwetter ärgern möchte, kann sich hier noch anmelden.

Ich freue mich auf eine spannende Veranstaltung.

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Bild: © birgitH / pixelio.de

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Der Rechtsanwalt als eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“

366836_web_r_b_by_thommy-weiss_pixelio-deEine Begegnung der ganz besonderen Art hatte der Berliner Kollege Dr. Martin Manzel. Er traf am Flughafen Tegel auf die öffentlichen Sicherheits- und Ordnungshüter der Bundespolizei.

Und nun trifft er sich vor dem Verwaltungsgericht mit Vertretern der Bundesrepublik Deutschland. Am 24.11.2016 um 9:30 Uhr, in der Kirchstraße 7, 10557 Berlin Moabit (Save the date!), um das erste Treffen juristisch aufarbeiten zu lassen.

Rechtsanwalt Dr. Manzel hat einen offenen Brief an uns Anwälte geschrieben, den ich mit seiner Zustimmung nachfolgend veröffentliche:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich verklage die Bundesrepublik Deutschland wegen eines Eingriffs der Bundespolizei in meine anwaltliche Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG. Der Fall hat grundsätzliche Bedeutung für die Tätigkeit von Anwälten. Ich bitte Euch:

Kommt zur Verhandlung und zeigt Präsenz.

Die Verhandlung findet am 24.11.2016 vor dem Verwaltungsgericht Berlin statt (9.30 Uhr, Paul Martin Manzel ./. Bundesrepublik Deutschland). In dem Verfahren verklage ich als Anwalt die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundespolizei.

1. Hintergrund des Verfahrens …
… ist die Abschiebung einer Mandantin am 15.12.2014 in der Ausländerbehörde Berlin. Medien berichteten über den Fall, da innerhalb des Verfahrens – wir beantragten die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung – ein „Gutachterskandal“ der Berliner Ausländerbehörde aufflog. (Dazu die Berichte aus der Berliner Zeitung und auf Proasyl.de.

Das Verwaltungsgericht Berlin hatte mit Urteil vom 25.02.2015 (VG 24 K 14.15 – juris) die Rechtswidrigkeit der Abschiebung festgestellt und betont, dass eine derartige Art der Abschiebung sogar gegen die Menschenwürde verstoßen kann. Die Mandantin war ohne jede Ankündigung in die Türkei abgeschoben worden; auch das Besorgen der notwendigsten Dinge (Geld, Kleidung, Kreditkarte, wichtige Unterlagen etc.) wurde ihr verwehrt, freilich hatte man sie vorher noch unter Medikamente gesetzt und keinerlei Vorbereitungsmaßnahmen in der Türkei getroffen.

2. Bei der Abschiebung …
… wurde ich durch eine Täuschung von meiner Mandantin getrennt und diese direkt zum Flughafen Tegel gebracht. Am Flughafen verlangte ich Zugang zu meiner Mandantin, um sie abschließend persönlich beraten zu können. Dies wurde mir verwehrt – ich erhielt sogar einen formellen Platzverweis durch die Bundespolizei.

Innerhalb des gerichtlichen Verfahrens rechtfertigt die Beklagte dieses Vorgehen und verweist darauf, dass mein Verlangen, die Mandantin zu beraten, eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ dargestellt hätte. Es sei zu befürchten gewesen, dass ich versuchen werde die rechtswidrige Abschiebung zu verhindern. Wörtlich heißt es:

    „Nach § 14 Abs. 2 S. 1 BPolG ist Gefahr im Sinne des § 38 BPolG eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bereich der Aufgaben, die der Bundespolizei nach §§ 1 bis 7 BPolG obliegen…Wenn Dritte eine polizeiliche Maßnahme stören oder behindern, stellt dies eine konkrete Gefahr für das Funktionieren einer staatlichen Einrichtung und damit für die öffentliche Sicherheit dar…Hiervon ausgehend durfte die Beklagte ein Betretensverbot für die Diensträume aussprechen…Aufgrund dieser Umstände durfte die Beklagte davon ausgehen, dass das Verhalten des Klägers insgesamt auch künftig darauf ausgerichtet sein würde, die Durchführung der Abschiebung zu be- oder verhindern und somit eine Gefahr für die Aufgabendurchführung der Beklagten bestand.“ (Hervorhebung durch mich.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn Anwälte zu einer „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ werden, sollten wir alle hellhörig werden. Wenn dieses Beispiel Schule macht, bedroht das die unabhängige Anwaltschaft in unserem Rechtsstaat.

Ich bitte Euch daher um Eure Unterstützung! Je mehr Kollegen kommen, desto größer ist die Wirkung des Verfahrens. Die Berliner Anwaltschaft darf sich dieses Vorgehen nicht gefallen lassen. Für den 24.11.2016 sind umfassend Zeugen geladen worden, wir erwarten eine große Beweisaufnahme. Für Eure zahlreiche kollegiale Unterstützung wäre ich euch sehr dankbar!

Mit freundlichen und kollegialen Grüßen

Rechtsanwalt Dr. Martin Manzel
Lutherstraße 12, 13585 Berlin

Angesichts des Verhaltens dieser Bundespolizeibeamten sehe ich ganz woanders die Gefahr. Und die geht zum einen nicht von Anwälten, sondern von den Bundesbeamten aus. Gefährdet scheint zum anderen nicht nur die öffentliche Sicherheit und Ordnung, sondern der Rechtsstaat im Ganzen. Unglaublich, was in den Köpfen solcher Polizisten vorgeht!

Ich bitte nicht nur die Kollegen um zahlreiches Erscheinen, sondern auch die Medienvertreter, denen hier auch einmal ein spannendes Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geboten wird. (Ich bin leider wegen eines angeblichen Kupferkabeldiebstahls verhindert.)

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Bild: © Thommy Weiss / pixelio.de

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