Die Beziehung zwischen Strafverteidiger und Journalist ist schon im Normalfall keine einfache. Es geht aber auch kompliziert.
Gegensatz
Die jeweiligen Aufgaben der beiden Berufsträger sind einerseits gegenläufig: Der Medienvertreter will alles wissen, der Mandantenvertreter darf nichts sagen.
Ergänzung
Auf der anderen Seite ergänzen sich die Interessen wechselseitig – nämlich immer dann, wenn der Redakteur vom Verteidiger Informationen erhält und in einer Veröffentlichung verwertet, die hilfreich oder nützlich für den Mandanten ist oder zumindest sein kann.
Koketterie
Und neben alledem steht dann noch die Eitelkeit des Anwalts, der seinen Namen durchaus gern in der Presse liest.
Tücke
In dieser Gemengelage liegen für einen Strafverteidiger eine Menge Fallstricke herum. Denn nur dann, wenn der Mandant mit einem Interview einverstanden ist oder es – vielleicht sogar im Rahmen einer Litigation PR – in Auftrag gegeben hat, darf und sollte der Verteidiger den Journalisten informieren.
Wortkarg
Verweigert er vollständig eine Anwort auf die Fragen des Reporters und reklamiert seine Verschwiegenheitsverpflichtung, vergibt er im besten Fall eine Chance, seinen Mandanten auch in der Öffentlichkeit zu verteidigen; schlimmstens saugt sich der (unseriös arbeitendende) Journalist irgendwas aus den Fingern – was im Zweifel dem Mandanteninteresse zuwiderläuft.
No-Go
Deswegen scheint mir in den überwiegenden Fällen eine Auskunftsverweigerung im Stile von „Kein Kommentar“ die schlechteste aller Varianten. Irgendetwas gibt es immer, daß ein Strafverteidiger dem Journalisten sagen kann und darf. Und wenn es ein Allgemeinplatz ist.
Soweit der Normalfall. Und nun ein Fall für Erwachsene
Dem Mandanten wird vorgeworfen, für einen empfindlichen Schaden verantwortlich zu sein, der einer Zeitung entstanden sein soll. Der Journalist, der an den Verteidiger mit Fragen herantritt, ist nicht nur ein befreundeter Kollege des Mandanten, sondern er arbeitet als Redakteur bei eben dieser Zeitung, die über einen anderen Anwalt bereits Einsicht in die Ermittlungsakte hatte.
Rollenspiele
In welcher Rolle spricht der Fragesteller den Verteidiger an? Als als Redakteur, als Kollege des Mandanten oder als Vertreter der Geschädigten? Einen Richter in einer vergleichbaren Situation, der nicht von sich aus schon die Reißleine zieht, müßte ein Angeklagter aus Besorgnis der Befangenheit ablehnen.
Ist der Journalist befangen?
Soweit mir überhaupt die Beurteilung einer journalistischen Arbeit zusteht, meine ich, daß es Sebastian Erb, Redakteur der taz (gemeinsam mit Martin Kaul), ganz gut gelungen ist, in seinem Artikel über die sogenannte „Keylogger-Affäre“ am vergangenen Wochenende seine verschiedenen Rollen auseinander zu halten und seinen Job zu machen – als recherchierender Journalist, wie er mir zusicherte.
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Bild Zeitungen: © Lupo / Bild Schreibmaschine: © Karl-Heinz Laube / pixelio.de
„Karg“ wird am Ende mit „g“ geschrieben. In der Verbindung „Wortkarg“ gilt das gleiche.
Ich kann mir vorstellen, das der Mandant kein Interesse daran hat, seinen Fall noch weiter zu verbreiten. So sind jetzt nicht nur TAZ-Leser im bilde, sondern auch Anwaltsblog-Leser. Dank des eigenen Anwalts. mmmmh…
CRH verteidigt den Angeklagten H. und Eisenberg ist für die taz am Start? Das muss ich erleben. Wenn jetzt noch RiAG K. die Verhandlung führen würde, ich würde heulen vor Freude.
Spannend, auch die beiden Artikel in der taz. Interessant vor allem, wie die Perspektive der Opfer dargestellt wird, ebenso die Hilflosigkeit, mit der die Organisation mit dem Vertrauensbruch umgeht. Die Straftat selbst rückt in der Wahrnehmung der Beteiligten in den Hintergrund, es ist die Enttäuschung und das Unverständnis, das dominieren.
Eine so differenzierte Darstellung habe ich selten gelesen, spannend. Viel Erfolg bei der Verteidigung.