Aktive Solidarität unter Juristen vermißt

Es ist ja nicht nur so, daß in der Türkei die Richter (im besten Fall) vor die Gerichtstür bzw. (im schlimmen Fall) hinter eine verschlossene Zellentür gesetzt werden.

Strafverfolgung von Verteidigerinnen und Verteidigern in der Türkei nimmt kein Ende
Anwältinnen und Anwälte weiter in Untersuchungshaft

So lautet die Überschrift des gemeinsamen Berichts der Vereinigung Berliner Strafverteidiger und des RAV über zwei Prozesse in Istanbul im Juni 2016. Gegenstand dieser Verfahren ist im weitesten Sinne der Umgang der türkischen Justiz mit eine vormals freien Advokatur.

Hier gibt es die Berichte und Erklärung als PDF.

Ich zitiere in diesem Zusammenhang mal den Frankfurter Richter a.D. Karsten Koch, der sich – zu Recht! – auf Facebook über seine Kollegen beschwert:

GLEICHGESCHALTETE JUSTIZ – SCHÄMT EUCH, IHR JURISTEN! Erdogan nutzt die Gelegenheit, auch die Justiz vollends auf seine Linie zu bringen. Und was ich unerträglich finde: Bislang habe ich von internationalen oder deutschen Juristenvereinigungen noch keine Äußerung dazu gehört. Ich finde das beschämend!

[…]

Ich denke dabei weniger an die Justiz, als an die Vereinigungen wie Richterbund, VERDI-Fachgruppe Richter und Staatsanwälte, NRV, MEDEL etc.

Auf meinen Einwand, Strafverteidiger reklamieren schon länger die unerträglichen Verhältnisse in der türkischen Jusitz, fordert Karsten Koch aber mehr:

Das ist ja außerordentlich löblich. Aber wo bleibt JETZT der Protest gegen die faktische Kaltstellung der gesamten Justiz?

Er hat Recht. Ich hoffe, es ist nur das Wochenende, das die Richter daran „hindert“, aktiv zu werden. Ich bleibe optimistisch, daß wir in der kommenden Woche entsprechende Reaktionen rechnen können.

Dieser Beitrag wurde unter Politisches, Rechtsanwälte, Richter veröffentlicht.

7 Antworten auf Aktive Solidarität unter Juristen vermißt

  1. 1
    AG says:

    Vermutlich wird Herr Erdogan auf eine, wie auch immer geartete Kritik mit Anzeigen wegen Beleidigung, wahlweise kombiniert mit Verunglimpfung des Türkentums und / oder Unterstützung von Putschisten reagieren. Einfacher wird es nun für alle Beteiligten eher nicht. Aber auch wenn das nicht gerne gehört wird: Der Mann ist demokratisch gewählt, auch wenn das natürlich nicht alles rechtfertigt. Hier ist insbesondere auch die Politik gefordert, die mit ihren Möglichkeiten wohl eher Chancen hat, etwas Gutes zu erreichen, sofern man das nötige Geschick entwickelt. Gerne will ich zugeben, dass man das in einem Blogkommentar leichter schreiben kann, als es in Wahrheit ist. Leider … :(((

  2. 2
    Michael Mathias says:

    „Der Mann ist demokratisch gewählt.“ Ja die Ernennung von Adolf Hitler war juristisch einwandfrei und die Rassengesetze von 1935 sind auch legal zustande gekommen. Also bitte “ Wehret den Anfängen initiis abste“

  3. 3
    Gerecht says:

    Außerdem meinte Herr Koch in seinem zweiten Kommentar nicht nur die Richter, sondern auch die Rechtsanwälte.

  4. 4

    hier in deutschland kuschen viele richter ja schon im rahmen vorauseilendem gehorsams – nicht auszudenken, was hier passieren würde, wenn bei differenzen mit der regierung beurlaubung, entlassung, oder gar die todesstrafe drohte.

    unsere richter könnten frei urteilen, und tun es teilweise trotzdem nicht .

  5. 5
    Denny Crane says:

    Wann hat sich denn der Richterbund jemals für das Recht eingesetzt, außer für die eigenen Belange? Ein Richterverband, der einen gemeinsamen Verein mit Staatsanwälten bildet und sich einen Staatsanwalt zum Vorsitzenden wählt, zeigt doch, was er von Gewaltenteilung hält…

  6. 6
    Godwin says:

    @ Michael Mathias (#2): hätte man nicht besser ausdrücken können. In der Tat ist es nicht die Frage des Anfangs, sondern der -durchgehenden- Ausführung, welche den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur darstellt

  7. 7
    Guido says:

    Von ver.di kam was:

    ver.di fordert die türkische Regierung zur Einhaltung von Demokratie und Menschenrechten auf und protestiert gegen die massenhaften Entlassungen und Inhaftierungen von Richtern und Staatsanwälten http://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++45945166-4d89-11e6-a7ad-525400b665de