Eine nicht geringe Menge getrocknete Schlafmohnkapseln

764563_web_r_k_b_by_rosel-eckstein_pixelio-deWas alle und jeder bisher schmerzlich vermißt haben … Das Warten hat ein Ende:

Mit Urteil vom 8. November 2016 – 1 StR 492/15 – setzt der Bundesgerichtshof (BGH) den Grenzwert der nicht geringen Menge für getrocknete Schlafmohnkapseln fest. Endlich!
 
 

Aus der Pressemeldung des BGH Nr. 199/2016 vom 08.11.2016:

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den Angeklagten G. unter anderem wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und den Angeklagten U. wegen Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und neun Monaten bzw. drei Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten G. in einer Entziehungsanstalt angeordnet.

Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte G. in Österreich 48 Kilogramm getrocknete Schlafmohnkapseln und führte sie nach Deutschland ein. 15 Kilogramm hatte er mit Geld und im Auftrag des Mitangeklagten U. erworben und bewahrte sie für diesen auf. Der Angeklagte G. konsumierte üblicherweise morgens und abends je zwei Teelöffel gemahlener Kapseln mit warmem Wasser. Verlangte der Mitangeklagte U. nach Kapseln, händigte er diesem (gemahlene) Kapseln aus. Der Wirkstoffgehalt der Mohnkapseln lag zwischen 0,19 % und 1,55 % Morphinbase. Die eingeführte Menge enthielt somit insgesamt etwa 507 Gramm Morphinbase.

Das Landgericht hat den Grenzwert der nicht geringen Menge entsprechend zu Opium bestimmt und rechtsfehlerhaft auf 6 Gramm Morphinhydrochlorid festgelegt.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat im Verfahren über die Revisionen der Angeklagten diese Grenzwertfestsetzung beanstandet, weil das Landgericht nicht berücksichtigt hat, dass die durchschnittlichen Verbrauchsportionen völlig unterschiedlich sind. Nach Anhörung von zwei Sachverständigen setzt der Senat nunmehr den Grenzwert der nicht geringen Menge für getrocknete Schlafmohnkapseln auf eine Wirkstoffmenge von 70 Gramm Morphinhydrochlorid fest. Diese Festsetzung entspricht den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Gefährdungspotential des in getrockneten Schlafmohnkapseln enthaltenen Morphins im Vergleich zu intravenös injizierten Morphinzubereitungen, für die der Senat mit Urteil vom 22. Dezember 1987 (1 StR 612/87) den Grenzwert der nicht geringen Menge auf 4,5 Gramm Morphinhydrochlorid festgesetzt hat.

Auf Grundlage der festgestellten Wirkstoffmengen hat der 1. Strafsenat die Schuldsprüche wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bzw. Beihilfe hierzu bestätigt. Bei dem Angeklagten G. hat es den Rechtsfolgenausspruch infolge der nun für den Angeklagten (deutlich) günstigeren Festsetzung des Grenzwerts aufgehoben.

Bei dem Angeklagten U. führte ein weiterer Rechtsfehler neben demjenigen bei der Bestimmung des Grenzwerts zu einer Umstellung des Schuldspruchs und einer Aufhebung des Strafausspruchs.

Und hier gibt es eine Übersicht über nicht geringe Mengen Betäubungsmittellieferanten, die von Richtern und Staatsanwälten sowohl in Nürnberg, als auch teilweise auch in Karlsruhe immer wieder gern mal angesprochen werden. Ein Prosit!

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Bild: © Rosel Eckstein / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Betäubungsmittelrecht, Strafrecht veröffentlicht.

5 Antworten auf Eine nicht geringe Menge getrocknete Schlafmohnkapseln

  1. 1
    RA Hünsel says:

    Und warum steht das Zeug einfach auf unseren Feldern herum? Hat da ein Landwirt im Hochsommer nicht unmittelbaren Besitz an einer erheblichen höheren Menge Schlafmohnkapseln mit entsprechendem Wirkfstoff?

  2. 2
    alter Jakob says:

    @RAHünsel
    Nur aus Interesse: Wo steht denn auf den Feldern Schlafmohn herum? Das wäre mir neu. Vielleicht meinen Sie Klatschmohn?

  3. 3
    alter Jakob says:

    Danke, hab mich schon selber schlau gemacht.

  4. 4
    HugoHabicht says:

    @RA Hünsel
    Der Mohn auf dem Mohnbrötchen oder im Mohnstritzel oder im Königsberger Stollen ist -i m Gegensatz zu dem Mohn am Ackerrand – allerdings tatsächlich Schlafmohn. Der in Deutschland nicht angebaut werden darf. Aber durchaus importiert (z.B. aus Österreich und Polen), wenn man ihn zu Brötchen etc. verbackt.

    Die Rechtslage bei Mohn ist ziemlich verwirrend.

  5. 5
    Waldmeister says:

    Der angebaute Mohn besteht allerdings aus morphinarmen Sorten. Sollte er zumindest.
    Der Anbau in Deutschland ist nicht verboten, sondern wie der Hanfanbau lediglich genehmigungspflichtig.

    Aus eigener Erfahrung stelle ich hier allerdings mal die Vogelfutterfrage:
    Was passiert, wenn im Garten plötzlich eine rosa Blume blüht? Ich hatte mir über Vogelfutter sowas eingeschleppt und hatte DREI Jahre zu tun, um das Zeugs wieder loszuwerden (das ist hartnäckig).