Monatsarchive: November 2016

Frontal21: Nachklapp zum „kriminellen Netzwerk in JVA“

Zur Abwechslung mal ein Fernsehtipp:

Heute um 21 Uhr im ZDF: Frontal21

Im Nachgang zum Film „Verdacht auf kriminelles Netzwerk in JVA“ wird ein weiterer Beitrag zum Thema Schmuggel-Netzwerk in der JVA Tegel ausgestrahlt. Darin geht es um die Restriktionen für die Gefangenen, die den Schmuggel in der JVA Tegel aufgedeckt haben.

Worum es insgesamt geht, habe ich in dem Blogbeitrag „Keine Freunde in der JVA Tegel“ beschrieben. Dort finden sich auch einige Links zu weiterführenden Informationen.

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Optimistischer Dealer

Eine Grundvoraussetzung für den Erfolg eines Strafverteidigers ist der Optimismus. Wer ständig schwarz sieht, verliert in der Summe.

Aber auch Richter sollten Optimisten sein, wenn sie in ihrem Beruf klarkommen wollen. Mit einem solchen Vorsitzenden Richter habe ich es zur Zeit in einer Umfangstrafsache zu tun. Auf der anderen Seite der Theke sitzen neun Angeklagte und 18 Verteidiger.

Rundschreiben
Der Vorsitzende informiert die Verteidiger:

verstaendigung

Einmal mehr wird es also darum gehen, die Überlastung einer Strafkammer beim Landgericht Berlin wegzudealen.

Ob aber bei anderthalb Dutzend Verteidiger keiner auf die Idee kommt, prozeßfördernde Anträge zu formulieren, die vor Verlesung der Anklageschrift oder nie gestellt werden müssen? Ich habe es erlebt, daß die Anklage erst am Abend (sic!) des vierten Hauptverhandlungstermins verlesen werden konnte, weil vorher über allerlei Aussetzungs- und Ablehnungsgesuche entschieden werden mußte.

541683_web_r_by_makrodepecher_pixelio-deAuftakt
Und ob sich dann alle neun Angeklagte auf das Markttreiben einlassen werden, hängt einerseits vom Drohpotential und anderseits vom Angebot der Kammer ab. Perspektivisch sieht das eher nicht danach aus …

Bei so einem Prozeßauftakt wird es wieder sehr deutlich, was die Verständigungsregeln der StPO und die … sagen wir mal: flankierende … Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht anrichten.

Der historische Normalfall
Für die Findung der materiellen Wahrheit im Rahmen des formellen Rechts standen dem Gericht seinerzeit ausreichende Ressourcen zur Verfügung. Der Normalfall war die Beweisaufnahme, in der das Gericht die Tatvorwürfe der Anklageschrift zu bestätigen hatte, wenn sie für eine Verurteilung reichen sollen.

Hilft der Angeklagte dabei mit einem ehrlichen und von Reue getragenen Geständnis, bekam er dafür einen Rabatt: Einen Bonus von – über den dicken Daumen – etwa einem Drittel.

680144_original_r_k_by_stefan-bayer_pixelio-ausschnitt-deDer Normalfall heute
Nun sieht es genau anders herum aus. Die Strafgerichte sind hoffnungslos überlastet. Der Normalfall ist daher der Deal auf der Grundlage eines Geständnisses geworden – die verfahrensbeendende Abrede ist zur Regel geworden. Will der Angeklagte seine Rechte in einem formellen Verfahren durchsetzen und tritt er den Vorwürfen bestreitend entgegen, bekommt er einen Aufschlag: Den Malus von ebenfalls einem Drittel. Wenn es nach der Nase mancher dealsüchtiger Richter ginge, wäre der Malus sogar noch höher; dieser „Sanktionsschere“ haben jedoch die Revisionsgerichte einen Riegel vorgeschoben.

Das Problem der (ganz oder teilweise) falschen Geständnisse, um der Gefahr einer vergleichweise hohen Bestrafung entgegen zu treten, sei hier nur am Rande erwähnt.

Alles wird gut
Insgesamt stehe ich solchen Nachrichten wie der oben zitierten sehr kritisch gegenüber. Als gnadenloser Optimist hoffe ich aber trotzdem, daß am Ende des orientalische Basars doch noch alles gut wird für unseren Mandanten.

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Bild Basar: © Makrodepecher / Bild Überlastung (Ausschnitt): © Stefan Bayer / pixelio.de

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