Der Irrsinn mit den Häppchen

PapiermännchenSeit 2011 (oder vielleicht auch schon früher) versucht ein Staatsanwalt, Unmengen an Papier in den Griff zu bekommen. Der bedauernswerte Mann scheint seit Jahren daran zu verzweifeln, seine Ermittlungen einigermaßen sinnvoll zwischen die Aktendeckel zu bekommen.

An der mittelalterlichen Aktenführung, die mal was trennt, dann wieder verbindet, hat sich auch im Jahre des Herrn 2016 scheinbar nichts geändert.

In dem neuerlichen Durchgang des Potenzpillen-Komplexes bastelt besagter Ermittler weiter und weiter an Zweit-, Dritt-, Viert- und X-fach Akten. Diese Kopiesätze geistern durch die Weltgeschichte und werden heute hier, morgen dort (*) geführt und ergänzt.

Dieser Irrsinn äußert sich dann in so einer Bedienungsanleitung für ein Aktenpuzzle:

Aktenführung

Es ist wirklich nicht zu fassen, womit sich die Potsdamer Staatsdiener beschäftigen.

Nun ist es ja nicht so,
daß den Ermittlungsbehörden, insbesondere denen im Lande Brandenburg, keine (technischen) Möglichkeiten zur Verfügung stünden, die Akten auch in Umfangsachen übersichtlich zu führen. Das was (mir) die Anbieter auf dem letzten EDV-Gerichtstag vorgeführt hatten, hat selbst mich überrascht.

Es gibt sie, die Software für die elektronische Aktenführung in der Strafjustiz. Und es gibt Staatsanwaltschaften, die sie bereits nutzen. Dabei ist schon klar, daß es bislang noch keine gesetzlichen Grundlagen für die digitale Akte im Strafprozeß gibt. Diese werden auch noch reichlich Zeit auf sich warten lassen. Und daß noch viele Hürden überwunden werden müssen, bis sie verbindlich und einheitlich in der Praxis Einzug halten … geschenkt, das sind sie eben, die justiziellen Mühlen.

Aber daß ein Cybercrime-Verfahren wie der millionenschwere Onlinehandel mit Potenzpillen seit Jahren mit dem lyrisch anmutenden Gebastel dieses Staatsanwalts klarkommen muß, ist schlicht eine Zumutung für alle Beteiligten. Das Recht auf Akteineinsicht kann auch dadurch vereitelt werden, daß man dem Verteidiger die umfangreichen Akten chaotisch zusammengewürfelt und häppchenweise zur Verfügung stellt.

WadergrüßtdenStaatsanwalt

So vergeht Jahr um Jahr,
und es ist mir längst klar,
dass in Potsdam es bleibt,
wie es war.

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Bild oben: © bardo / pixelio.de
Bild rechts: © Robert Weißenberger / scala

Dieser Beitrag wurde unter Cybercrime, Potsdam, Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

7 Antworten auf Der Irrsinn mit den Häppchen

  1. 1
    klausi says:

    bis ca 2005/2006 kannte ich noch eine behörde die noch mit schreibmaschinen arbeiten musste. das sagt eigentlich alles.

  2. 2
    asca says:

    @klausi: Russischer Geheimdienst bestellt aus Sicherheitsgründen wieder Schreibmaschinen
    Link: http://www.heise.de/tp/artikel/39/39498/1.html

    Ist das Ganze letztlich nicht wahrscheinlich besser so für den/die Mandanten von crh?
    Es heist doch, dass desto länger ein Verfahren sich hinzieht, desto milder fallen Durchschnittlich die Strafen und Urteile aus. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Staatsanwaltschaft irgendwann selbst verzettelt und Fehler macht auch damit steigend.

    Unverständlich und traurig ist dies natürlich dennoch ;-)

  3. 3
    RA Bimmel says:

    Justiz und Technik/Service. Das ist leider abhängig vom Bundesland. Als ich kürzlich einmal am Amtsgericht Düsseldorf zu tun hatte, staunte ich nicht schlecht über diesen ultramodernen Justizpalast, vollgestopft mit Technik, einer Bibliothek,auf die manche Uni neidisch wäre und einer Webseite, die nicht alle 6 Jahre, sondern stündlich aktualisiert wird.

    In anderen Bundesländern sind die Webseiten der Gerichte und die Aktenführung auf dem technischen Stand von 1996. Selbst Faxgeräte gelten mitunter noch als Teufelswerk. Hier wird auf den Webseiten weder ein Geschäftsverteilungsplan noch ein Terminplan präsentiert, geschweige denn Telefon- und Faxnummern der Geschäftsstellen. Alles streng geheim, wird es nur auf schriftliche (= Brief mit Originalunterschrift) Anforderung durch den Direktor/Präsidenten persönlich herausgegeben, falls der Antragsteller vertrauenswürdig erscheint (Mindestzulassung am Gericht: 35 Jahre).

    • Ich kenne die genauen Hintergründe selbstredend nicht. Aber wenn mir Menschen aus der Teppich-Etage der Brandenburger Landesjustizverwaltung mitteilen, daß den Staatsanwaltschaften und Gerichten für die Aktenverwaltung grundsätzlich die aktuelle HighTech zur Verfügung steht, stelle ich mir die Frage, warum gerade die Pillendienstabteilung der StA Potsdam so ein Wirtschaftsstrafverfahren mit vorsintflutlichen Mittel abarbeitet. Die Rechte der Betroffenen (Beschuldigte und auch der Zeugen) gehen dabei nicht nur selten den Bach runter. crh
  4. 4
    Joachim Breu says:

    Kiel.
    Ich sach‘ nur: StA Kiel.
    Und kriegen kurz vor Eintritt der Vollstreckungsverjährung dann doch noch die Kurve. Glauben sie :)

  5. 5

    Es gibt aus nachvollziehbaren Gründen kein allzu starkes Interesse an einer effizienten Verfolgung von Wirtschaftskriminalität. Das führte unter anderem dazu, dass etwa die Wirtschaftsabteilung der Berliner Staatsanwaltschaft als „klinisch tot“ bezeichnet wurde, und das auch noch im Tagesspiegel. Remember.

    Also ist auch die Ausstattung mit personellen und sachlichen Ressourcen eher mager.

    Fälle wie die eines gewissen Geldinstituts, welches jetzt knapp 7 Milliarden € Verlust wegstecken muss, und zwar wegen fälliger Strafzahlungen und für sonstige Prozesse sind dann eher die Ausnahme. In diesem Kontext spielen wohl eher übergeordnete
    Wirtschafts -und strategische Interessen eine Rolle.

    Besagte Interessen haben in Brandenburg bestimmt nicht dazu geführt, dass die Justiz und die Polizei luxuriös ausgestattet worden sind.

  6. 6

    Ich möchte den Sachverhalt aus informatischer Perspektive beleuchten.
    Nach unabkömmlich-auskostender Einwirkung des beschriebenen Sachverhaltes auf meine disseminierte Substantia grisea deucht es mich zu protokollieren, dass der – offenbar hoch- oder tiefbegabte (als nicht-wertender Ausdruck der Abweichung vom durchschnittlichen Hauptstrom im Sinne des statistischen Normals, hilfsweise Madiandeviation um mindestens 2 Standardabweichungen) – passagere Robenträger beamtlichen Standes vakante Hirnkapazitäten dazu einsetzt, im Rahmen seiner dienststüblichen Möglichkeiten (die sich – zur allseitigen Entlastung – vorrangig an tradierend-retadierenden Progressmaßstäben orientieren) an einer analogen Verschlüsselungstechnik arbeitet (sicherlich im Sinne eines streng angewandten Datenschutzes auf Grundlage gelübdlicher Mindeststandards).
    Der als Beleg begefügte kopieliche Nachweis (vgl. Aufsatz oben) dokumentiert den Schlüssel, welcher dank Unkenntlichmachung einiger Passagen weiterhin seine verschlüsselnde Funktion eindrucksvoll verrichten kann.
    Soviel Engagement bei gebührlichem Risiko (persönlich-haftlicher Natur) sollte durchaus cum laude vermerkt werden. Eine bundesverdienstkreuzliche Bonifikation könnte in Aussicht gestellt werden.
    Ich verbleibe grundsätzlich dankend.

  7. 7