Ein altes Schlachtroß

745591_web_R_by_Kai und Kristin Fotografie_pixelio.deAm liebsten sind mir Staatsanwälte, wenn sie kurz vor der Pensionierung stehen. Erfahrene Schlachtrösser, die sich nicht mehr aus der Ruhe bringen lassen.

In der vergangenen Woche hatte ich das Vergnügen mit einem solchen Exemplar.

Meinem Mandanten mißfiel die nicht bewährungsfähige Freiheitsstrafe, die er sich in der ersten Instanz gefangen hatte. Deswegen standen wir nun vor der kleinen Strafkammer und kämpften in der Berufung um die maximalen zwei Jahre. Und um die „besonderen Umstände“ (§ 56 II StGB), die ihm nochmal eine Chance geben sollten.

Sein Problem waren aber (unter anderem) die reichlichen Vorstrafen, die er in den vergangenen Jahren abgeräumt hatte. Dazu hatte ich mir ein – wie ich meinte – schlagkräftiges Argument einfallen lassen.

In meinem Schlußvortrag habe ich darauf hingewiesen, daß die abgeurteilten Taten – bis auf eine kleine – schon lange Jahre her sind. Und nun ist er ja aus Berlin weggezogen, trinkt keinen Alkohol mehr und lebt getrennt von den Kreisen, mit denen er die neuerliche Tat begangen hat. Auf dem platten Brandenburger Land habe er gar keine Möglichkeit mehr, sich zu neuen Straftaten hinreißen zu lassen.

Völlig unaufgeregt und im breiten Berliner Dialekt erwiderte der Oberstaatsanwalt. In seinem ausführlichen Plädoyer wies er, in sich selbst ruhend, darauf hin: Nur die eine kleine Sache sei vom Amtsgericht Tiergarten abgeurteilt worden. Alle anderen Taten sind in dem Sprengel passiert, in den er sich nun zurück gezogen hat. Die Vergangenheit habe also deutlich gezeigt: Das platte Land hält ihn von den Straftaten nicht ab.

Ich hatte gehofft, daß der Staatsanwalt sich den Strafregisterauszug nicht so genau anschaut. Vergeblich. Aber so schön und souverän hat mir Esel noch kein Staatsanwalt die Beine unter dem Hintern weggezogen.

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Bild: © Kai und Kristin Fotografie / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft, Strafverteidiger veröffentlicht.

5 Antworten auf Ein altes Schlachtroß

  1. 1
    Christian says:

    Irgendwie erinnert mich der Beitrag an etwas. Ach ja:
    http://www.daumier-register.org/werkview.php?key=12403

  2. 2
    opatios says:

    Da sind wir halt mal auf die Nase gefallen. Aufstehen, Krönchen richten, weitermachen. ;-)

  3. 3
    RA Schmidt says:

    Ich muß zugeben, es fällt mir auch als Verteidiger schwer, bei 4-fachem Bewährungsversagen und 10 Vorstrafen noch Argumente zu finden, weshalb der Mandant nunmehr geläutert sein soll und ab jetzt wirklich keine Straftaten mehr begehen werde.

    Der Lackmus-Test ist für mich immer die Frage der Schadenswiedergutmachung. Es sei doch eine schöne Geste, so sage ich meinen Mandanten, wenn sie, wozu sie ohnehin zivilrechtlich verpflichtet sind, versuchten, bis zur Hauptverhandlung den Schaden nach Kräften wieder gut zu machen. Sicher: die meisten haben nicht viel, daher ja auch „nach Kräften“. Es sollte aber schon weh tun. Doch dazu ist kaum einer bereit. Während der Besprechung mit dem Verteidiger klingelt das neueste iPhone und es folgt die Erklärung, man habe kein Geld und sehe das auch gar nicht ein…

    Da rate ich aber dringend zur Berufungsrücknahme. Man muß realistisch sein: die meisten, die so eine Vorstrafenlatte vor sich hertragen, haben nicht das geringste Interesse daran – oder sind aufgrund ihres Charakters nicht in der Lage – sich ernsthaft zu ändern. Sie wollen sich immer wieder mit tränenerstickter Stimme durchwursteln und hoffen, die Richter seien genauso naiv wie ihre Opfer. Das gilt insbesondere für notorische Betrüger.

  4. 4
    Anno Nüm says:

    Warum ist denn auf dem Foto ein Esel zu sehen?

  5. 5
    Miraculix says:

    weil: „Aber so schön und souverän hat mir Esel noch kein Staatsanwalt die Beine unter dem Hintern weggezogen“