Die Pauschalen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes

Die GmbH ist in Schieflage geraten. Es wurde ein Insolvenzantrag gestellt. Der Insolvenzverwalter vertrat die Ansicht: Viel zu spät!

Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren wegen „Insolvenzverschleppung pp.“ eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft beauftragte den Wirtschaftsreferenten bei der Ermittlungsbehörde mit einem Gutachten.

Es sollte festgestellt werden,

ob und ggf. wann Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung eingetreten ist und, wenn ja, ob bzw. ab wann diese für den Beschuldigten erkennbar war.

Außerdem sollte untersucht werden,

ob die Handelsbücher der GmbH bei Überschuldung oder drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit so geführt wurden, dass die Übersicht über den Vermögenstand der GmbH erschwert wurde.

Der Geschäftsführer beauftragt einen Strafverteidiger, der ihn durch das Strafverfahren begleiten und das Schlimmste verhindern soll.

Es stellt sich die Frage nach der Höhe der Vergütung des Verteidigers.

 

Es wird ein Verfahren werden, das vor dem Amtsgericht geführt werden wird. Die Vergütung nach dem RVG sieht dann so aus (Quelle: Rechtsanwaltsgebuehren.de)

RVG-Gebühren

Netto, also ohne die Umsatzsteuer, sieht das RVG also durchschnittlich rund 800 Euro für den Verteidiger vor. Beim Ansetzen der Maximalgebühr wären das 1.413 Euro. Reicht das?

An dieser Stelle fällt der Blick auf den letzten Satz des Gutachtens des Wirtschaftsreferenten:

Auswertungszeit

Diese Arbeitszeit steht dem Verteidiger ebenfalls bevor, wenn er sich mit dem Papier auseinanderzusetzen hat. Aber das, was der Staatsanwaltschaft vorliegt, ist ja nicht das einzige, was die Verteidigung zu sichten und zu bearbeiten hat. Es sind die Unterlagen der Mandantschaft, die Besprechungen mit Zeugen, Steuerberatern und anderen Informationsquellen; mit Staatsanwälten, Referenten und Richtern. Es müssen Beweisanträge vorbereitet werden, Erklärungen und vielleicht auch noch das Plädoyer.

Was schlägt die Leser-Gemeinde dem Verteidiger und seinem Mandanten vor?

Dieser Beitrag wurde unter Steuerstrafrecht, Strafverteidiger, Wirtschaftsstrafrecht veröffentlicht.

22 Antworten auf Die Pauschalen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes

  1. 1
    Spandauer says:

    Ganz einfach: 79,5 Stunden mal Mindestlohn (8,5) sind 675,75 Euro.
    Also reichen die rund 800 Euro für den Anwalt.

  2. 2
    Rudi Ungemach says:

    für das Papier selbst sollten Sie keine 79,5 Std brauchen, da das Gutachten eine Zusammenfassung dessen ist, was der WiRe aus den Buchungs- bzw. Geschäftsunterlagen herausgearbeitet hat. Die Arbeit wird sich darauf bechränken festzstellen, ob der Gutachter Fach und sachgerecht die Daten zusammengetragen hat und zu den richtigen Schlussfolgerungen gekommen ist, ggf. eine stichpunktartige Kontrolle, ob Daten richtig übernommen wurden. Für den WiRe werden etwa 40-60 / h Euro verlangt, die bei einer Verurteilung noch auf den Mandanten zukommen.

    Zu Ihrer Vergütung: Stundensatz vereinbaren.

  3. 3
    RA Frese says:

    Natürlich derzeit keinen Verteidiger beauftragen. Die StA ist die objektivste Behörde der Welt und wird schon von selbst erkennen, dass sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt.

    Der Beschuldigte spart sich ein paar tausend Euro und der Verteidiger kann die gewonnene Zeit ohne Einscannen von Aktenordnern besser mit einem Caffeeé Latte verbringen.

    Achtung: Der Beitrag kann ungekennzeichnete Ironie und nicht ernstgemeinte Vorschläge enthalten (z.B. Latte geht gar nicht).

  4. 4
    Non Nomen says:

    Vorgang auf Chancen einer (ggfs. beauflagten) Einstellung prüfen oder die Sache nach bester Berliner Art totzögern und -zaudern. Je nachdem wie weit der Mandant noch mitgehen mag. Ansonsten, bereits gesagt, Stundensatz.

  5. 5
    Karlo Kolumno says:

    Bei manchen Angelegenheiten wird es sicherlich auch mal sehr hohe Gebühren nach dem RVG geben.

    Von daher, bitte nach RVG abrechnen.

    Cherry picking nach dem Motto, bei unzulänglichen Gebühren rechne ich mit Stundensatz ab, bei guten Gebühren nach dem RVG, halte ich für fragwürdig.

  6. 6
    RA Anders says:

    @Karlo Kolumno
    Das ist kein Cherry Picking, wenn man sich Gedanken über den Wert seiner Arbeit macht.
    Wären Sie bereit, bei entsprechender Ausbildung, im Bereich des Mindestlohns oder darunter zu verdienen?
    Von meiner Arbeit müssen auch noch andere leben können (Familie und Mitarbeiter).

  7. 7
    RA Hermann says:

    Mehr als die RVG-Mittelgebühren sind hier nicht gerechtfertigt. Das habe ich in vielen erfolglosen Beschwerdeverfahren gelernt. Stichwort: MIschkalkulation. Dafür erhält der Verteidiger die 600 bis 800,- Euro ja auch in einfachen Verkehrssachen mit schwanenflaumleichten 18-blättrigen Akten, in denen er einen ohnehin beabsichtigten Strafbefehl „erwirkt“.

    (*Ironiemodus aus*)

    Wenn man sich an der üblichen Sachverständigenvergütung von rund 80,00 Euro die Stunde orientieren würde (mein freundlicher Opel-Händler nimmt für die Meisterstunde einen ähnlichen Satz) müßte man mit dem Mandanten eine entsprechende Honorarvereinbarung treffen. Aber woher soll ein armer, insolventer Tropf so viel Geld nehmen?

  8. 8
    Michael Wagner says:

    „Werkvertrag“ aufsetzen:
    Leistungsziel & Bearbeitungsumfang definieren, Zahlungsmodalitäten & Höhe des Lohnes aushandeln.

    Alternativ:
    Mandat nicht annehmen/ niederlegen

    FAZIT: Wer eine Standard-Verteidigung wünscht, ist mit Standard-Gebühren dabei; wer eine exzellente Verteidigung beauftragen will, muss auch bereit sein, den Juristen dafür zu entlohnen..

  9. 9
    Insolvenzgeschädigter says:

    Der Mandant sollte sich vor allem statt des 08/15-Strafverteidigers einen versierten Fachanwalt für Insolvenzrecht besorgen, der sich mit sowas auskennt (und Mitarbeiter hat, die sich mit sowas auskennen!) und ihm primär die buchstäblich ruinösen Schadensersatzansprüche wegen Insolvenzverschleppung vom Leibe hält. Die vergleichsweise ohnehin nicht ins Gewicht fallenden strafrechtlichen Rechtsfolgen ergeben sich danach ganz von selbst.

    • Bitte berücksichtigen Sie bei Ihren Überlegungen § 6 II Ziff. 3 GmbHG: Der Wegfall der Eignungsvoraussetzungen führt faktisch zu einem Berufsverbot. Der Vorschlag, sich insolvenzrechtlicher Kompetenz zu bedienen, ist hingegen zutreffend. Beides zusammen – also Straf(prozeß)R und InsoR – kann es jedoch auch nur gegen entsprechende Gegenleistung geben. crh
  10. 10
    BV says:

    In einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung wäre das der Moment, in dem man über einen (wirtschaftlich sinnvollen) Vergleich nachdenkt.

    Vielleicht vor der ganzen Arbeit mal ganz „wissend tuend“ beim Staatsanwalt anrufen, ob die Sache nicht ohnehin nach § 153 StPO oder zumindest § 153 a StPO eingestellt werden kann/soll…

  11. 11
    BrainBug2 says:

    @BV: ein wirtschaftlich sinnvoller Vergleich wäre allein der Abschluss einer Stundenhonorarvereinbarung – bevor mit irgendeiner anwaltlichen Tätigkeit begonnen wird.

    Von Fake-Anrufen („wissend tuend“) halte ich nichts.

  12. 12
    WPR_bei_WBS says:

    @ RA Anders:

    Wenn man es mal so und mal so macht, dann IST es Cherry Picking. Entweder man rechnent immer nach RVG ab (und hat mal einen „guten“, mal einen „schlechten“, im Durchschnitt ist es aber ausgeglichen), oder man rechnet immer nach Stundensatz ab (dann ist der Durchschnitt ebenso OK, man hat nur geringere Streuung). Wenn man aber bei den „guten“ Fällen (wenig Arbeit für hohe Gebühr) das RVG nimmt, für den Rest Stundensatz, dann handelt es sich nun mal um Cherry Picking. Das kann man immer noch für richtig/legitim halten, aber Cherry Picking ist es nun mal

  13. 13
    meine5cent says:

    In Ihrer Rechnung gehen Sie ja trotz des geschilderten anstehenden Umfangs Ihrer Tätigkeit und dementsprechend einer etwaigen Beweisaufnahme dennoch von nur einem Hauptverhandlungstermin aus ?

    Das Gutachten zu schreiben dürfte länger gedauert haben, als es zu lesen. Von daher reduziert sich ggf. der Zeitaufwand etwas, abgesehen davon, dass die Gleichsetzung Zeitaufwand der Ermittlungen = Zeitaufwand des Verteidigers eher unrichtig ist.
    Der Verteidiger in einer Mordsache muss ja auch nicht ein paar Stunden obdzuieren und danach im Labor stehen, um die DNA-Analyse oder die Toxikologische Untersuchung nachzuvollziehen oder ein paar Stunden lang die Wohn- und Geschäftsräume durchsuchen, um nachzuvollziehen, ob man die richtigen Sachen an den richtigen Orten gefunden hat..

    Und ich vermute mal, dass die allerwenigsten Verteidiger es für notwendig erachten (auch wenn sie entsprechende Anträge stellen sollten…..), neben der Aktenlektüre auch z-B. 500 Stunden sämtliche TKÜ-Dateien anzuhören, um sachgerecht verteidigen zu können.

    Wenn die GmbH insolvent ist und mangels Masse nicht eröffnet wurde oder bei ausreichender Masse eröffnet worden sein sollte, dann ist der GF sowieso keiner mehr, und es steht ihm frei, Einzelunternehmer zu werden oder für einen kleinen Batzen Geld eine Limited zu gründen, ein „faktisches Berufsverbot“ ist die Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung eher nicht, es sei denn, die GmbH hätte das Insolvenzverfahren überlebt.

  14. 14
    stud. iur. says:

    Nach Stunden abrechnen und Ratenzahlung vereinbaren. Als Neugläubiger nehmen sie nicht am Insolvenzverfahren teil.

  15. 15
    Meister says:

    + je nachdem was der Mandant zukünftig macht Leistungen in Anspruch nehmen z.B. IT-Service etc.

  16. 16
    GA says:

    Interessant finde ich, dass der Gutachter seinen Zeitaufwand so präzise schätzen kann. Für den GF geht es ja immerhin um etwas mehr, als den ggf. zu ermittelnden merkantilen Schaden …

  17. 17
    Heiner says:

    Eine weitere Möglichkeit: Bestellung zum Pflichtverteidiger beantragen. Bringt natürlich auf den ersten Blick deutlich niedrigere Gebühren mit sich. Am Ende dann einen Pauschantrag stellen und (wohl vergebens) darauf hoffen, dass sich das OLG großzügig erweist. Ansonsten Stundensatz und 20.000,- Euro Vorschuss.

    @ stud. jur.: Ratenzahlung ist übrigens die denkbar schlechteste Variante ;-)

  18. 18

    Die geringe Höhe der gesetzlichen
    Verteidiger – Gebühren ist ein Skandal. Sie decken, wenn überhaupt , gerade einmal die Kosten. Man kann davon nicht leben.

    Was also bleibt, ist, das 5-10 -fache der gesetzlichen Gebühren zu berechnen, und den größten Teil davon als Vorschuss zu verlangen, und den Mandanten nach Hause zu schicken, wenn er das nicht mitmachen will.

    Wie wäre es mit einer Petition, die den Vorschlag beinhaltet, die gesetzlichen Verteidiger – Gebühren auf das Maß zu erhöhen, welches ausreicht, um die Bürokosten etc. zu decken?

  19. 19
    Damit ist alles gesagt says:

    Man sollte nicht pleite sein, wenn man einen Insolvenzantrag stellt. Ist ernst gemeint.

  20. 20
    BrainBug2 says:

    @stud.jur.: falsch (Anfängerfehler;-)) – die GmbH ist insolvent, der GF erst in ein paar Jahren… also nix mit Neugläubiger!

  21. 21
    Martin says:

    Erledigung nach § 153 a StPO, schnell, geräuschlos und vor dem Hintergrund eines drohenden lange andauernden Strafverfahrens die für den Mandanten (prozess-)ökonomischste Erledigungsart.

    • Ganz hervorragende Idee. Ich gebe Ihnen dann mal die Telefonnummer des Oberstaatsanwalts, dann können Sie sich anhören, was er davon hält. (Machen Sie vorher aber einen Termin bei Ihrem Ohrenarzt; für das neue Trommelfell, was Sie nach dem Telefonat brauchen werden.) crh
  22. 22
    alfred says:

    Der Insovlenzverwalter wird da besser bezahlt. Und das RVG sieht zB in Rentenangelegenheiten seit gar nicht allzu langer Zeit höhere Honorare vor, da bekommt man schon locker auch mal 200 EUR für eine fiktve(!) Terminsgebühr, bei der man das Anerkenntnis nur noch hätte annehmen müssen…

    Evtl Geschäftsfeld wechseln kommt wohl nicht infrage?