Beschleunigte Bearbeitung

Die Rechtsnormen, die den bedauernswerten Jurastudenten die meisten schlaflosen Nächte bereiten, sind Gegenstand einer Wirtschaftsstrafsache, in der ich seit vergangem Jahr unterwegs bin: Untreue, Unterschlagung, Betrug und Urkundenfälschung.

Anno Domini 2013
Es begann mit einer Strafanzeige, die eine zivilrechtlich ausgerichtete Kanzlei für zwei angeblich Geschädigte geschrieben hat. Das sauber geschnürte Paket mit Anlagen und allem Pipapo erreichte die Staatsanwaltschaft am 20. des Monats. Den Zivilisten ging es dabei besonders um die Sicherung des extrem flüchtigen Vermögens, also um Bankguthaben und Bargeld.

Acht Tage später, am 28. des Monats, verfügte der zuständige Staatsanwalt die Einleitung des Ermittlungsverfahrens:

Einleitungsvermerk

Weitere sieben Tage später hatte Herr KOK beim LKA die Akte dort angelegt.

Knapp einen Monat nach der Anzeige schrieb die Kanzlei noch einmal an die Staatsanwaltschaft:

Nachschlag

Zwei Monate nach der Anzeige bat der Staatsanwalt die Banken gem. § 161a StPO um allerlei Auskünfte, u.a. über die Kontenstände.

Anno Domini 2014
Es dauerte eine weitere Woche, bis das Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluß erlassen hat. Der aber der Ergänzung bedurfte. Das hat dann weitere zwei Monate später auch geklappt. Mittlerweile waren vier Monate seit der Strafanzeige ins Land gegangen.

Aber dann gings endlich los. Also um ziemlich genau zu sein, drei Monate, nachdem der Durchsuchungsbeschluß ergänzt wurde, sollte es losgehen. Der Beschluß wurde vollstreckt! An der Adresse, die der Anzeigeerstatter gut sieben Monate vorher mitgeteilt hatte. Und die der KOK beim LKA (siehe oben) bestätigen konnte. Damals jedenfalls.

Als die Durchsuchungskommision an der Adresse klingelte, öffneten verdutze Menschen, die zwei Wochen zuvor in die Wohnung eingezogen waren. Sie hatten die gut gepflegte Wohnung von einem befreundeten Paar übernommen, das insgesamt nur zwei, drei Monate dort gewohnt hatte.

Im Protokoll der traurigen Beamten war zu lesen:

Unbekannt verzogen

Nach nur zwei weiteren Monaten fand dann ein weiterer Versuch statt, den erneut geänderten Durchsuchungsbeschluß zu vollstrecken. Diesmal mit Erfolg! Man hatte die richtige Adresse. Und die Durchsuchungsbeamten konnten etwas finden, das so aussah, als könnte man es für das weitere Ermittlungsverfahren gebrauchen:

Beschlagnahmt

Die Ausbeute, neun Monate nach der Strafanzeige: Drei filmdünne Briefumschläge.

Dann war da noch ein Brief der Staatsanwaltschaft an die Kanzlei der Geschädigten:

Urlaub

Anno Domini 2015
Ich hatte bereits einmal Akteneinsicht für den Beschuldigten erhalten. Vor einem halben Jahr. Da waren die Ermittlungen noch nicht soweit fortgeschritten, daß ich eine Verteidigungsschrift hätte zur Akte reichen können.

Anno Domini 2016
Jetzt, 2 1/2 Jahre nach der Strafanzeige, habe ich noch einmal um ergänzende Akteneinsicht nachgesucht. Mal schauen, ob sich zwischenzeitlich etwas Neues ergeben hat.

Liebe Zivilrechtler.
Die Strafanzeige war handwerklich sauber, sachlich fundiert, vollständig und vor allem: vollkommen frei von irgendwelchen übertriebenen Emotionen. Einfach nur gut. Auch aus der Sicht eines Strafverteidigers.

Aber:
Die Staatsanwaltschaft ist in Wirtschaftsstrafsachen der denkbar ungeeigneteste Ansprechpartner, wenn es um die Sicherung von Vermögenswerten geht. Das zu belegen, war der Sinn dieses epischen Blogbeitrags.

Und was passiert jetzt?
Irgendwann – vielleicht noch in diesem Jahrzehnt – wird Anklage erhoben, der Beschuldigte wird dann Jahre später rechtskräftig verurteilt; es ist nicht auszuschließen, daß es sogar eine unbedingte Freiheitsstrafe wird (aber nur, wenn ich als Strafverteidiger nicht aufpasse). Was das für die Vermögenswerte Eurer Mandanten bedeutet, muß ich nicht weiter ausführen.

Laßt Euch einfach etwas anderes einfallen, wenn Ihr im Auftrag Eurer Mandanten veruntreutes oder unterschlagenes Vermögen für sie zurückholen wollt. Vielleicht solltet Ihr dazu mal einen Strafverteidiger fragen, wie deren Mandanten so einen Job erfolgreich erledigen … Strafanzeigen jedenfalls gehören nicht zu deren Repertoire.

Dieser Beitrag wurde unter Rechtsanwälte, Staatsanwaltschaft, Wirtschaftsstrafrecht veröffentlicht.

14 Antworten auf Beschleunigte Bearbeitung

  1. 1
    Die andere Seite says:

    Zitat:
    Laßt Euch einfach etwas anderes einfallen, wenn Ihr im Auftrag Eurer Mandanten veruntreutes oder unterschlagenes Vermögen für sie zurückholen wollt. Vielleicht solltet Ihr dazu mal einen Strafverteidiger fragen, wie deren Mandanten so einen Job erfolgreich erledigen … Strafanzeigen jedenfalls gehören nicht zu deren Repertoire.
    Zitatende

    Ach Sie vertreten auch INKASSO MOSKAU?
    Und Strafanzeigen gehören bestimmt zum Repertoire… Vielleicht nicht als Anzeigeerstatter…

  2. 2
    Christian Dahlmann says:

    Unbegreiflich, dass Sie als Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht behaupten, dass die Strafanzeige gegen Ihren Mandanten gut und berechtigt ist obwohl zum jetzigen Zeitpunkt nicht mal klar ist in welche Richtung die Verteidigung gehen soll. Indirekt ist das ja schon vergleichbar mit einem Geständnis. Wenn man auf Freispruch verteidigt und/oder sich die Option freihalten will ist Ihr Vorgehen völlig inakzeptabel denn die STA ließt hier sicher mit und auf Grund der von Ihnen gemachten Angaben lässt sich sicher ermitteln um welchen Beschuldigten es sich handelt. Hätte sich mein Strafverteidiger so verhalten würden ich umgehend den Auftrag zurücknehmen und die Löschung des streitgegenständigen Beitrags verlangen.

  3. 3
    Name says:

    @Christian Dahlmann:
    Unbegreiflich, wie schlecht es um ihre Lesekompetenz bestellt ist. crh hat nichts von dem, was sie im ersten Satz absondern, behauptet.

  4. 4
    Christian Dahlmann says:

    @Name: Sie sollten mal lieber Ihre Lesekompetenz überprüfen bevor Sie absurde Bewertungen über meine Person abgeben. Nachfolgend mal ein paar Auszüge aus dem Beitrag damit Sie nicht selber suchen müssen.

    1.)

    ,, Die Strafanzeige war handwerklich sauber, sachlich fundiert, vollständig und vor allem: vollkommen frei von irgendwelchen übertriebenen Emotionen. Einfach nur gut. Auch aus der Sicht eines Strafverteidigers.“

    2.)

    ,, Irgendwann – vielleicht noch in diesem Jahrzehnt – wird Anklage erhoben, der Beschuldigte wird dann Jahre später rechtskräftig verurteilt; es ist nicht auszuschließen, daß es sogar eine unbedingte Freiheitsstrafe wird (aber nur, wenn ich als Strafverteidiger nicht aufpasse). Was das für die Vermögenswerte Eurer Mandanten bedeutet, muß ich nicht weiter ausführen. “

    Ungeachtet dessen fand ich Herrn RA Hoenig bisher eigentlich ziemlich gut als Strafverteidiger aber wenn ein Strafverteidiger solche Behauptungen wie im streitgegenständigen Beitrag kundtut läuft irgendetwas total falsch.

    Ein Strafverteidiger und/oder Fachanwalt für Strafrecht hat die Aufgabe den Mandanten bestmöglich zu verteidigen. Moral oder Gerechtigkeit ist völlig kontraproduktiv in einer Verteidigung. Es ist auch völlig egal ob der Mandant schuldig ist oder nicht, das ist völlig unerheblich. Es geht alleine darum ob dir STA den Tatnachweis zweifelsfrei erbringen kann oder nicht. Wie gesagt ein Strafverteidiger hat die Aufgabe den Mandanten bestmöglich zu verteidigen und genau deshalb ist der streitgegenständige Beitrag kontraproduktiv denn es besteht die Möglichkeit, dass die Behauptungen in dem Beitrag für den Mandanten negative Folgen haben kann.

  5. 5
    ct says:

    @Christian Dahlmann
    Nirgends schreibt crh, dass die Anzeige „berechtigt“ sei, was Sie aber in Ihrem ersten Kommentar unterstellen.

    Auch ist Ihre Darstellung der Aufgaben eines Strafverteidigers kurios, denn Fragen von Moral und Gerechtigkeit werden spätestens dann äußerst relevant, wenn der Tatnachweis geführt werden kann und es also um Strafzumessung geht.

  6. 6
    RA Ullrich says:

    Das Lob für die Strafanzeige finde ich jetzt weniger problematisch, da ist in der Tat nicht die Aussage enthalten, dass der Mandant tatsächlich eine Straftat begangen hätte. Wenn ein Jurist eine Strafanzeige als gut und sachlich fundiert bezeichnet, meint er, dass darin die Verdachtsmomente, aufgrund deren der Anzeigeerstatter von einer Straftat ausgeht, gut aufbereitet wurden und einen Tatverdacht rechtfertigen, welcher die StA zur Aufnahme von Ermittlungen veranlassen muss (NICHT: eine Straftat bereits beweisen).

    Bauchschmerzen habe ich hingegen bei der inzidenten verklausulierten Aufforderung im letzten Satz, als Tatopfer sich seine Vermögenswerte doch lieber mit den Methoden Krimineller zu sichern … einen solchen Ratschlag sollte ein seriöser Anwalt meines Erachtens nicht einmal im Scherz erteilen.

  7. 7
    Der wahre T1000 says:

    „Vielleicht solltet Ihr dazu mal einen Strafverteidiger fragen, wie deren Mandanten so einen Job erfolgreich erledigen … Strafanzeigen jedenfalls gehören nicht zu deren Repertoire.“

    Könnten Sie auf persönliche Nachfrage eventuell ein paar Mandanten benennen, die sich um so einen Job kümmern würden? Ich bräuchte jemanden, der für mich deutlich 6-stellige Außenstände einholt und würde das auch angemessen honorieren.

  8. 8
    matthiasausk says:

    Was anderes einfallen lassen, muß ja nicht gleich „Moskau Inkasso“ heißen.

    Für die allermeisten Ausprägungen von „Wirtschaftsstrafsachen“ -genaueres ist ja nicht spezifiziert- fällt mir sogar eine staatliche Institution ein, die normalerweise schneller handelt als diese spezielle Staatsanwaltschaft bzw. überhaupt handelt.

  9. 9

    Das mit der sauber formulierten usf. Anzeige war wohl nicht ganz ernst gemeint…

  10. 10
    K75 S says:

    Vermutlich wäre das im Freistaat nicht so abgelaufen … also das die Durchsuchungskommission unverrichteter Dinge einfach wieder abzieht.

  11. 11
    Die andere Seite says:

    @matthiasausk
    Ach und diese staatliche Institution ist Mandant eines Strafverteidigers?

  12. 12
    Non Nomen says:

    Für Berliner Verhältnisse ist das fast schon eine blitzartige Reaktion der StA. Es sollen ja angeblich auch noch Verfahren aus der Kaiserzeit bearbeitet werden…

  13. 13
    N.N. says:

    Dem Geschädigten ist zu raten, seine angeblich auf Zivilrecht spezialisierten Anwälte auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, weil sie es offensichtlich versäumt haben, von den zivilrechtlichen Möglichkeiten zur Sicherung seiner Ansprüche (Arrest nach §§ 916 ff. ZPO) Gebrauch zu machen.

  14. 14
    Ding says:

    @N.N.

    Genau, an dinglichen Arrest habe ich hier auch gedacht.