Entscheidungs-Katalysator

342878_web_r_k_by_einzmedia_pixelio-deDie Wirksamkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde ist umstritten. Weit verbreitet in diesem Zusammenhang sind die drei „F“: Formlos! Fristlos! Fruchtlos!

Daß ich einen andere Ansicht vertrete, jedenfalls, was das dritte „F“ angeht, ist dem aufmerksamen Blogleser sicher bekannt. In einer durchaus beachtenswerten Anzahl konnte ich mit einer „DAB“ die Ziele erreichen, die ich damit verfolgt hatte.

Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Beamte …
… sind recht einfach zu bewerkstelligen. Die Herrschaften unterliegen einer Hackordnung und haben Vorgesetzte. Das kann der gewaltunterworfene Bürger ausnutzen, wenn er sich beim Chef beschwert.

Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Richter …
… sind allerdings etwas für Fortgeschrittene. Das hängt mit richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 GG) zusammen, die aus historischen guten Gründen Schlimmes verhindern soll. Dennoch: Eine FFF-Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Richter ist zwar keine Rasierklinge, aber ein stumpfes Schwert ist es nicht.

In einer recht eiligen Beschwerdesache drückt sich die Beschwerdekammer seit Wochen um die überfällige Entscheidung. Rechtlich spielt sich das Ganze auf der Spielwiese der Vermögensabschöpfung ab, einem Strafrechtsgebiet mit stark zivilrechtlichem Einschlag, um das sich mancher Strafrechtler gern herumdrückt. Wer hat schon eine aktuelle Kommentierung der ZPO in seiner Strafrechtsbibliothek?

Um also etwas Schwung die moabiter Kriminalhütte zu bringen, habe ich dann mal diesen freundlich gehaltenen Text an die 9014-2010 gefaxt.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Richter, sehr geehrte Frau Richterin,

die in Art. 97 GG festgeschriebene richterliche Unabhängigkeit ist ein hohes Gut unseres Rechtsstaates, für die ich mich als Strafverteidiger und Organ der Rechtspflege stets stark gemacht habe und auch künftig für deren Erhalt einsetzen werde. Ein ebenso wichtiges Kriterium für die Sicherung unser aller Freiheit ist das Vertrauen, das der rechtsprechende Gewalt, also den Richtern entgegen gebracht wird (Art. 92 GG).

Diese Unabhängigkeit ist allerdings nicht grenzenlos. Jenseits der roten Linie befinden sich Desinteresse, menschelnde Bequemlichkeit, Willkür und böser Wille. Und dort bröckelt dann auch das Vertrauen.

Ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, wo ich, sehr geehrte Frau Richterin, sehr geehrte Herren Richter, Ihr Verhalten einordnen soll. Es ist Ihnen gelungen, binnen weniger Tage (Beschwerde vom 1.8.2016 -> Postlauf -> Beschluß vom 11.08.2016) mit einem knappen Einzeiler die Beschwerde zu verwerfen, ohne dem Beschwerdeführer zuvor das rechtliche Gehör zu gewähren. Daß Sie damit auch dem Verteidiger – also mir – signalisieren, was Sie von dessen Position in jenem Verfahren halten, macht es mir nicht einfacher, Ihnen und Ihrem Amt mit Respekt gegenüber zu treten. Einfach war es nur für Sie, mit einem Federstrich die Lästigkeit einer Beschwerde vom Richtertisch zu hauen.

Nun sitzen Sie bereits seit gut vier Wochen auf der Akte und entziehen sich der Entscheidung über die Anträge vom 25.08.2016, mit denen ich versuche, Ihren Reflex(*) einer inhaltlichen Überprüfung zuzuführen – also quasi von der Kniesehne ins Hirn zu transportieren. Meine wiederholten Erinnerungen daran, daß Sie da noch eine offene Aufgabe auf Ihrer To-Do-Liste haben, scheinen wohl auch wieder nur zu einem Reflex geführt zu haben. Ich kenne das: Unangenehme Arbeiten schiebe ich manchmal auch auf die lange Bank, in der Hoffnung, sie erledigen sich von selbst.

Wenn ich zuhause mit dem Fensterputzen so verfahre, hat das nun eine andere Qualität, als wenn Sie, sehr geehrte Dame, werte Herren, sich um die Ihnen anvertraute (s.o.) Entscheidungsbefugnis drücken. Da ich nun – wie oben bereits dargestellt – meine Schwierigkeiten damit habe, Ihre Fensterbanktechnik richtig einzuordnen (Unabhängigkeit, Gleichgültigkeit, Faulheit, Willkür … ?) bitte ich nicht Sie, sondern Ihre Dienstaufsicht, mir bei der Subsumtion Ihres Verhaltens zu helfen.

Seien Sie bitte so gut und legen Sie diese, meine

Dienstaufsichtsbeschwerde

demjenigen vor, der Ihnen – außerhalb Ihrer richterlichen Unabhängigkeit – auf die Finger schauen und ggf. auch hauen darf.

Es grüßt Sie freundlich aus Kreuzberg

Carsten R. Hoenig
Rechtsanwalt
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(*) Laut Wikipedia ist ein Refelx eine unwillkürliche, rasche und gleichartige Reaktion eines Orga-nismus auf einen bestimmten Reiz. Reflexe werden neuronal vermittelt.

Mal sehen, was und wie schnell jetzt etwas passiert.

Für die Angsthasen und Berufsbedenkenträger: Nein, mit diesem informellen Rechtsmittel kann kein Porzellan des Mandanten zu Schaden kommen.

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Bild: © einzmedia / pixelio.de

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