Zum Thema „Deutliche Worte im Urteil“ gab es in der vergangenen Woche bereits einen Blogbeitrag. Das erinnerte mich an ein älteres Verfahren, in dem ich eine Doppelrolle gespielt habe:
Erst als Strafverteidiger, dann als Angeklagter.
Mein Mandant war (ist) Rechtsanwalt H., der sich bei den Gegnern oft sehr unbeliebt gemacht hatte. Diese reagierten in einigen Fällen mit Strafanzeigen gegen den engagierten Zivilrechtler.
Zuständig für Strafsachen gegen Rechtsanwälte ist eine Spezialabteilung der Generalstaatsanwalt (GenStA). Und dort saß – am Ende seine Laufbahn (abgeschoben?) – Oberstaatsanwalt (OStA) H. Der mochte meinen Mandanten nicht.
Intensivverfolger
OStA H. hat Rechtsanwalt H. in mehreren Verfahren intensivst strafverfolgt, hatte aber in keinem „Erfolg“. Nicht, weil der Kollege durch mich verteidigt wurde. Sondern weil mein Mandant keine Straftaten begangen hatte. Er hatte „nur“ offensiv die Rechtsverletzungen der Gegner reklamiert.
Den Charakter dieses Intensiv-OStA H. beschrieb ein Kollege später so:
Dann sah OStA H. eines Tage endlich seine Chance gekommen, meinen Kollegen und Mandanten kurz vor seiner Pensionierung doch noch zur Strecke bringen zu können.
Die Strafanzeige des Verwaltungsrichters
Rechtsanwalt H. wurde von einem Richter angezeigt. Vor dem Verwaltungsgericht sollte er in eigener Sache einen Prozeßbetrug begangen haben. Und wenn ein Verwaltungsrichter eine Strafanzeige schreibt, dann muß da ja auch was dran sein. Dachte sich wohl dieser „erfahrene“ OStA H.
Anklage
In diesem – vom aufbrausenden Charakter des OStA geprägten – Ermittlungsverfahren ging es recht heftig zur Sache. Auf üble Drohungen („Dann lasse ich Sie verhaften!„) folgten Dienstaufsichtsbeschwerden der Verteidigung. Die wiederum führten zur Anklageerhebung. Meinem Mandant, Rechtsanwalt H., wurde versuchter Prozeßbetrug vorgeworfen.
Freispruch
Vor dem Amtsgericht wurde Rechtsanwalt H. freigesprochen – auch der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft hatte einen Freispruch beantragt.
Nebenbei:
In diesem amtsgerichtlichen Verfahren hatte der Verwaltungsrichter objektiv falsch ausgesagt. Das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde später eingestellt, weil ihm subjektiv ein Vorsatz nicht nachgewiesen werden konnte.
Berufung des OStA
OStA H. – durch den Verwaltungsrichter über den Freispruch informiert – legte ein paar Minuten (sic!) nach Urteilsverkündung Berufung gegen den Freispruch ein.
Hinweisresistente Staatsanwaltschaft
Der Vorsitzende Richter des Berufungsgericht empfahl dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gleich zu Beginn der Verhandlung die Rücknahme der Berufung, weil sie keinen Aussicht auf Erfolg habe. Die Reaktion des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft auf diesen richterlichen Hinweis beschrieb ein Zeuge so:
Zweiter Durchgang: Strafbefehl gegen Strafverteidiger
Das war die Situation, in der ich – laut Strafbefehl – gesagt haben soll:
Die Staatsanwaltschaft – also in persona des OStA H – stellte sich nicht nur vor, daß das 30 Tagessätze Geldstrafe Wert sei. Sondern darüberhinaus hat man sich das hier noch für mich ausgedacht:
Ich weiß nicht, in welchem Wolkenkuckucksheim OStA H. seinerzeit zu nächtigen pflegte. Aber daß ich diesen Strafbefehl einfach so hinnehmen werde, wird er hoffentlich nicht selbst geglaubt haben. Obwohl: Die Veröffentlichung meiner „Verurteilung“ durch OStA H. (sic!) hätte aber zumindest in Verteidigerkreisen für gute Unterhaltung gesorgt (allein deswegen habe ich einen kurzen Moment gezögert).
Verteidigung des Verteidigers durch Verteidigerin
Das war dann der Moment wo ich meine Kollegin Kerstin Rueber aus Koblenz mit meiner Verteidigung beauftragt habe. Rechtsanwältin Rueber hat dann den Kampf um’s Recht aufgenommen und am Ende dann meinen – wohlverdienten – Freispruch (Ag Tiergarten 239 Cs 360/07) erstritten:
Die Entscheidung des Amtsgericht Tiergarten kann man in einem Satz zusammen fassen (tl;dr):
Rechtsanwalt Hoenig hat OStA H. beleidigt. Aber er durfte das!
Der Richter hat – wie in dem eingangs zitierten Urteil in Bezug auf die lügenden Polizeibeamten – mit deutlichen Worten dem OStA in’s Gebetbuch geschrieben, daß seine Ermittlungsmethoden nichts mit sauberem Handwerk eines rechtschaffenen Staatsanwalts zu tun haben.
OStA H. wurde – zu Recht – pensioniert. Und dem Verwaltungsrichter bin ich seitdem nicht wieder begegnet. Besser ist das.
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Bild: © Rainer Sturm / pixelio.de
Sehr geehrter Kollege, wie stets unterhaltsam und gelassen geschrieben. Ich nehme an, dass das mit der Gelassenheit in der damaligen Situation nicht ganz so einfach war.
Deutlich anstrengender war die Verteidigung des Kollegen, bei dem es um den heftigen Vorwurf eines Prozeßbetruges ging. Zumal hatte (das hat sich geändert) er seinerzeit nicht die Nerven eines Strafverteidigers, dem die internen Strukturen eines Strafverfahrens geläufig sind. crh
Griff in Protemonnaie? Ich hätte jetzt gedacht, Anwälte rechnen untereinander nur nach RVG ab :-).
Das überrascht mich bei Ihnen jetzt etwas:
Wir reden jetzt schon von der Verteidigerin, die in ihrem Blog Angriffe gegen vermeintliche Pädophile entschuldigt (http://strafverfahren.blogspot.de/2015/12/robin-hood-und-die-vier-manner-am-see.html) und es offenbar gut findet, wenn man das Verhalten von geständigen Angeklagten in einem Neonaziprozess als „Femetat“ bezeichnet und diesen Angeklagten vorwirft, sie würden „Zusammenhalt und Ehre“ meiden (http://strafverfahren.blogspot.de/search?updated-max=2013-09-12T11:09:00%2B02:00&max-results=7&start=35&by-date=false)?
@ Waschi:
Im ersten Fall kann ich nicht erkennen, wo Frau Rueber diese Angriffe bzw. das ganze Verhalten entschuldigt.
Im zweiten Fall bezieht sich der Verfasser offensichtich auf die Aussagen des anderen ANgeklagten.
@WPR_bei_WBS:
zum ersten Fall:
„Gleichwohl muss man bei der Sanktionierung der Täter auch die Schutzbedürftigkeit der Opfer im Blick haben und diese Opfer waren, so auch die Strafkammer in der Urteilsbegründung, so wenig schützenswert wie selten ein Opfer.“
Heißt für mich: Eigentlich haben die das verdient.
zum zweiten Fall:
Wo die Formulierungen ursprünglich herkommen, weiß ich natürlich nicht. Aber so wie sie in diesem Gedicht verwendet werden, macht der Anwalt sie sich zu eigen. Das kann man ok finden oder auch nicht – ich finde es nicht ok.
Der Oberstaatsanwalt hieß Hase: OStA Hase!