Eilt – Haft!!

520258_web_r_b_by_richard-von-lenzano_pixelio-deWenn jemand länger als sechs Monate in Untersuchungshaft sitzen soll, müssen „die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen“ gegeben sein oder „ein anderer wichtiger Grund“ dafür vorliegen, daß das Urteil noch nicht erlassen werden konnte und dadurch die Fortdauer der Haft gerechtfertigt ist. Das regelt der § 121 StPO und hört sich kompliziert an. Deswegen muß sich das Kammergericht (also das Berliner Oberlandesgericht) die Sache anschauen und gegebenenfalls die Haftfortdauer anordnen.

Die Richter am Kammergericht möchten dazu aber auch in die Akten schauen. Dabei hilft ihnen der § 122 StPO, der bestimmt, daß das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorlegt.

In der Praxis heißt das, die Akten müssen vom Landgericht erst zur Staatsanwaltschaft und von dort aus zum Kammergericht.

Vernünftige Menschen …
… deponieren die digitalisierten Akten auf einem Server und schicken den zuständigen Stellen eine elektronische Nachricht. Am Ende der Kette lädt sich der Richter am Kammergericht die Dokumente auf seinen Rechner, prüft und stellt das Vorliegen der Voraussetzungen fest. Dann folgt eine kleine Nachricht, wo sich das Landgericht den Haftfortdauerbeschluß downloaden und anschauen kann. Irgendwann innerhalb der Kette bekommt die Verteidigung noch eine digitale Gelegenheit zur Stellungnahme. Wie gesagt: So machen das vernünftige Menschen.

Im Kriminalgericht …
… wird ein Stück Altpapier bedruckt und die 12 Bände Akten über die Staatsanwaltschaft zum Kammergericht gekarrt (sic!). Und damit dabei nicht so viel Zeit ins Land geht, gibt es den Eilt-Vermerk auf den Laufzettel. Und einen zusätzlichen handschriftlichen Hinweis mit Buntstift:

eilt-haft

Diesen Aktenwagen schiebt dann ein qualifizierter Justizwachtmeister über die Datenautobahnen (ältere Organe der Rechtspflege sagen: durch die Gänge und Katakomben) des Kriminalgerichts. Das ganze kann dann schonmal ne Woche dauern. Oder länger, wenn der Verteidiger zwischendrin noch Akteneinsicht beantragt.

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Bild vom Eselskarren: © Richard von Lenzano / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Gericht, Justiz, Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

4 Antworten auf Eilt – Haft!!

  1. 1
    OG says:

    Hm, wenn vernünftige Menschen das Vorliegen der Haftvoraussetzungen feststellen, wie nennt man dann Menschen, die sie verneinen und die Freilassung anordnen? Fabelwesen?

  2. 2
    Alles völlig Wurscht says:

    Der sitzt seit 6 Monaten, da kommt es auf ein paar Tage (oder Wochen) auch nicht an. Außerdem wenn einer 6 Monate in U-Haft sitzt, wird ja wohl auch was dran sein.

    Wer Ironie findet…

  3. 3
    schneidermeister says:

    Na ja, wenn die vernünftigen Menschen so technikaffin wären (es soll ja auch noch Anwälte geben, die sich digitalisiere Akten zentnerweise ausdrucken) bräuchte es noch einen Berliner Senat, der ausreichend Haushaltsmittel für eine entsprechende IT- Infrastruktur bereitstellt und deshalb irgendwelchen anderen gut organisierten Lobbyistenheulsusen (Kultur – was wäre eine Metropole ohne sie!?!?!!!!!, Genderbeauftragte, etc.) Geld wegnimmt.
    Meines Wissens gibt es auch in anderen Bundesländern keinen gemeinsamen Serverzugriff von StA und Gerichten auf Akten, da wird – wenn eingerichtet- allenfalls mal ein Dokument (aus Datenschutzgründen verschlüsselte) per Email verschickt.
    Abgesehen davon haben Sie in dem Artikel vergessen zu erwähnen, dass natürlich nicht die einfache StA irgendetwasdem hohen Kammergericht vorlegt,sondern dies der GenStA vorbehalten ist, also ein weiterer Umweg…

  4. 4
    Moneypenny says:

    Sie und ich, wir alle halt, wählen nun einmal Parteien, die sich in der Regierungsverantwortung für alles Mögliche einsetzen, aber nicht dafür, dass die Justiz die finanziellen Mittel zur Verfügung hat, die sie braucht, um das Vernünftige tun zu können. An dem unvernünftigen Ergebnis sind deshalb Sie und ich schuld, nicht das kriminalgericht.