Dem Gericht war es nicht gelungen, dem Angeschuldigen die Anklageschrift zuzustellen. Obwohl die vollständige Anschrift bekannt war. Und obwohl der Angeschuldigte auch andere Post vom Gericht erhalten hat. Es lag also ein Zustellungsproblem vor, das das Gericht zu lösen hatte.
Das Gericht (in bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft) hat sich dann gedacht:
Wenn die Anklage nicht zum Angeschuldigten kommt, dann muß der Angeschuldigte zur Anklage gebracht werden.
Oder so ähnlich.
Jedenfalls wird ein Haftbefehl erlassen und der Zustellungsempfänger darob in amtliche Obhut genommen.
In der Haftbeschwerde habe ich reklamiert, das Gericht hätte nur meinem Antrag auf Bestellung zum Pflichtverteidiger entsprechen müssen. Zustellung an mich und gut wär’s gewesen.
Das wollte „das Gericht“ aber nicht. Nachhaltig nicht. In seiner Stellungnahme rechtfertigt der Vorsitzende seine Bockigkeit mit diesen dürren Worten:
Auch ist das Gericht nicht gehalten, wenn die Voraussetzungen hierfür (noch) nicht gegeben sind, einen Wahlverteidiger nur deshalb zum Pflichtverteidiger zu bestellen, um Zustellungsvoraussetzungen nach § 145a StPO zu schaffen.
Ja, nee; is klar.
Aber jemanden aus dem prallen Geschäftsleben zu pflücken, ihn einzutüten und ihm damit seine gesamte wirtschaftliche Existenz abzuschießen, das ist die richtige Reaktion auf das eigene Unvermögen, eine Anklageschrift ordentlich an den Mann zu bringen. Solche Richter braucht das Land.
Das wirst Du mit Streuseln bestreuen. Oder so ähnlich …
__
Bild: © w.r.wagner / pixelio.de
Folgen für den Richter: keine.
Der Richter hat zwar Recht, dass ein Pflichtverteidiger nicht nur deshalb bestellt werden kann, um Zustellungen vornehmen zu können. Aber nur deshalb darf man jemanden auch nicht in Haft nehmen. Vor allem, wenn weitere Schreiben des Gerichts beim Beschuldigen angekommen sind und dieser dazu noch im „prallen Geschäftsleben“ steht.
Gerichte schicken doch auch sonst ihre Wachtmeister mit Zustellungen los. Oder man beauftragt den Gerichtsvollzieher. Weiß man denn, woran die Zustellung der Anklageschrift gescheitert ist, wenn doch sonstige Sendungen ankamen?
Das Gericht hat aber vollkommen Recht.
Und wie es kommen kann, das man selektive die unangenehmste Post vom Gericht nicht bekommt, könnte vielleicht die Wertung dieses Sachverhaltes auch beeinflussen. Ihr Mandant hat damit nichts zu tun?
Lag denn keine Postempfangsvollmacht des Wahlverteidigers vor??
@ ich: Es ist schon oft gesagt worden: Genau das, was hier passiert ist, ist das Risiko, das die „Vollmachtsverweigerer“ eingehen. Aber sie meinen es ja besser zu wissen.
Geht das auch im Zivilrecht? Wir haben bei einem Berliner Gericht eine Klage eingereicht. Die konnte das Gericht zustellen, Beklagte antwortete. Als es um die Ladung zum Termin ging, war keine Zustellung mehr möglich. Obwohl laut allen Auskünften, die einzuholen gingen, die Beklagte immer noch an der gleichen Stelle wohnt.
Oder gibt es generell Probleme mit Zustellungen in Berlin? Es soll ja immer mal Postboten geben, die die Briefe in den Fluß statt in den Briefkasten werfen.
Aber mal das Gericht die Beklagte eintüten zu lassen, wäre im Zivilrecht auch nicht schlecht.
In Berlin gibt es auf jeden Fall Probleme mit Ortsfremden Postboten und Postboten die aus Prinzip nur einen bestimmten Teil ihrer Fahrt erledigen und den Rest der Post und Paeckchen wieder mitnehmen oder im naechsten Postladen unterzubringen, meist kommt die Benachrichtigung das etwas abzuholen ist dann ein paar Tage spaeter.
Das war mal anders, aber dann gab’s ja diesen Streik und alle Beteiligten, die fuer die Beibehaltung ihres Lohnes kaempften, wurden zwangsversetzt .