Der Nachtrunk und die Begleitstoffanalyse

735871_web_R_B_by_günther gumhold_pixelio.deDem Mandanten hat es doppelt geschmerzt: Er hat er sein Mopped verbogen und dann hat man ihm auch noch die Fahrerlaubnis (vorläufig) entzogen. Als Zugabe bekam er einen Strafbefehl, der eine Geldstrafe, die Entziehung der und eine Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis festsetzte.

Er hat Rechtsanwalt Tobias Glienke, Fachanwalt für Strafrecht und für Verkehrsrecht, mit seiner Beratung und Verteidigung beauftragt. Hier nun der Bericht über die erfreulichen Folgen dieses Auftrags.

Aus dem Urteil, das das Amtsgericht Tiergarten nach drei (!) Verhandlungstagen gesprochen hat.

Die Staatsanwaltschaft hatte ihm zur Last gelegt:

Er befuhr [um 05.00 Uhr], fahruntauglich infolge Alkoholgenusses bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,07 Promille zurzeit der Blutentnahme um 08.45 Uhr, mit dem Krad, amtliches Kennzeichen B-* die Straße nach F*, wo er in einer Rechtskurve alkoholbedingt von der Fahrbahn abkam und am Waldrand gegen einen Baum stieß. Seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit hätte er bei gehöriger Selbstprüfung erkennen können und müssen.

Vergehen der fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr, strafbar nach §§ 316 Abs. 1, 21, 69, 69 a StGB.

Nach entsprechender Vorbereitung ging es dann in die Verteidigung gegen diesen Vorwurf. Das Gericht stellte am Ende dann folgendes fest

Der Angeklagte selbst gab an, dass er gegen 04.00 Uhr mit seinem Krad auf dem Heimweg gewesen sei und dann plötzlich mit dem Hinterrad weggerutscht und in den Wald gerutscht sei.

Dann hätte ihn eine unbekannt gebliebene Person mitgenommen zum Bahnhof R* und dort hätte er auf dem Bahnhof zwei Flaschen Wodka zu 0,2 ml, die er in der Jackentasche mit sich führte, ausgetrunken. Als Grund hierfür gab er an, dass er nach dem Unfall sehr geschockt gewesen sei.

Der Zeuge K* fand das Krad des Angeklagten gegen 06.00 Uhr im Wald liegen und stellte fest, dass der Motor noch warm war. Er rief dann die Polizei, die ca. 15 bis 20 Minuten später kam.

Der Polizeibeamte PK W* gab an, dass er vom Zeugen K* gerufen Schmutz auf der Fahrbahn feststellte und Unfallspuren und das Krad ohne Aufbruchsspuren im Wald vorfand. Auch bei seinem Eintreffen war der Motor noch warm. Eine Halterabfrage ergab, dass die Mutter des Angeklagten angab, dass sich der Angeklagte bei Freunden in R* befinden würde. Später tauchte der Angeklagte dann bei seiner Mutter auf. Die ihm entnommene Blutprobe ergab um 08.45 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 1,07 Promille.

Das Gericht ordnete dann eine Begleitstoffanalyse an, die ergab, dass der vom Angeklagten vorgetragene Nachtrunk von 2 Flaschen Wodka zu 200 ml bei ca. 37,5 bis 40 Volumenprozent und einem angenommenen Gewicht des Angeklagten von 75 Kilo bei 21 Jahren Lebensalter erklärbar war.

Lediglich der Wert für Methanol entsprach nicht dem angegebenen Nachtrunk. Dieser wäre bei 0,17 bis 1,31 mg/kg erwartbar gewesen und hatte tatsächlich einen Wert von 2,41 mg/kg. Der Sachverständige Dr. B* vom B* Institut für Rechtsmedizin, dem sich das Gericht noch aus eigener Sachkunde anschloss gab hierzu an, dass der Methanolabbau erst unterhalb einer Ethanolblutkonzentration von etwa 0,4 mg/g einsetzt und deshalb eventuell später abgebaut wurde, da noch Vortrunk im Blut hätte gewesen sein können.

Dieser Vortrunk war jedoch mit wissenschaftlichen Mitteln nicht exakt bezifferbar. Der Sachverständige erklärte, dass diese erhöhten Methanolwerte auch ein Indiz dafür sein könnten, dass der Angeklagte sich auf einer längeren Trinktour befunden hätte bzw. Alkoholmissbrauch betrieben hätte.

Insofern konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden, dass er sich zur Tatzeit in einem alkoholischen Zustand befand. Nach dem Grundsatz in dubeo pro reo war der Angeklagte insofern freizusprechen.

Diese Art der Verteidigung setzt profunde rechtsmedizinische Kenntnisse voraus. Denn einerseits muß der Verteidiger wissen, daß in den meisten Fällen mit einer Begleitstoffanalyse recht gut die Art des Getränks nachweisen läßt. Bier, beispielsweise, hinterläßt ganz verräterische Spuren im Blut. Vodka nicht.

Bekannt sein sollte auch, welche Wechselwirkungen zwischen Alkoholmengen und Bodymaßindex bestehen, wenn Trinkmenge und die gemessene Blutalkoholkonzentration zueinander passen sollen.

In diesem Fall war daher das Ergebnis – der Freispruch – gut vorhersehbar. Nur deswegen konnte der Mandant die umfangreiche Beweisaufnahme riskieren. Das Urteil ist rechtskräftig.

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Bild: © günther gumhold / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Motorradrecht, Verkehrsstrafrecht veröffentlicht.

19 Antworten auf Der Nachtrunk und die Begleitstoffanalyse

  1. 1
    Waschi says:

    Das ist aber auch ein interessantes Beispiel für den schmalen Grat, auf dem sich Strafverteidigung bewegt. Ein Strafverteidiger darf und muss natürlich auch lügende Angeklagte verteidigen, und es ist natürlich nicht seine Aufgabe, sich vor Gericht von deren Lügen zu distanzieren. Aber wenn er seinen Mandanten aktiv dabei berät, wie dessen (erfundene) Geschichte aussehen sollte, damit sie nicht widerlegt werden kann, geht er imho. über die Grenze zulässiger Verteidigung hinaus. Er begeht eine Strafvereitelung.

    Dass man dem Verteidiger diese Straftat in der Regel nicht nachweisen kann, steht auf einem anderen Blatt.

  2. 2
    Spandauer says:

    Vodka oder doch besser Wodka:
    siehe: https://wodkablog.de/allgemein/wodka-oder-vodka/

    • Is mir egal. Ich sach nur: Caffè. :-) crh
  3. 3
    Non Nomen says:

    Gute Arbeit eines sachkundigen Verteidigers. Trotzdem sollte gelten: „Lassen Sie es nicht so weit kommen!“

    • Da stimme ich Ihnen grundsätzlich zu. Es gelingt nur manchmal nicht, sich stets an die Grundsätze zu halten. crh
  4. 4
    Maste says:

    Immer wieder erstaunlich, dass man nach einem Unfall so „erschrocken“ ist, dass nur noch Alkohol hilft. Komisch auch, dass dieses Phänomen bei zivilrechtlicher Geltendmachung von Unfallschäden nicht so häufig zu beobachten ist. Natürlich schmeckt dann auch nur Alkohol ohne nachzuweisende Begleitstoffe… Kein Wunder, wenn sich einige beteiligte Personen da ein wenig verschaukelt fühlen….

    • Es ist nicht entscheidend, was „immer“ oder „häufig“ passiert. Das Gericht muß prüfen, was im konkreten Einzelfall abgelaufen ist. Rückschlüsse dürfen nur aus dem vermeintlich Allgemeinen – das ist zu oft das „gesunde Volksempfinden“ – gezogen werden, wenn sie mit dem Konkreten verglichen werden sollen: „War es hier genau so, wie es sonst auch immer so ist?“ Mit dieser Frage, der Beweislastregel und dem Zweifelsgrundsatz kommen rechtsstaatliche Urteile zustande. Nicht mit dem Bauch. crh
  5. 5
    Maste says:

    Hmmm naja das überzeugt mich nicht wirklich. Warum ist im Übrigen der Motor um 06h noch warm, wenn der „Erschrockene“ schon um 04h gefahren sein will? Sorry, aber das ganze klingt doch sehr nach Slapstick.
    Ich teile ja Ihre Ansicht, dass dass das Urteil so i.O. und korrekt ist, aber dennoch ist die Aussage des Angeklagten mit Vorsicht zu genießen….

    • Sie sollten sich bei einer Strafverfolgungsbehörde bewerben. Die suchen kompetente Juristen mit hellseherischen Fähigkeiten, die auch ohne Detail- und Aktenkenntnis kompetente Entscheidungen treffen können. Wie sieht es eigentlich mit Ihrer Physiknote aus? crh
  6. 6
    Maste says:

    Die Bewerbung geht Montag raus :-) :-)

    • Sie sind sich aber auch zu nichts zu schade. ;-) crh
  7. 7
    Roland B. says:

    Man braucht keine hellseherischen Fähigkeiten und auch keine Aktenkenntnisse, um sich zu wundern, wie lange so ein Moppedmotor da warmgeblieben sein soll. War das in einer bewölkten tropischheißen Sommernacht oder lag das Mopped unter einer dicken Schicht isolierenden Tannengrüns?

    • Machen Sie mal einen „Selbstversuch“ und prüfen mal – sagen wir – 3 Stunden, nachdem Sie einen Verbrennungsmotor abgestellt haben, ob er noch warm ist. crh

    Ein pingeliger Anwalt würde vielleicht noch argumentieren, daß man die Restwärme sowieso nicht betrachten dürfe, weil sie nicht normgerecht vom einem Sachverständigen gemessen wurde.

    • Im vorliegenden Fall kam es nicht auf die Restwärme des Motors an. crh
  8. 8

    Nach freundlicher Durchsicht dieser Berichterstattung in Zusammenschau mit der Berichterstattung vom 07.03.2016 (https://www.kanzlei-hoenig.de/2016/verurteilung-eines-richters-wegen-rechtsbeugung/) verwirren mich im Bemühen sachlicher und möglichst vorurteilsfreier Bewertung (unter Einschluss eines gebührlichen Objektivitätsverlangens) die Anwendungen moralischer Maßstäbe seitens des berichtenden Autors.
    Analytisch-mathematisch betrachtet erinnert mich die Entität „Moral“ in dieser Konstellation an ein Element der Menge unendlicher Zahlen. Sofern additiv moralphilosophische Erwägungen hier zum scheitern verurteilt sind, führen ggf. theaterwissenschaftlich-theoretische Aspekte in diesem Punkt weiter.
    Zumindest wird das Faktische überdauern.

  9. 9
    Der wahre T1000 says:

    Toll! Ein Trinker darf weiter fahren. Warum sonst sollte er sich vom Moped entfernen, statt Hilfe zu rufen und es zu bergen. Und dann noch einen „Nachtrunk“ nehmen.

    Sie haben Ihre Arbeit für den Mandanten gut gemacht. Für die Allgemeinheit wohl eher nicht.

    Kann man nur hoffen, dass das Geld für ein neues Krad fehlt.

    • Mit dieser Kategorie von Kommentarinhalten habe ich eigentlich viel früher gerechnet. Bisschen spät dran heute, oder? crh
  10. 10
    Non Nomen says:

    Etwas off topic, aber doch nicht so ganz:

    • Ok, das überzeugt. crh
  11. 11
    Duncan says:

    wie sagte schon mein Fahrlehre: Immer eine Flasche Hochprozentiges im Auto haben. Am besten Korn oder Wodka. Hat man sich verletzt ist’s gut zum desinfizieren, im Notfall wird das Feuer machen erleichtert und bei einem Unfall kann man dem Gegenüber einen guten Schluck auf den Schock anbieten, immer um das Wohl bedacht…

  12. 12
    whocares says:

    @t1000: Stell Dir mal vor, der Mandant hätte schlauerweise nicht die Fahrereigenschaft zugegeben (offenbar gab’s ja keine Zeugen, und im Übrigen liest sich das wie Alleinunfall). Dann wäre der sogar glatt ohne Anwalt rausgekommen…

  13. 13
    jj preston says:

    Der Fehler liegt bei der Staatsanwaltschaft. Hätte sie unerlaubtes Entfernen vom Unfallort angeklagt (Stichwort: Flurschaden) …

  14. 14
    Bernd B. says:

    Wer wirklich zwei Fläschchen Wodka „nachgetrunken“ hat, sagt das eben wahrheitsgemäß und muss dann auch nicht befürchten, dass bei der Begleitstoffanalyse etwas anderes herauskommt. Des versierten Anwalts bedarf es hier doch nur deshalb, weil der einem bei bloß vorgeblichem Nachtrunk soufflieren muss, was man als Nachtrunk behaupten kann, ohne dass einem bei der Begleitstoffanalyse o.Ä. sofort das Gegenteil nachgewiesen werden kann. Und davon kann jetzt jeder halten, was er will.

  15. 15
    Kerstin says:

    Es ist richtig, dass der Angeklagte mit dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freizusprechen war, da ihm nicht nachgewiesen werden konnte, dass er zum Tatzeitpunkt getrunken hattte.

    Was mich aber irritiert: Der Angeklagte hat zugegeben, dass er nach einer Stresssituation um 4 Uhr bis 8.45 Uhr 400 Milliliter Wodka zu sich genommen hat. 400 Milliliter entsprechen 20 Schnapsgläsern zu 20 cl. Diese 400 ml hat er anscheinend am Bahnhof mehr oder weniger auf ex getrunken.
    Wenn jemand nach einer Stresssituation erstmal 20 Klare zur Beruhigung benötigt, stellt sich für mich die Frage, ob diese Person wirklich unbedingt ein KFZ führen sollte.

  16. 16
    Jonas says:

    @Kerstin Nein, 400 ml sind 40 cl, also genau 2 Klare.

    Zum Thema: traurig… aber wenn man ihm das nicht nachweisen konnte ist es halt Pech. Vielleicht hätte er wegen unerlaubtem Entfernen, wie oben angedeutet, angeklagt werden sollen. Da solche Menschen meist lernresistent sind wird es aber wohl nicht lange dauern, bis es ihm mal wieder erwischt, dann hoffentlich richtig. Bleibt nur zu hoffen, dass er bis dahin nicht Gesundheit oder Leben von Unbeteiligten auf dem Gewissen hat…

    Ich muss schon sagen, Strafverteidiger wäre sowas von nichts für mich, Respekt vor Herrn Hoenig und Kollegen, dass sie es schaffen auch solchen Leuten ein rechtskonformes Verfahren zu gewährleisten und dann noch ruhig schlafen können.

  17. 17
    Drucker says:

    @Jonas: Kerstin hat schon richtig gerechnet (außer dass ein Schnapsgläschen keine 20 cl, sondern 2 cl fasst, wenigstens in Westeuropa). 400 ml sind ein knapper halber Liter – wer das auf Ex trinkt und dann noch ansprechbar ist, hat ganz andere Probleme als ein kaputtes Moped.

    Ansonsten habe ich auch ein zwiespältiges Gefühl bei der Sache. Natürlich hat der Verteidiger dafür zu sorgen, dass sein Mandant nur für etwas verurteilt wird, was ihm auch nachgewiesen werden kann. Trotzdem muss man es dann wohl auch mit sich selbst ausmachen, ob man es aushält, dass beim nächsten derartigen Vorfall möglicherweise kein Baum, sondern ein Mensch im Weg steht.

    Dem Anwalt kann man keinen Vorwurf dafür machen, dass er seinen Job erledigt hat. In einem derartigen Fall sollte sich vielleicht eher der Staatsanwalt an die Nase fassen: Entweder hat er die Sache argumentativ nicht wasserdicht gemacht, oder er hat einen Fall mit ganz schön löchrigem Fundament zur Anklage gebracht (gibt’s noch eine dritte Möglichkeit?). In beiden Fällen ist die Außenwirkung unschön – da kann sich schon der eine oder andere (unabhängig von der Schuld oder Nichtschuld des jeweils Angeklagten) denken: „Saufen und Fahren ist o.k., solange man einen pfiffigen Anwalt hat.“

  18. 18
    Engywuck says:

    Das Gericht widerspricht sich (sofern korrekt zitiert, was ich einfach mal annehme) selber:

    “ zwei Flaschen Wodka zu 0,2 ml,“ vs. „2 Flaschen Wodka zu 200 ml „.
    400ml Wodka zu 40% würde grob 2 Promille ergeben, bei Abbau von (Daumenregel) 0,1 Promille pro Stunde kommt man damit nicht auf 1,09 Promille bei der Messung wenige Stunden später. Außer natürlich er hat die Flaschen mit dem Penner am Bahnhof geteilt.
    Aber natürlich: ich bin kein Mediziner…

  19. 19
    Andy says:

    Bei der K8nstellation ist doch aber die MPU oder zumindest ein ärztliches Gutachten fest gebicht oder nicht?

    • Die alte Regel besagte, ab 1,6 Promille, eine neue ab 1,1 Promille (vgl. VGH Baden-Württemberg, 15.01.2014 – 10 S 1748/13 iVm. § 316 StGB) ist die MPU zwingend. Die hier festgestellte BAK liegt knapp darunter. Allein daher ist die MPU nicht „fest gebucht“. crh

    Ist es nicht ein fader Sieg, wenn der Lappen dann halt auf der Schiene Verwaltungsrecht trotzdem erstmal eingesammelt wird?

    • Die oben zitierten Grenzwerte regeln die Anordnung der MPU, wenn jemand als Verkehrsteilnehmer während der Fahrt im Suff erwischt wurde. Hier steht das gerade nicht fest.
       
      Aber Sie haben Recht: Das sich an das Strafverfahren (möglicherweise) anschließende Verwaltungsverfahren, in dem es um die Fahrerlaubnis geht, darf die Verteidigung nicht aus dem Blick verlieren. Darauf muß ein sorgfältiger Berater seinen Mandanten frühzeitig hinweisen und ihn dabei unterstützen, die Folgen abzumildern. Das geht aber oft schon einher mit der Beratung über die Voraussetzungen für eine Sperrzeitverkürzung. crh